Headlines

Academia meets borders: Luxemburg koordiniert ein Programm zur Grenzraumforschung

Academia meets borders: Luxemburg koordiniert ein Programm zur Grenzraumforschung

Jetzt weiterlesen! !

Für 0.99 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

«UniGR-Center for Border Studies» heißt ein ambitioniertes Forschungsprogramm, in dem sechs Universitäten der Großregion Grenzen und Grenzraumfragen erforschen wollen.

Seit dem 26. März 1995 sind Europas Binnengrenzen offen. Sieben Mitgliedsländer der Europäischen Union haben damals die Grenzkontrollen abgeschafft und ihren Bürgern den freien Personenverkehr ermöglicht. Heute gelten alle EU-Staaten mit Ausnahme von Großbritannien, Irland und Zypern als «Schengener Staaten», die Schweiz, Liechtenstein, Island und Norwegen haben sich ebenfalls angeschlossen.

Zöllner gibt es daraufhin keine mehr, die Grenzen in unseren Köpfen und in den jeweiligen Verwaltungen jedoch schon. Sobald es um Steuern, Ausbildung, Transport, um Sprache und Kultur geht, wird aus dem großeuropäischen Raum wieder ein Puzzle, in dem jedes Land an seiner Souveränität und jede einzelne Region an ihren Eigenschaften festhalten. Diese Aspekte wollen jetzt 80 Forscher aus sechs Universitäten der Großregion drei Jahre lang unter die Lupe nehmen. Die Uni Luxemburg ist dabei federführend. 3,5 Millionen Euro, davon 2 Millionen von der Europäischen Union über das Interreg-VA-Großregion-Programm, stehen ihr dafür zur Verfügung. «Grenzregionen sind wahre Laboratorien der europäischen Integration. Mit seinem Erfahrungshintergrund trägt das UniGR-Center for Border Studies dazu bei, Grenzen als Ressourcen für die Bürger und Bürgerinnen auf beiden Seiten zu erschließen», so Karl-Heinz Lambertz, der Präsident des Europäischen Ausschusses der Regionen.

Schwerpunkte Sprache und Kultur

Der langjährige belgische Minister weiß, wovon er spricht. Er selbst kommt aus dem deutschsprachigen Teil Belgiens und kennt damit die Zwänge, aber auch die Vorteile einer kleinen territorialen Einheit.

Die Europäische Union zählt nicht weniger als 400 Regionen, ein Drittel aller Europäer leben in sogenannten Grenzregionen. «Damit haben wir die größte Grenzdichte der Welt», so Lampertz. Das will er jedoch nicht als Hindernis verstanden sehen, sondern als Trumpf. «Wir sprechen Französisch, Deutsch, Niederländisch und Englisch. Das ist ein sprachlicher Vorteil, der uns viele berufliche Perspektiven gibt, der aber auch erlauben soll, die in den Köpfen bestehenden Grenzen abzubauen. Das angewandte Wissen muss uns helfen, unsere Gefühle zu überwinden», erklärt der Belgier. Tatsächlich sind Sprache und Kultur die Gebiete, in denen sich die Europäer beim Blick über die Grenzen schwertun. Hier will das Forschungsprojekt neue Modelle erarbeiten.

Fünf Arbeitsbereiche

Forschung, Gesellschaft, Bildung, Raumplanung und Mobilität sind die Bereiche, über die die 80 Spezialisten aus Trier, Saarbrücken, Kaiserslautern, Lüttich, Luxemburg und der Universität der Lorraine forschen und die sie mit ihren Arbeiten sichtbar machen wollen. Die reine Grundlagenforschung soll es ermöglichen, die einzelnen Projekte miteinander zu vernetzen. So soll eine Wissengrundlage entstehen, auf die die Politik gegebenenfalls zurückgreifen kann, wenn sie punktuelle Projekte umsetzt. Deshalb werden alle Recherchen in drei Sprachen online veröffntlicht, um einen schnellen Überblick zu gewährleisten. In handlichen Formaten sollen einzelne Projekte zusätzlich publik gemacht werden.

