Es sind die Naturgewalten, welche die Rettungsarbeiten nahe des südspanischen Dorfes Totalán immer wieder bremsen: Mit ihrem schweren Bohrgerät, mit dem sie eine Rettungsröhre zur Bergung des zweijährigen Julen in die Tiefe treiben, mussten sich die Helfer am Wochenende durch meterdicke Quarz- und Schieferschichten kämpfen. An diesem Montag oder Dienstag hoffen sie, endlich dort anzukommen, wo der kleine Junge in etwa 70-80 Metern Tiefe vermutet wird – seit mehr als einer Woche eingeklemmt und verschüttet in einer engen Brunnenröhre, die insgesamt nahezu 110 Meter tief ist.
Von Ralph Schulze, ergänzt mit Material der DPA
Ángel García Vidal, der technische Leiter der dramatischen Rettungsaktion, ist inzwischen mit seinen Zeitprognosen vorsichtig geworden. «Wir wissen nicht, was wir auf dem Weg nach unten finden.» Immer neue technische und geologische Probleme hatten in den letzten Tagen alle Hoffnungen zerstört, schnell einen Rettungsschacht zu graben, der eigentlich schon seit Tagen fertig sein sollte.
Auf der dramatischen Suche nach dem in Spanien in einem tiefen Brunnenschacht vermuteten Zweijährigen kommen die Helfer weiterhin langsamer als geplant voran. In der Nacht (zu Montag, 21.1.) stießen die Helfer bei der Bohrung des Bergungstunnels erneut auf zum Teil extrem harte Felsbrocken. Bis gegen neun Uhr morgens seien daher nur 52 von insgesamt 60 Metern gegraben worden, berichteten Medien am Montag unter Berufung auf die Rettungsteams am Unglücksort in Totalán nahe der südlichen Küstenstadt Málaga. Nach diesen jüngsten Informationen steht fest, dass der seit acht Tagen verschollene Julen nicht vor Dienstagnachmittag wird geborgen werden können.
Von dem Jungen gibt es seit dem 13. Januar kein Lebenszeichen. Mit jeder Minute werden deshalb die Hoffnungen auf einen glücklichen Ausgang geringer. Experten versichern allerdings noch immer, es sei nicht ausgeschlossen, dass das Kind noch am Leben sei.
Der Kleine soll bei einem Ausflug seiner Familie ins Loch gefallen sein, das einen Durchmesser von nur 25 bis 30 Zentimetern hat. Bei Kameraaufnahmen wurde im Schacht in einer Tiefe von gut 70 Metern eine Tüte mit Süßigkeiten entdeckt, die Julen bei sich hatte. Lose Erde verhinderte ein tieferes Vordringen mit der Kamera. Experten versicherten, ein vergleichbarer Notfall sei weltweit noch nie dagewesen.
Nach Fertigstellung des Tunnels, der parallel zum Schacht verläuft, sollen nun die Wände des Lochs befestigt werden, um Erdrutsche zu verhindern. Weitere Vorbereitungen nähmen insgesamt elf bis zwölf zusätzliche Stunden in Anspruch, erklärte der Helfer Àngel García Vidal. Anschließend sollen erfahrene Minenarbeiter mit Spitzhacken und Presslufthämmern unten eine erste horizontale, etwa vier Meter lange Verbindung zum Schacht herstellen, in dem Julen vermutet wird. Dafür werden nach Angaben der Helfer nochmals 20 bis 24 Stunden benötigt.
Der Schacht, der nach Medienberichten auf der Suche nach Wasser ohne Genehmigung gebohrt wurde, ist insgesamt 107 Meter tief. Die Retter hoffen aber, das Kind in einer Tiefe von 70 bis 80 Metern finden zu können. Eine Plattform zur Stabilisierung der Bohrmaschine war in etwa 20 Metern Tiefe angebracht worden, weitere 52 Meter waren die Helfer seither vorgedrungen. Um auf die angepeilte Tiefe von 80 Metern zu gelangen, fehlten am Montag noch etwa 8 Meter.
Mit jedem Tag, der vergeht, sinken die Chancen, den Jungen noch lebend zu bergen. Auch wenn Julens Eltern und die Rettungsmannschaften die Hoffnung nicht aufgeben. «Julen, sei stark», steht auf einem großen Transparent, das in der Nähe des Unfallortes weht.
Der Rettungstunnel hat einen Durchmesser von 120 Zentimetern. Breit genug, damit zwei Männer in einem Korb hinuntergelassen und sich die letzten Meter in Handarbeit zu dem vermuteten Unglücksort vorarbeiten können. Das Brunnenloch, durch das der kleine Julen abgestürzt sein soll, ist nur 25 Zentimeter breit – zu eng für die Retter.
Unten in der Tiefe wird dann der schwierigste Abschnitt der Rettungsoperation starten: Ein Bergarbeiterteam muss von der Rettungsröhre, die etwa vier Meter neben dem Brunnenschacht liegt, einen Verbindungsstollen zum Brunnen bauen. Mit Schaufel und Spitzhacke sollen sie einen horizontalen Gang graben, der in 70-80 Metern Tiefe auf den Unglücksschacht treffen soll. Dafür werden sie, nach dem bisherigen Zeitplan, einen weiteren Tag benötigen. «In der ganzen Welt gab es bisher noch nicht eine solche Rettungsaktion», sagte der lokale Feuerwehrchef Julián Moreno.
Bis in 71 Metern Tiefe konnte die Feuerwehr in dem Brunnen mit einer ferngesteuerten Kamera nach dem Jungen suchen. Sie fand jedoch nur eine Bonbontüte. Und winzige Haarreste, die Julen zugeordnet werden. Die Kamerasicht bis zur Brunnensohle, die in etwa in 110 Metern Tiefe liegt, wurde durch eine Erd- und Geröllschicht versperrt. Es wird vermutet, dass der Junge unter dieser Schicht verschüttet wurde. Doch wo genau, weiß niemand. Es ist auch nicht ausgeschlossen, dass Julen bis zur Brunnensohle in 110 Metern Tiefe gestürzt sein könnte.
Der kleine Julen war, nach Aussage seines Vaters, am 13. Januar beim Spielen in das nicht abgesicherte Brunnenloch gefallen. Der Unfall ereignete sich in der Nähe des Ortes Totalán rund 20 Kilometer nordöstlich der Costa-del-Sol-Stadt Málaga. Der Brunnen befindet sich auf einem Landgrundstück, das einem Onkel Julens gehört. Dort hatte sich die Familie zum Paella-Essen getroffen. Seit dem Unglück arbeiten mehr als 300 Spezialisten rund um die Uhr an der Bergung des Jungen, von dem es seitdem kein Lebenszeichen mehr gibt.
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