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Der große Selbstbetrug: Weshalb sich Luxemburgs Mittelschicht belügt

Der große Selbstbetrug: Weshalb sich Luxemburgs Mittelschicht belügt

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Seit den Wahlen ist klar: Das Ende des Juncker-Effekts hat unser politisches System behutsam verändert. Ohne den junckerschen Personenkult ist die CSV an der Wahlurne wieder an ihrem historischen Durchschnitt angelangt. Die Routine der natürlichen Zweierkoalitionen mit einem „Groussen an engem Klengen“ funktioniert nicht mehr.

Große Regierungsmehrheiten scheinen angesichts des rasanten gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und technologischen Wandels vorläufig der Vergangenheit anzugehören. Zu fragmentiert sind die Interessenlagen in einer globalisierten Welt, die auch vor Luxemburg keinen Halt macht, zu ähnlich sind die Inhalte der etablierten Parteien geworden. Stehen damit das luxemburgische Konsensmodell und, daran gekoppelt, die politische Stabilität hierzulande langfristig auf der Kippe?

Ende des «CSV + 1»

Entgegen der oft bemühten Dolchstoß-Legende der CSV sollte man sich Folgendes vor Augen führen: Auch in Luxemburg sind die politische und wirtschaftliche Stabilität eng miteinander verzahnt. Und diese beiden Stabilitätsfaktoren können die blau-rot-grünen Regierungskoalitionäre mittlerweile genauso effizient gewährleisten wie vorherige von der CSV angeführte Regierungen.

Gerade diese Erkenntnis sollte den Konservativen zu denken geben. Luxemburg entwickelt sich dahingehend, dass politische Stabilität nicht mehr „CSV + 1“ bedeutet. Sie meint im heutigen Kontext vielmehr die Fähigkeit, Veränderungen verlässlich verarbeiten zu können, ohne dabei in instabile Verhältnisse wie im Zuge der Neuwahlen zu geraten.

Konnte man besonders nach der Anfangsphase der Dreierkoalition zumindest eine echte politische Legitimationskrise beobachten, verschärfte sich dieser Eindruck um ein Vielfaches nach dem Referendum – doch von all dem ist heute fast nichts mehr spürbar.

Der Grad an „de Mond halen“ und an Abwesenheit substanzieller Leaks während der Koalitionsgespräche zeugt von politischen Lerneffekten: Blau-Rot-Grün vermeidet es um jeden Preis, die Anfangsfehler von 2013 erneut zu begehen und Unruhe aufkommen zu lassen.

Bruchstelle der politischen Stabilität

Dennoch lässt sich auch bei dieser luxemburgischen Form der politischen Stabilität eine Bruchstelle erkennen. Unabhängig davon, welche der vier „großen“ Parteien gerade an der Regierung beteiligt ist, ändert keine politische Kraft in diesem Land etwas am Selbstbetrug der Mittelschicht: Sie glaubt sich viel näher an den Vermögenden, als sie es tatsächlich ist. Sie ist gefangen im Irrglauben, durch den sozialen Aufstieg irgendwann mit den Top-Verdienern mithalten zu können.

Wie unerreichbar diese jedoch in Luxemburg tatsächlich sind, scheint den meisten wahlberechtigten Bürgern hingegen nicht bewusst oder ganz einfach egal zu sein. Wie sonst wäre es erklärbar, dass sich die Mittelschicht mal bewusst, mal unbewusst lieber von ärmeren Bevölkerungsschichten abzugrenzen versucht, anstatt für mehr soziale Gerechtigkeit zu kämpfen, die sich in ihrem eigenen Portemonnaie bemerkbar macht?

Demnach nutzt die politische Stabilität in diesem Land vor allem jenen, die Demokratie lediglich als Rahmenbedingung für einen attraktiven Business-Standort umgedeutet haben.

Proletarier
27. November 2018 - 10.45

Luxemburg hat ein demokratisches Defizit, und dieses Defizit aufzuholen wird die naechste grosse Herausforderung der naechsten Regierung sein. Wenn sie es verschlaeft, wird dies auf lange Sicht fatal sein. Ich moechte nicht in einer Apartheid leben mit allen damit verbundenen Problemen (soziale Ungerechtigkeiten, soziale Spannungen, Kriminalitaet, Polizeistaat, Totalitarismus...)

roger wohlfart
25. November 2018 - 22.08

Danke für die Aufklärung. Es sind also genau die, die ich mir vorgestellt habe und zu denen auch ich, mit einigen Abweichungen, gehöre. Unsere Generation hat mon noch gelehrt, uns der Decke nach zu strecken.

