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Das Kreuz mit dem Wachstum: Ein komplexes und delikates thema

Das Kreuz mit dem Wachstum: Ein komplexes und delikates thema

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Es war eines der beherrschenden Themen der letzten Jahre und es wird uns wohl noch einige Zeit begleiten. Die Rede ist vom Wachstum. Nachhaltiges, ökologisch und gesellschaftlich vertretbares, qualitatives Wachstum und kontrolliertes Wachstum.

Von Jean-Claude Thümmel, ehemaliger Präsident des FNCTTFEL-Landesverbandes

Es gibt viele Herangehensweisen an dieses komplexe und zugleich delikate Thema. Das hat im nationalen Wahlkampf wohl jeder zu spüren bekommen. Im Zusammenhang mit Wachstum stellen sich direkt drei Fragen. Erstens, wie viel Wachstum braucht es, um unsere Lebensgrundlage nicht vollends kaputt zu machen? Zweitens, was ist qualitatives und/oder nachhaltiges Wachstum? Und drittens, welche Rolle genau spielt Wachstum in unserer Gesellschaft? Oder andersrum, braucht das Wirtschaftssystem, in dem wir leben, auch Kapitalismus genannt, Wachstum oder braucht Wachstum Kapitalismus? Man merkt, es geht auch um die ideologische Seite des Themas Wachstum. In diversen Rundtischgesprächen wurde das Thema während des Wahlkampfes bemüht.

Fazit: Man kann die Wachstumsrate nur bedingt regulieren, Wachstum ist eigendynamisch. Und: Wachstum im Sinne von Kapital-Akkumulation kann per Definition nicht nachhaltig sein. Erklärung: Das BIP-Wachstum basiert auf Ausbeutung von Mensch und Natur. Die herrschende wirtschaftspolitische Ausrichtung der Produktionsweise basiert auf weitgehend ungesteuertem, teils unkontrolliertem und unkontrollierbarem, ökologisch wie sozial rücksichtslosem kapitalistischen Wachstum. Es sind zuallererst die Interessen des Industrie- und Finanzkapitals, die diesen Vorgang steuern. Verschleiert wird diese Tatsache durch den Umstand, dass dies alles den Interessen der Allgemeinheit an Beschäftigung und wachsendem Einkommen sowie sozialer Absicherung dient.

Alternativen

Und um das Ganze abzurunden, wird die im Grunde nachgeschaltete Politik als alternativlos dargestellt. Ziemlich gewagt und dennoch funktionsfähig. Zur Definition nach Gabler: Wirtschaftliches Wachstum kann allgemein als Zunahme der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit einer Volkswirtschaft bezeichnet werden. Oder mit der Marxschen Formel auf den Punkt gebracht: G-W-G. Was wiederum so viel bedeutet wie: Ein Unternehmer nimmt eine Summe Geld (G) in die Hand, verwendet es auf Herstellung und Handel einer Ware (W) und erhält dafür eine größere Summe Geld (G). Und damit das System immer weiter läuft, braucht es ständig neue Betätigungsfelder. Wachstum bedeutet ja eigentlich nichts anderes als ein Größerwerden innerhalb eines definierten Zeitraums.

Im rein ökonomischen Sinn die Zunahme von Maßzahlen wie Umsatz, Ertrag oder Bruttoinlandsprodukt. Der Harvard-Business-Manager meint dazu treffend: „Welche Wachstumziele sinnvoll sind, können die Betriebs- und Volkswirte letztlich auch nicht sagen; sie sehen diese Ziele meist als extern gegeben an.“ Zusammengefasst also: Die Ziele, die extern gegeben sind, springen dem oberflächlichen Betrachter nicht direkt ins Auge. Der tiefere Sinn der kapitalistischen Produktionsweise ist es, immer mehr Mehrwert zu schaffen. Wir erinnern uns: G-W-G; unter Mehrwert versteht man die Differenz zwischen den Kosten für eingekaufte Materialien und dem letztendlichen Verkaufspreis des fertigen Produkts. Aus diesem Mehrwert wird unter anderem der Unternehmerprofit gezahlt. Also, je mehr Mehrwert, umso mehr Profit. Simpel, oder?

Utopie

Womit wir wieder bei der Frage der Wachstumsregulierung sind; man könnte also ganz einfach dekretieren, dass die Früchte des wirtschaftlichen Wachstums exklusiv jenen zugute kommen müssen, die zuvorderst für den geschaffenen Mehrwert verantwortlich sind. Nein, nicht die Kapital- und Produktionsmittelbesitzer, sondern die Lohnabhängigen an sich. Falls es so einfach wäre, und das ist sicherlich nicht der Fall, würden damit die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer die volle Verantwortung für die gerechte Verteilung des geschaffenen Reichtums übernehmen. Eine Utopie – und doch. Das Ganze hat etwas. Wachstumskritik würde einen völlig neuen Sinn bekommen. Es gibt nicht wenige Leute, die behaupten, dass das Wirtschaftswachstum das menschliche Wohlergehen erhöht.

