Headlines

Ein Mann der ersten Stunde über die Anfänge und Zukunft der Uni Luxemburg

Ein Mann der ersten Stunde über die Anfänge und Zukunft der Uni Luxemburg

Jetzt weiterlesen! !

Für 0.99 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Die Universität Luxemburg feiert. Sie ist jetzt 15 Jahre alt, also im besten Teenager-Alter. Wie soll sie sich weiterentwickeln? Wo sind ihre Schwächen und ihre Stärken? Diese Fragen und weitere stellte das Tageblatt Professor Fernand Anton, einem Mann der ersten Stunde.

Tageblatt: Seit wann arbeiten Sie für die Universität Luxemburg?

Fernand Anton: Ich arbeitete lange im Ausland. Bis 1994 war ich u.a. wissenschaftlicher Mitarbeiter der medizinischen Fakultät in Erlangen. Ich arbeite auf dem Gebiet der Schmerzforschung. Damals kam die Idee auf, im «Centre hospitalier» (CHL) in Luxemburg oder eventuell in Mondorf ein kleines Schmerzzentrum mit Forschungsaktivitäten einzurichten. Im CHL entstand zwar dann eine «Schmerzklinik» im CHL, aber es gab dort kaum Möglichkeiten, Forschung zu betreiben. Ich arbeitete damals neben dem CHL auch am CRP Santé.

Ende der 1990er fragten mich die Verantwortlichen des «Cours universitaire de Luxembourg» (Cunlux), ob ich dort als freier Mitarbeiter Kurse geben wolle. Ich sagte zu. Nach dem Ausbau des Psychologie-Studiengangs bekam ich 2000 eine Festanstellung als Hochschullehrer. Als dann 2003 die Universität gegründet wurde, wurde ich übernommen und bekleide seither dort eine Professur im Bereich biologische Psychologie. Damals hatten im Rahmen der Universitätsgründung mehrere Forscher und Professoren von Cunlux und IST («Institut supérieur de technologie») eine Vereinigung, die AECS («Association des enseignants et chercheurs du supérieur au Luxembourg»), ins Leben gerufen, um die Interessen des Lehrkörpers zu vertreten. Ich war dort Mitglied. Wir trafen uns mit allen Parteien und der damaligen Ministerin, Erna Hennicot-Schoepges. Unsere Vorschläge und Ideen wurden aber nur in sehr begrenztem Umfang berücksichtigt.

Bei Cunlux gab ich anfangs meine Kurse auf Limpertsberg. Danach zog die Abteilung für Psychologie nach Walferdingen um. Meine Labors blieben aber aus technischen Gründen auf Limpertsberg, sodass ich permanent hin- und her pendeln musste. (lacht) Das ging jahrelang so. 2015 zogen wir mit unserem Labor für Untersuchungen am Menschen nach Belval um. Die Tierversuche werden aber immer noch in der Hauptstadt gemacht. Sie werden dort von einer erfahrenen Kollegin geleitet, sodass ich jetzt die meiste Zeit in Belval bin.

Welche Kurse geben Sie?

Da wäre zuerst die Veranstaltung in «Psychobiologie» (Verhaltensneurowissenschaft), die sich über vier Semester erstreckt. Dann gebe ich in jedem Sommersemester einen Einführungskurs ins Nervensystem für Biologiestudenten im sechsten Studiensemester. Im Schnitt habe ich ungefähr 100 Studenten im Jahr.

Sie haben also die gesamte Entwicklung der Universität bisher mitgemacht. Wie hat sie sich verändert?

Cunlux, ST und Iserp (Lehrerausbildung) stellten die Basis der neuen akademischen Einrichtung dar. Beim Cunlux lag der Schwerpunkt auf dem Unterricht. Die Forschung spielte dort eine eher untergeordnete Rolle.

Nun war der ursprüngliche Plan der damaligen Regierung, eine Forschungsuniversität zu gründen, wo der Hauptschwerpunkt auf die Forschungsarbeit durch Doktoranden gelegt wird und eine enge Verbindung zur Wirtschaft besteht. Glücklicherweise ist dieses Projekt einer Forschungsuni «à l’américaine» nicht zustande gekommen.

Der Lehrkörper plädierte damals für die Schaffung einer Uni mit Bachelor, Master und Doktor. Das hat u.a. den Vorteil, dass zum Teil hausintern talentierte Nachwuchswissenschaftler schon früh entdeckt und dann für das Doktorat rekrutiert werden können. Das «Lehre und Forschung»-Prinzip ist meiner Meinung nach der richtige Weg. Nun muss die Universität auf Belval aber noch wachsen.

Gab es Probleme bei der «Geburt» der Universität?

