Rumänien hat seit Beginn des Jahres den EU-Ratsvorsitz inne. Das hat im Vorfeld schon zu manchen Bedenken geführt, die zudem durch jüngste Aussagen des EU-Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker weiter geschürt wurden.
Dieser hatte in einem Interview den Rumänen zwar eine technisch gute Vorbereitung bescheinigt, dennoch die Befürchtung geäußert, dass die rumänische Regierung aus innenpolitischen Gründen abgelenkt und überhaupt im Allgemeinen sich der Rolle nicht bewusst sei, die sie nun in der EU zu übernehmen habe. Der Luxemburger ist sicherlich gut platziert, um eine solche Einschätzung vornehmen zu können.
Es ist nun nicht davon auszugehen, dass zwischen den EU-Staaten in den kommenden sechs Monaten das große Durcheinander ausbrechen wird. Die Rumänen werden sich in der EU sicherlich nicht blamieren wollen. Und immerhin, die vorige österreichische EU-Ratspräsidentschaft hat sich im letzten Halbjahr auch nicht unbedingt mit Ruhm bekleckert, als sie in Fragen der Migration und der Sozialpolitik nichts vorangebracht hat.
Dennoch: Nachvollziehbar ist, dass vor allem Junckers Aussage über den internen Zustand des Karpatenstaates Auswirkungen haben wird. Denn ebenso wie zuvor in Ungarn und Polen versucht auch die Regierung in Bukarest über Reformen, sich das Justizwesen gefügiger zu machen und insbesondere den Kampf gegen die Korruption im Lande auszubremsen. Mit dem Unterschied, dass in Polen und Ungarn nationalkonservative Populisten das Sagen haben und in Rumänien die sozialdemokratische PSD regiert.
Dabei hat Rumänien durchaus große Erfolge bei der Korruptionsbekämpfung vorzuweisen. Vor allem auch auf allerhöchstem Niveau. Immerhin sitzt mit Adrian Nastase derzeit ein ehemaliger Regierungschef wegen Korruption im Gefängnis. Und auch andere hochrangige Politiker blieben von der im vergangenen Juli geschassten obersten Korruptionsbekämpferin Laura Codruta Kövesi nicht verschont. Dass sie ihre Arbeit gründlich gemacht hat, hat die EU-Kommission in ihren regelmäßigen Fortschrittsberichten, in denen sie seit dem EU-Beitritt Rumäniens die Entwicklungen in der Korruptionsbekämpfung und bei den Justizreformen des Landes bewertet, vermerkt.
Zu gründlich für den Vorsitzenden der Sozialdemokraten, Liviu Dragnea, der selbst im
vergangenen Juni wegen Korruption zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt wurde. Und daher konsequent einen rechtsstaatlichen Rückbau betreibt. Eigentlich müsste das reichen, damit sich ein Politiker von all seinen Ämtern zurückzieht. Doch scheinen so viel Anstand und Schamgefühl dem Zeitgeist nicht mehr zu entsprechen.
Die europäischen Sozialdemokraten (SPE), die zu Recht seit Jahren die konservative Europäische Volkspartei (EVP) wegen der Mitgliedschaft der ungarischen Fidesz des Viktor Orban vor sich hertreiben, sollten es besser machen und die rumänischen Genossen entsprechend unter Druck setzen. Die Forderung zur Einhaltung rechtsstaatlicher Prinzipien kann nicht parteipolitischen Überlegungen unterworfen werden.
Nicht nur der EU-Ratsvorsitz, sondern auch die im Mai anstehenden Europawahlen sollten für die SPE Gelegenheit genug sein, hier reinen Tisch zu machen. Die europäischen Sozialdemokraten würden dabei an Glaubwürdigkeit gewinnen. Zumal deren Spitzenkandidat bei den Europawahlen, Frans Timmermans, in der EU-Kommission für die Einhaltung der Rechtsstaatlichkeit in der Europäischen Union verantwortlich ist.
Ein guter Kommentar. Man kann nur hoffen, dass der Druck auf die SPE und damit indirekt auf Dragnea wächst, bzw. dessen Ambitionen behindert.
Es gab vor Jahren während des Präsidentschaftswahlkampfes Iohannis vs. Ponta Stimmen, die an der Rechtstaatlichkeit der PSD zweifelten und einen Ausschluss aus der SPE bzw. S&D forderten. Damals ging es vordergründig um die Manipulationen des Wahlzugangs für Auslandsrumänen. Dann aber stellte sich der deutsche SPD-Chef Sigmar Gabriel vor Ponta, bescheinigte ihm eine lupenreine Weste und die Debatte war beendet.
Victor Ponta ist übrigens 2015 wegen Urkundenfälschung Geldwäsche und Steuerhinterziehung verurteilt worden. Nach der politischen Einflussnahme auf Richter und Staatsanwäte, die die EU-Kommission 2017 im Fortschrittsbericht Justiz stark kritisierte, wurde er in erster Instanz im Mai 2018 freigesprochen.
Liviu Dragnea ist auch verurteilt, 2017 wegen Korruption und Urkundenfälschung, u.a. bei der EU-Vergabe von Straßenbauaufträgen in Höhe von 21 Mio. €. Er hofft auf einen gleichen Ausgang wie bei Ponta und hat dafür ein ganzes Land in Haft genommen.