O.k., aber wie hoch muss das menschliche Wohlergehen sein, damit ein Maximum erreicht ist? Und wenn diese Stufe erreicht ist, brauchen wir dann noch Wachstum? Ewiges Wachstum ist unsinnig und gefährlich. Das hat nicht zuletzt die Krise von 2007-2008 gezeigt. Und mit wachsendem Wohlstand wächst die Erschöpfung. Es grassiert eine Krankheit, die sich Burnout nennt. Eine quasi Volkskrankheit, die immer mehr um sich greift. Der Preis, den wir zahlen wollen oder zahlen müssen? Wir sind müde! Selbst das Wasser zeigt schon Spuren der Müdigkeit. In Seen und Flüssen sammeln sich die Reste der Antidepressiva, die jenen Menschen verschrieben werden, die dem Druck der Arbeitswelt nicht mehr standhalten. Vielen ist das materielle Ziel abhanden gekommen.

Auswege 

Worum geht es also im Endeffekt? Um einiges. Um sozial und ökologisch verträgliches Wachstum, um Umverteilung, um individuelle Bedürfnisse, um Gleichheit und Kontrolle. Um die dringendste Frage überhaupt: Wollen und können wir es uns leisten, auf all dies zu verzichten, damit einige Wenige sich weiterhin hemmungslos bereichern können und die ganze Menschheit damit ins Chaos stürzen? Das kapitalistische Wirtschaftssystem hat in den vergangenen 150 Jahren mehrfach bewiesen, dass es sich nicht selbst regulieren kann und will.

Wieso sollten wir also darauf vertrauen, dass es diesmal klappen könnte? Wir wissen, dass die kapitalistische Struktur der Gesellschaften und des Weltmarktes einem planvoll abgestimmten, Krisen vermeidenden und die Kosten gerecht verteilenden sozial-ökologischen Umbau diametral gegenüber steht. Es stimmt natürlich auch, dass es möglich ist, soziale wie ökologische Verbesserungen auch im Kapitalismus durchzusetzen. Wenn es dafür genügend gesellschaftlichen Druck gibt. Die Frage ist allerdings, ob das ausreicht. Eins steht fest: Weitermachen wie bisher ist keine Option. Die nächste Generation Menschen wird wohl kaum doppelt so viel konsumieren wie wir heute. Aber die Menschen werden weiter konsumieren; Computer, Fernseher, Autos und ähnliches anschaffen. Schließlich wollen die wenigsten ein karges Asketendasein fristen. Die Menschen werden es nur irgendwann nicht mehr schaffen, sich all den materiellen Besitz anzueignen, der nötig wäre, um die Wachstumsrate oben zu halten.

Jacques Zeyen
13. November 2018 - 22.13

Im Prinzip gut erdacht Jean Claude,bravo.
Die Frage lautet: "Kriegen wir eine gerechte Umverteilung der Wirtschaftsleistungen auf die gesamte Bevölkerung hin oder nicht? Kriegen wir die Bevölkerungsexplosion in den Griff oder nicht? Können wir die Ressourcen von Gaia ( Erde ) ,damit ist nicht Kohle ,Gas oder Erdöl gemeint(die sind bald erschöpft), sondern Luft,Wasser,Erde und alternative Energien so nutzen,dass wir es noch einige Zeit auf unserem Planeten schaffen,oder nicht?
Utopien wie Auswanderung zum Mars usw. können wir uns schenken,das wird nicht klappen, kostet aber Unmengen an Geld und Ressourcen. Sollen wir wirklich Kometen anbohren und wissen nicht ob wir morgen noch Strom in der Leitung haben? Unsere Politiker machen sich Gedanken um eine Europäische Armee und wir haben Millionen Menschen ohne Arbeit, ankommende Migranten nicht mitgezählt. Ich denke wir haben ein anderes Problem als Wachstum.Denn Wachstum heißt doch nichts anderes als immer mehr,immer weiter,immer höher.Das geht rein rechnerisch nicht auf.Da ist einmal Ende. Wenn Wachstum zu 80% in den Taschen von 3% der Bevölkerung verschwindet,schon zweimal nicht. Michael Schmidt-Salomon spricht von Religiotie,Ökonomidiotie oder Politiotie. Oder Schumpeter : " Das Kapital hat die schöpferische Kraft der Zerstörung." Sieht schlecht aus.