Nicht mehr als woanders. Diskussionen gab es u.a. über die Modalitäten der Übernahme der schon vorhandenen Lehrkräfte, über ihr Statut, ihre Karriere. Viele Professoren der drei oben genannten Schulen waren Beamte. Nun sollten sie in eine privatrechtliche Institution wechseln. Da gab es Klärungsbedarf. Man hat das Problem aber ganz gut gelöst, glaube ich. Es wurden u.a. klare Kriterien ausgearbeitet und dann auch durchgesetzt.

Gab es Änderungen bei den Studenten?

Ja, zwangsläufig. Die Lehranstalt hatte ihr Angebot erheblich vergrößert. Zudem legt man jetzt viel Wert auf die Internationalität. Die meisten CunluxStudenten waren Luxemburger. Nach der Gründung der Uni wurde die Studentenschaft viel internationaler (übrigens auch der Lehrkörper). In der Psychologie haben wir so zum Beispiel neben den Luxemburgern viele deutsche Studenten.

Diese müssen aber auch Französisch können, weil ein Teil der Lehrveranstaltungen in französischer Sprache abgehalten werden. Das klappt in der Regel sehr gut. Umgekehrt tun wir uns schwerer damit, französische Studierende mit ausreichenden Deutschkenntnissen zu finden.

Anders sieht das Ganze in Fächern wie Jura aus. Die internationale Zusammensetzung der Studentenschaft hängt also sicher teilweise von der Fakultät, dem ausgewählten Fach und den dort primär benutzten Sprachen ab. Nicht vergessen sollte man auch, dass jetzt mehr Studenten länger da sind, weil komplette Studienzyklen angeboten werden. Das Mehr an ausländischen Studierenden bedeutet auch einen erhöhten Bedarf an Wohnungen und allem was, zum Studentenleben dazugehört.

Was sind für Sie die Vorzüge der Uni Luxemburg?

Mir gefällt, dass sie eine richtige Universität ist. Sie kooperiert mit ausländischen Lehranstalten, betreibt aktiv Forschung, fördert die Mobilität der Studenten und Lehrer und zeichnet sich durch ihr internationales, weltoffenes Profil aus.

Am Anfang waren viele Politiker und auch Lehrer jedoch skeptisch. Sie befürchteten u.a., dass die neue Lehranstalt auf wenig Akzeptanz stoßen würde. Aber glücklicherweise haben wir uns da geirrt. Die Universität erzielt in internationalen Rankings nach nur 15 Jahren hervorragende Resultate. Darauf kann man aufbauen.

Diskussionen gab es vor 2003 auch über den Standort der Lehranstalt …

Ja. Aber da bin ich befangen, als Escher. (lacht) Hier sind oder werden grob zwei Drittel der universitären Institutionen untergebracht. Die Bereiche Recht, Wirtschaft und Finanzen bleiben zum Großteil in der Hauptstadt, u.a. wegen der Nähe zu den Banken, Gerichten usw. Die AECS forderte damals, dass die gesamte Universität in Luxemburg-Stadt gebaut werden sollte. Auf Kirchberg hätte ausreichend Gelände zur Verfügung gestanden. Die Mobilität wäre besser gewesen und die jungen Leute hätten sich meiner Meinung nach auch in Sachen Studentenleben in der Hauptstadt, mit all ihren Angeboten, wohler gefühlt. Ich verstehe aber, warum Esch bevorzugt wurde. Es ging zu jener Zeit um die Wiederaufwertung der Region. Und eine Hochschule ist da immer eine gute Sache.

Esch hat die Universität aber gutgetan, oder?

Ich ziehe es vor, vom «Standort der Uni» zu sprechen, denn Esch wird leider nie eine richtige Universitätsstadt werden. Ich befürchte vielmehr eine «Ghettoisierung» der Universität. Die Studierenden finden alles, was sie brauchen, in Belval. Wollen sie feiern, zieht es sie eher nach Luxemburg-Stadt. Mit dem Zug sind sie schnell dort. Die Schaffung eines Studentenhauses ist gut, reicht aber in meinen Augen nicht aus, um die Lehranstalt und das Viertel mit Leben zu füllen. Und das Stadtzentrum von Esch wird meines Erachtens von den Studierenden kaum als interessant wahrgenommen.

Wo besteht noch Handlungsbedarf, um die Universität weiter zu verbessern?

Die Uni wächst noch. Mittel sind genug da. Überall wird noch gebaut. Wie sie aussehen wird, ist im Augenblick schwer vorherzusagen. Das neue Universitätsgesetz und die neue Betriebsordnung stellen in vielen Punkten einen Fortschritt dar.

