Mit ihren Überzeugungen hält Danielle Igniti nicht hinterm Berg. Daran wird sich auch nichts ändern, wenn sie am 1. März als Direktorin des Düdelinger Kulturzentrums „opderschmelz“ abtritt. Besonders was die Rechte der Frauen anbelangt, sei noch vieles zu tun, verrät sie im Gespräch mit dem Tageblatt.
Lesen Sie zum Thema auch das Porträt „La bohème“ oder Leben zwischen Jazz und Kunst – Danielle Igniti aus Düdelingen.
Von Marco Goetz
Tageblatt: Lassen Sie uns einen humorvollen Einstieg wagen: Wäre Ihr Leben als Mann wesentlich anders verlaufen – besser?
Danielle Igniti: Verlaufen – versaufen wahrscheinlich! Also nicht besser! Und vielleicht bin ich auch ein bisschen ein Mann, ich möchte mich eigentlich nicht festlegen, man soll nie nur auf das Äußerliche gehen.
Sie behaupten, Frausein sei immer noch nicht einfach. Warum?
Das hängt davon ab, welche Frau man sein will. Wenn man mitreden will und mitentscheiden, dann kann es schwierig werden. Wenn man in die Männerdomäne eindringen will, merkt man schnell die Barrieren, die noch recht stabil aufgestellt sind. Die männerdominierte Welt ist eine jahrtausendealte Festung, die so schnell nicht geschleift wird und schon gar nicht, wenn frau nicht die nötigen Instrumente besitzt: Ausdauer, Kraft, Zeit, Selbstvertrauen, Mut. Mut auch, zu denunzieren, wie das jetzt bei MeToo geschieht.
Wo würden Sie ansetzen?
Bei der Erziehung. Wir müssen aufhören, Mädchen in einer sogenannten Frauendomäne festzulegen. Wir müssen sie stark machen, ihnen zeigen, dass Frauen mitbestimmen sollen und Verantwortung übernehmen müssen. Aber auch bei der Erziehung der Jungen. Auch sie müssen lernen, dass sie nicht von Geburt an die Besten sind, dass zur Selbstverwirklichung auch Kindererziehung und „bénévolat“ gehören. Alles, was jetzt als selbstverständlich von Frauen erwartet wird. Das Konstrukt „Männerwelt“ muss infrage gestellt werden.
Wo sehen Sie den größten Handlungsbedarf?
Nur eine Gesellschaftsveränderung kann Gleichstellung bringen. Das Mutter-Ehefrau-Schema muss ersetzt werden von partnerschaftsorientierten Frauen und Männern. Es muss erkannt werden, dass nur Chancengleichheit die Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft sichern kann.
Das Frauenwahlrecht, 1919 eingeführt, sorgt bis heute nicht dafür, dass Frauen ebenbürtig in der Chamber und der Regierung vertreten sind. Wie lässt sich das ändern? Ich bin für Quoten, denn das ist ein Mittel zum Zweck, begleitet von begrenzten Mandatszeiten und Anti-„Cumul“-Bestimmungen. Das schafft freie Plätze, für Frauen und junge Menschen, das fördert die Partizipation und also auch die Demokratie.
Trotzdem ist in Richtung Gleichstellung einiges erreicht worden – bei uns, oder?
Sicher. Man hat es gemerkt, als die Gewerkschaft der Funktionäre die Fähigkeiten der neuen Innenministerin infrage gestellt hat, weil sie eine gut aussehende junge Frau ist! Wir haben einige Fortschritte gemacht, bleiben allerdings sehr mittelmäßig im Vergleich mit skandinavischen Ländern zum Beispiel.
Und Staaten wie Saudi-Arabien?
Ja, wenn wir uns vergleichen mit Gottesstaaten dann sind wir natürlich besser. Die westliche Welt hat lange gebraucht, um den Gottesstaat abzuschaffen, und wir spüren noch heute manchmal seine Willkürlichkeit. Was tun wir, um diesem Missstand entgegenzuwirken? Wir schicken Maggy Nagel Feste feiern, damit sie mit den Unternehmern um das Geld dieser superreichen Diktatoren und Menschenrechtsverächter wirbt.
Wie sollen wir denn hierzulande mit Menschen umgehen, die ein Gesellschaftsbild haben, in dem Frauen weniger Autonomie und Gleichstellung genießen?
Wir sollen sie integrieren, in unserer Arbeitswelt, in unseren Schulen, in unserer Gesellschaft. Wir sollen die Frauen begleiten in ihren Emanzipationsversuchen und Programme erarbeiten, um sie zu unterstützen. So wie das derzeit beim „Planning familial“ geschieht für den Bereich der sexuellen Gesundheit. Es gibt viele andere Beispiele, die die Zivilgesellschaft erschafft. Ich weiß von Mitbürgerinnen, die sehr aktiv sind, auch in den Schulen.
Leider hält sich der Eindruck, dass sich Integration oft nicht auf Immigration reimt.
Mit Eindrücken allein ist es nicht getan. Eindrücke können zu falschen Interpretationen führen und missbraucht werden. Integration ist schwer messbar. Wer ist integriert? Der Europabeamte, der nicht Luxemburgisch spricht und nur in seiner Diaspora verkehrt? Wollen wir Integration, wenn wir Menschen, die hier leben, ihre Kinder erziehen, ihre Steuern zahlen, nicht zur Wahl zulassen?
Unsere „Direction de l’immigration“ besteht aus drei Dienststellen, dem „Service des étrangers“, dem „Service des réfugiés“ und dem „Service des retours“. Damit ist alles gesagt!
Anderes Thema. Mit Remix Culture ist das Programm von „Esch 2022“ überschrieben. Was erwarten Sie sich?
Dass es die Region aufwertet. Sprachrohr wird für Talente, die hier geboren wurden, hierhergezogen sind, hier arbeiten, hier Geschichte machten und machen. Die Leute mit der Kultur versöhnen. Zukunftsvisionen ausarbeiten, neue Domänen eröffnen und innovative Ideen fördern.
Wird nicht alles zu sehr politisiert?
Die politisch Verantwortlichen haben ihre Arbeit getan. Sich eingesetzt und mitgestritten, dass das Projekt „Esch 2022“ durchkommt, Budgets festgelegt, gute Leute eingestellt, das Programm angenommen. Jetzt wäre es nützlich, wenn sie es fertigbringen würden, sich aus den Inhalten rauszuhalten und vielleicht auch alle Hahnenkämpfe und persönliche politische Ambitionen zurückzustellen.
Wird Danielle Igniti eine wichtige Rolle bei dem Event spielen?
Ich denke, dass bei diesem Event alle Menschen, die im Süden wohnen, eine Rolle zu spielen haben.
„La bohème“ oder Leben zwischen Jazz und Kunst – Danielle Igniti aus Düdelingen
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