Jacques Zeyen
25. November 2018 - 19.39

Die Mittelschicht begegnen sie jeden Tag im Cactus oder im "Auchan".Das sind die mit den VW oder sogar BMW-Mittelklassewagen.Das sind die die ihr 13.tes Monatsgehalt in die Geschäfte tragen und so den Markt am Leben erhalten. Das sind die,welche(noch) die phantastischen Mieten zahlen. Das sind die die jeden Monat eine "Solidaritätssteuer" abgeben um den "Mittellosen" zu helfen,das sind die welche dem Staat die meisten Einnahmen bescheren weil sie zu zweit arbeiten müssen um die Miete zu zahlen und ihre Kinder ohne Sozialhilfe über die Runden zu bekommen.Der Mittelstand ist das Rückgrat der Gesellschaft.Nicht die 3% die nicht nach Preisen fragen,weil das ein Zeichen von Armut ist.

roger wohlfart
24. November 2018 - 19.12

Eine simple Frage: wo beginnt die Mittelschicht und wo hört sie auf? Früher gab es 3 Gesellschaftsschichten mit äusserlich erkennbaren Abgrenzungen, heute gibt es mehrere Schichten mit mehr oder weniger fliessenden Übergängen. Das alles spielt sich im Kopf ab, in Indien spricht man von Kasten, auch heute noch nachdem sie unter Ghandi per Gesetz abgeschafft wurden. Diese sogenannte Mittelschicht kann möglicherweise in absehbarer Zukunft zusammenbrechen, weil sie über ihre Verhältnisse lebt. Die Politik soll sich an den ärmeren Bevölkerungsschichten orientieren und für soziale Gerechtigkeit sorgen.

Jacques Zeyen
24. November 2018 - 11.18

Die Mittelschicht war bis jetzt die Stütze des marktwirtschaftilchen Systems. Die Konsumgesellschaft wird hauptsächlich von dieser Mitte getragen. Trotzdem kann man sich des Eindrucks nicht erwehren,dass gerade diese Mittelschicht ein Dorn im Auge des Kapitals, also der Oberklasse ist. Wenn dann auch die Politik untätig zuschaut wie die Mittelschicht wegbricht,dann sieht es um den Konsum schlecht aus. Die meisten Angehörigen dieser Bevölkerungsgruppe sind sicher nicht naiv genug um sich mit den Reichen zu vergleichen. Da würden sie schnell Schiffbruch erleiden. Jeder der sich eine Wohnung zulegt,falls überhaupt möglich,weiß schnell ,dass große Schritte dann nicht mehr möglich sind. Wenn Kaufkraft der Katalysator ist für unser Wirtschaftssystem,dann sollten alle Parteien,auch die Reichen alles daran setzen,diese Mittelschicht zu hüten wie ein goldenes Ei.Denn wenn die Straße kocht wird es auch für jene unangenehm die sich bis dato in Sicherheit glaubten.

tarzan
24. November 2018 - 10.57

man stelle sich mal vor wir hätten 2015 unser sogenanntes „demokratisches defizit“ beseitigt. Dann wären vielleicht 15 parteien am start gewesen. Viel spass bei dieser regierungsbildung.

MiniSir
24. November 2018 - 10.24

Die westlichen Führer sind in Ungnade gefallen.
Sowohl Merkel als auch Macron sind in den Umfragen inzwischen sehr unbeliebt. Nur 17% der Deutschen sind mit Merkel zufrieden, während Macron eine 29%ige Zustimmung der Franzosen hat.

In den USA liegt die Popularitätsbewertung von Trump bei rund 40%. Wenn die Wirtschaft und die Börse sich innerhalb der nächsten zwei Jahre abwenden, werden die Trumps-Ratings schnell sinken, wie bei allen Präsidenten in einer rückläufigen Wirtschaft und an der Börse.

Der sinkende Lebensstandard der ehemaligen Mittelschicht ist der Grund warum CSV+1 Vergangenheit ist und ich denke die "Mittelschicht" weiß dies sehr wohl.

Grober J-P.
24. November 2018 - 10.03

Soziale Gerechtigkeit: War das nicht vor einer Ewigkeit das Credo der LSAP und der sog. Linken ? Buchstabieren sie mal: Lët......... Sozi.......... Aarb...... Par... !