Nachdem sich die AECS 2011 ausgelöst hatte, wurde die APUL («Association des professeurs de l’Université du Luxembourg») ins Leben gerufen. Sie vertritt jetzt die Interessen des Lehrkörpers und wird die Anwendung des Gesetzes begleiten.
Persönlich habe ich aber immer noch den Eindruck einer zu strengen «top-down»-Organisation, wo das meiste von oben, ohne wirkliche Einbindung des Personals, entschieden wird. Ärgerlich ist in dem Zusammenhang zum Beispiel die Tatsache, dass die Lehrer bezüglich der Nominierung der Dekane und der Abteilungsleiter eine Stellungnahme abgeben können, diese de facto aber nicht wirklich wählen können. Ein weiterer Punkt ist, dass die Beförderungsmöglichkeiten der Lehrkräfte in Luxemburg beschränkt sind.

Was ist der schönste Moment in Ihrer Karriere gewesen?

Im Bereich der Psychobiologie kam es zu einer Kooperation zwischen Cunlux und der Universität Trier. Wir hatten die Möglichkeit, dort Doktoranden zu betreuen. Um Promotionsmöglichkeiten zu gewährleisten, hatte ich damals eine halbe Professur in Trier. Als die Uni hierzulande ihre Türen öffnete, lief der Vertrag aus. Fortan begleitete ich meine Doktoranden an der hiesigen Uni. Ich erinnere mich sehr gerne an den Augenblick, als die ersten Studenten unserer Arbeitsgruppe ihren Doktortitel «made in Luxembourg» bekamen.

Und an was erinnern Sie sich nur ungern?

Ich habe mich des Öfteren grün und blau geärgert: zu wenig Transparenz, fehlerhafte Kommunikation … Aber das war im Endeffekt nicht so tragisch. Menschlich gesehen war ein viel schwererer Moment der Verlust unseres Kollegen Prof. Dr. Dieter Ferring. Er war einer der Pioniere an der Uni und wir haben ihm alle sehr viel zu verdanken.

Was raten Sie jungen Leuten, die Hochschulstudien machen wollen?

Zuerst: «Mach das, was dich interessiert!» Nur dann ist man ausreichend motiviert und hat mehr Erfolgschancen.

Dann: «Wählt nicht diese Universität aus mit dem Hintergedanken, dass ihr später gerne in Luxemburg bleiben wollt.» Heutzutage wird immer mehr Mobilität und Flexibilität auf dem Arbeitsmarkt gefordert. Diese Eigenschaften soll man sich bereits während des Studiums aneignen. Andere Länder und Kulturen kennenzulernen, fördert die Offenheit und Toleranz. Deshalb unterstütze ich die Regelung der Auslandssemester an der Universität Luxemburg (alle Bachelor-Studenten müssen mindestens ein Semester an einer Universität im Ausland absolvieren, Anm. d. Red.).

Auslandsaufenthalte in den Aufbau-Studiengängen würden meiner Meinung nach aber prinzipiell mehr Sinn ergeben, weil man sich in der Phase erste Gedanken in Richtung Spezialisierung macht und einen Eindruck bekommen will, welche komplementären Ideen und Ansätze in anderen Institutionen verfolgt werden.

Wo sehen Sie die Universität Luxemburg in zehn Jahren?

Ich bin da zuversichtlich. Wir befinden uns in einer Konsolidierungsphase. Die Universität hat sich besser entwickelt als von vielen gedacht. Darauf kann man aufbauen. Sie wird weiterhin fester Bestandteil des Landes sein.


Die Universität Luxemburg in Zahlen

3

 

Standorte

  • Campus Belval
  • Campus Kirchberg
  • Campus Limpertsberg

3

 

Fakultäten

  • Wissenschaften, Technologien und Kommunikation
  • Jura, Wirtschaftswissenschaften und Finanzwissenschaften
  • Sprachen und Literatur, Humanwissenschaften, Kunst und Bildung.

3

interdisziplinäre Zentren

  • Interdisciplinary Centre for Security, Reliability und Trust (SnT)
  • Luxembourg Centre for Systems Biomedicine (LCSB)
  • Luxembourg Centre for Contemporary and Digital History (C2DH).

 3

Sprachen

  • Französisch
  • Englisch
  • Deutsch

10

Abschlüsse in den drei oben genannten Sprachen

36

 

Abschlüsse in zwei Sprachen

8

 

Abschlüsse nur in Englisch

100Mobilität: Alle Bachelor-Studenten müssen mindestens ein Semester im Ausland absolvieren. In diesem Zusammenhang wurden mehr als 100 Abkommen mit Universitäten aus ganz Europa unterzeichnet.