«Wir machen keine Politik, aber wir stellen unsere Erfahrungen den politischen Entscheidungsträgern zur Verfügung», erklärt Grégory Hamez, Geograf an der Universität Lothringen. Zusammen mit dem luxemburgischen Soziologen Christian Wille begleitet er das Projekt. Für Wille «bündelt es Expertisen und schafft die Voraussetzungen für eine nachhaltige Positionierung der Großregion in einem aufstrebenden Wissenschaftsbereich».

Spezialgebiet Mobilität

Ein weiteres Spezialgebiet ist die Mobilität. Hier bietet sich der Großraum rund um Luxemburg, mit seinen 2.595 Kilometern Grenze, geradezu als Forschungsprojekt an. Die Bildung ist ein weiteres Thema, zu dem künftig gemeinsam geforscht wird. Die Raumentwicklung steht ebenfalls im Blickpunkt. Dabei soll wiederum der Dialog zwischen wissenschaftlichen und institutionellen Akteuren über grenzüberschreitende Herausforderungen gefördert werden. Unter dem Sammelbegriff Gesellschaft werden Aspekte wie der Sprachgebrauch und das kulturelle Umfeld beleuchtet.

Die Europäische Union, die Partnerin des Projektes ist, erwartet, dass die 20 angebotenen Lehrgänge Experten für ihre Verwaltung oder für grenzüberschreitende Institutionen ausbilden wird. Benötigt werden ganz besonders Rechtswissenschaftler. «Mit dieser Ausbildung wollen wir wegweisend in Europa werden», betont Pierre Mutzenhardt, Vorsitzender des UniGR-Netzes.


Vorbildfunktion

Die grenzüberschreitende regionale Zusammenarbeit ist längst aus den Kinderschuhen gewachsen. Bereits seit zehn Jahren arbeiten die Universität Lüttich, die Technische Universität Kaiserslautern, die Universität des Saarlandes, die Universität Lothringen und die Universität Luxemburg im Projekt UniGR zusammen. Sie kommen damit auf 135.000 Studierende, 7.000 Doktoranden und 10.000 Dozenten.

Das spezifische Großregion-Angebot umfasst grenzüberschreitende Studiengänge, vornehmlich in den Bereichen Biomedizin, Materialwissenschaften und Grenzraumforschung, die ihm mit dem neuen Projekt eine besondere Sichtbarkeit gibt. Interessierte Studenten haben die Möglichkeit, ein Semester an jeder Uni zu absolvieren beziehungsweise ein Jahr lang an zwei Universitäten zu studieren. Dieses Pendeln sei zwar anstrengend, wird aber von den Studenten als Bereicherung und als Vorbereitung auf Europa angesehen. Die durch diese Studiengänge erforderte Mobilität wird von den jeweiligen Universitäten materiell unterstützt.


Haus der Großregion

Ein wichtiger Akteur in dem Forschungsprojekt ist das Haus der Großregion. Hier wollen die einzelnen Forscher in Kontakt mit den Bürgern und der Zivilgesellschaft kommen. Sechs Diskussionsforen sind bis 2020 angesetzt.

Das Haus der Großregion ist seit Juni 2015 in unmittelbarer Nähe des Escher Hauptbahnhofes, am Boulevard Kennedy Nr. 11, angesiedelt. Es versteht sich als Ort der Begegnung und des Austausches und beherbergt neun Einrichtungen der großregionalen Zusammenarbeit wie die Sekretariate der Großregion sowie des Wirtschafts- und Sozialrates, die EuRegio SaarLorLux+, den Verein Kulturraum Großregion, QuattroPole und das Institut der Großregion, das besonders die Zivilgesellschaft für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit mobilisieren will.