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So viel Ungewissheit war nie – Deswegen wird 2019 zum Schicksalsjahr für die EU

So viel Ungewissheit war nie – Deswegen wird 2019 zum Schicksalsjahr für die EU

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Der Brexit und die Europawahl stellen alte Gewissheiten infrage. Gelingt ein geordneter Übergang – oder kommt es zum harten Bruch?

Von unserem Korrespondenten Eric Bonse, Brüssel

Wenn es nach Jean-Claude Juncker geht, dann hat die Europäische Union allen Grund, optimistisch ins neue Jahr zu blicken. Seine „Kommission der letzten Chance“ habe ganze Arbeit geleistet, erklärte der Behördenchef nach dem EU-Gipfel im Dezember. Die EU stehe heute stärker da als vor fünf Jahren, auch das Vertrauen der Bürger kehre langsam zurück.
Zum Beweis legte die EU-Kommission kurz vor Weihnachten die jüngste „Eurobarometer“-Umfrage vor. Sie zeigt nicht nur wachsende Zustimmung zur EU an – sondern auch, dass viele Bürger den europäischen Institutionen mehr Vertrauen schenken als der eigenen Regierung. Mit 42 Prozent liegt der Vertrauensbonus für die EU höher als für nationale Regierungen und Parlamente (32 Prozent).

Doch damit enden die guten Nachrichten. Den EU-Vorsitz, den Rumänien am 1. Januar von Österreich übernimmt, sieht Juncker kritisch. Das Land sei zwar „technisch gut vorbereitet“, sagte der Luxemburger der Welt am Sonntag. „Ich glaube aber, dass die Regierung in Bukarest noch nicht in vollem Umfang begriffen hat, was es bedeutet, den Vorsitz über die EU-Länder zu führen.“

Dabei kommt ausgerechnet auf Rumänien die heikle Aufgabe zu, Europa durch den britischen EU-Austritt am 29. März 2019 zu führen. Schon in der dritten Januar-Woche droht der erste Brexit-Schock: Dann will die britische Premierministerin Theresa May das umstrittene EU-Austrittsabkommen zur Ratifizierung im britischen Parlament vorlegen. Eine Mehrheit ist alles andere als sicher.

EU-Gegnern werden Erfolge vorausgesagt

Falls der Scheidungsvertrag durchfällt, kann dies zu unberechenbaren Kettenreaktionen führen. Von einem zweiten Brexit-Referendum bis zu Neuwahlen scheint alles möglich. Auch ein „harter“, ungeregelter Brexit ist dann nicht mehr auszuschließen. Die Regierung in London ließ bereits Fähren mieten, um sich für den Notfall zu rüsten.

Für die EU wäre das der „Worst Case“. Chaos an Häfen und Flughäfen würde das mühsam zurückgewonnene Vertrauen erschüttern – und die Europawahl Ende Mai überschatten. Dabei steht diese Wahl schon jetzt unter keinem guten Stern. In Brüssel ist von einer „Schicksalswahl“ die Rede, düstere Szenarien machen die Runde.

Im Europaparlament rechnet man nicht nur damit, dass die beiden größten Formationen – die konservative EVP und die sozialdemokratische S&D – die Mehrheit verlieren und sich nach neuen Partnern umschauen müssen. Einige Analysten prophezeien sogar, dass Rechtsnationalisten und Europagegner bis zu 30 Prozent der Sitze erobern könnten.

Wird Brüssel unregierbar?

Ein solches Ergebnis würde nicht nur die Chancen der Spitzenkandidaten Manfred Weber (EVP) und Frans Timmermans (S&D) schmälern, Juncker zu beerben. Es könnte sogar Brüssel unregierbar machen. Der italienische Lega-Chef Matteo Salvini träumt schon von einer Allianz der Rechten, die die EU aus den Angeln heben soll.

Wie die Staats- und Regierungschefs auf ein solches Szenario reagieren würden, weiß niemand. Klar ist nur, dass ihnen die Verantwortung zufällt, die EU nach der Wahl auf Kurs zu halten. Dabei sind sich die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron bisher nicht einmal einig, wie es weitergehen soll. Merkel will Weber zum nächsten Kommissionschef machen, Macron ist gegen das System der Spitzenkandidaten.

Bei der letzten Europawahl 2014 dauerte es bis Mitte Juli, bis die Chefs den damaligen Spitzenkandidaten Juncker akzeptierten und zum Kommissionspräsidenten machten. Diesmal könnte sich der Streit bis in den Herbst hinziehen. Denn 2019 muss nicht nur der Spitzenposten der EU-Kommission neu besetzt werden. Auch für Mario Draghi als Chef der Europäischen Zentralbank und für Donald Tusk, den EU-Ratspräsidenten, werden Nachfolger gesucht.

Personalfragen lösen

Bisher wurden diese Personalfragen stets im „Paket“ gelöst, wobei auf Parteien-Proporz geachtet wurde. Wird dies nach der Europawahl noch möglich sein – oder werden die europäischen Parteienfamilien genauso geschwächt wie die Volksparteien in Frankreich oder in Deutschland? Auch dies zählt zu den offenen Fragen im neuen Jahr.

Gleichzeitig steht die EU vor der Herausforderung, ein neues Gleichgewicht mit nur noch 27 Mitgliedern zu finden – ohne Großbritannien. Werden Merkel und Macron an einem Strang ziehen, werden sie um die Macht ringen – oder kommt alles ganz anders, weil es sich die Briten doch noch anders überlegen und bleiben?

So viel Ungewissheit war nie, erst im Frühjahr dürfte sich der Nebel lichten. Bis dahin gilt: 2019 wird ein Jahr des Umbruchs – oder des harten Bruchs. Die EU wird nicht untergehen, aber sie könnte arg gerupft aus den nächsten Monaten hervorgehen.

Jacques Zeyen
1. Januar 2019 - 10.42

Alles wird gut. Schluss mit den Weltuntergangsvorhersagen. Ohne Europa geht nichts mehr,es gibt kein Zurück. Die Briten werden das bitter zu spüren bekommen.Sie werden Darwins Evolutionstheorie,nämlich die Entwicklung eigener Spezies durch Isolation, in vitro mitmachen. Konservativismus heißt Stillstand,heißt Untergang. So wie es Griechenland noch immer gibt,wird es auch die EU noch immer geben. Mit Höhen und Tiefen,so wie das immer schon war. Es sei denn die Stickoxyde und der Feinstaub geben uns morgen den Rest.