71

mögliche Abschlüsse: 12 Bachelor-Diplome, 42 Master-Diplome, 13 Berufsausbildungen, 4 Doktor-Schulen

6.350 Studenten: 3.100 Bachelor, 1.600 Master, 700 Doktoranden, 950 andere.

 

3.200 ausländische Studenten. 54% der Studenten kommen aus EU-Ländern, 19% aus sogenannten Drittländern. 44% sind Luxemburger. Insgesamt zählt die Universität 113 Staatsbürgerschaften.

 400 Euro Einschreibegebühren für die beiden ersten Semester, dann 200 Euro pro Semester.

 

 1.800 Mitarbeiter, darunter 250 Lehrkräfte, 500 Doktoranden mit einem Arbeitsvertrag und 950 externe Experten.

 

1.709 Veröffentlichungen: Im Jahr 2017 wurden 1.139 wissenschaftliche Publikationen und 570 Artikel in Fachzeitschriften gezählt.

 

225 Millionen Euro (2017) Budget, davon 52 Millionen aus sogenannten Drittmitteln, sieben gesponserte Lehrstühle.

 

3 Rankings: Unter den 250 besten Universitäten weltweit im «Times Higher Education World University Rankings» seit ihrer Teilnahme im Jahr 2016 auf dem 12. Platz der «Young University Rankings 2018», auf dem 161. Rang des globalen «Nature»-Indexes 2018 der Hochschulen mit einer wachsenden Rate von Veröffentlichungen in der Fachpresse und auf dem 14. Platz auf der Liste der Institutionen, die jünger sind als 30 Jahre.


Meilensteine der Universität

12. August 2003: Verabschiedung des Hochschulgesetzes. Damit wird die Basis für die Schaffung der Universität gelegt. Vier einzelne Institutionen werden zu einer einzigen «Université du Luxembourg» verbunden. Der Wissenschaftsbetrieb bleibt über drei Standorte verteilt: Campus Limpertsberg, Campus Kirchberg und Campus Walferdingen.
Februar 2004: Der erste Rektor der Universität Luxemburg, der Kanadier Prof. Dr. François Tavenas, verstirbt nur wenige Wochen nachdem er diesen Posten übernommen hat.

2005: Der Physiker Prof. Dr. Rolf Tarrach wird neuer Rektor. Mehrere neue Bachelor-Programme werden eingeführt. Der neue Standort der Universität ist Belval. Die Verwaltung, die Fakultät für Naturwissenschaften sowie die Fakultät für Humanwissenschaften werden dort in der «Cité des Sciences» ihr neues Zuhause finden.

2006: Erste Vereinbarungen mit internationalen Universitäten werden getroffen.

2007: Das Konzept für das zentrale Hörsaalgebäude in Esch/Alzette, die «Maison du Savoir», wird vorgestellt.

2008: Fünf Jahre nach ihrer Gründung zählt die Universität 4.000 Studenten, darunter 200 Doktoranden, fast 30 Studienprogramme, etwa 20 Partnerschaften mit Universitäten im Ausland sowie 150 Professoren und Dozenten.

2009: Spatenstich für das erste Gebäude der Universität in Esch/Alzette, die «Maison du Savoir».

2010: Etwa 2.000 Besucher nehmen am jährlichen «Tag der offenen Tür» der Universität teil. Der zweite Vierjahresplan der Uni (2010–2013) wird der Öffentlichkeit vorgestellt.

2011: «Campus Carrières», eine Karriereberatung für Studenten, wird eingeführt. 60 Doktoranden erhalten ihren Abschluss.

2013: Die zweite externe Evaluierung der Universität wird vorgestellt.
Offizielle Grundsteinlegung für die «Maison du Nombre», die «Maison des Arts et des Etudiants» sowie die Bibliothek der Universität in Belval.

2014: Einweihung des größten Studentenwohnheims: Unival I in Belval. Erste Abschlusszeremonie in der «Maison du Savoir».

2015: Die Universität erreicht Platz 193 des weltweiten «Times Higher Education (THE) World University Ranking» 2015-2016. Das Management und die Verwaltung der Universität sowie die Fakultät für Sprachwissenschaften und Literatur, Geisteswissenschaften, Kunst und Erziehungswissenschaften ziehen auf den Campus Belval, ins neue Hauptgebäude der Universität.

2016: Die Universität unterzeichnet immer mehr Partnerschaftsverträge, erhöht die Anzahl der Lehrstühle, gewinnt Preise für ihre Forschungsarbeit und erklimmt weitere Stufen in den internationalen Rankings.

2017: Am 9. Oktober ernennt der Großherzog Prof. Stéphane Pallage zum neuen Rektor der Uni Luxemburg.

2018: Der vierte Vierjahresplan der Universität (2018-2021) wird der Öffentlichkeit vorgestellt. Der neue Rektor tritt am 1. Januar sein Amt an.