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Zerstörter Verfassungsschutz: Wie die „Sicherheitspartei“ FPÖ zum Sicherheitsrisiko wird

Zerstörter Verfassungsschutz: Wie die „Sicherheitspartei“ FPÖ zum Sicherheitsrisiko wird

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Das Wiener Parlament fördert gerade zutage, wie die angeblich um nichts als die Sicherheit der Menschen besorgte FPÖ ein gefährliches Spiel mit dem Verfassungsschutz getrieben hat.

Von unserem Korrespondenten Manfred Maurer, Wien

Schon vor der Machtergreifung des Rechtspopulisten Herbert Kickl im Innenministerium dürfte es nicht zum Besten bestellt gewesen sein um das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT). Selbst diese hochsensible Institution war offenbar nicht verschont geblieben von der Krake der Parteipolitik, die staatliche und staatsnahe Institutionen fest im Griff hat. Gert-René Polli, der das BVT seit der Gründung im Jahr 2002 sechs Jahre lang geleitet hat, offenbarte jetzt, dass seinerzeit Personen in Führungspositionen gebracht worden seien, die außer dem Parteibuch keine Qualifikation vorzuweisen hatten. Damals stand das Innenministerium unter ÖVP-Führung.

Haarsträubend auch, was eine ehemalige Mitarbeiterin der China- und Koreaabteilung berichtet: Sie musste sich bei Treffen mit ausländischen Delegationen wegen der miserablen Englisch-Kenntnisse ihres Chefs fremdschämen. Rehbraten übersetzte dieser etwa bei einem Essen mit ausländischen Kollegen sehr kreativ mit «Bambi-Meat». In der Whatsapp-Gruppe der Abteilung kursierten Nacktfotos und sogar Bilder mit Hakenkreuzen. Auch Alkohol soll reichlich im Spiel gewesen sein.

«Die wollen dich loswerden»

Diese Aussagen sind Teil der Schmutzwäsche, die gerade im BVT-Untersuchungsausschuss des Nationalrates gewaschen wird. Der FPÖ müsste all das nicht unangenehm sein, betrifft es doch die Zeit vor Kickls Wechsel vom FPÖ-Generalsekretariat an die Spitze des Innenministeriums.

Für den blauen Minister sind die Aussagen dennoch höchst unerquicklich. Und zwar gerade wegen deren mangelnden strafrechtlichen Gehalts. Denn die Zeugen sollten vor allem eines liefern: Eine plausible Erklärung für jene spektakuläre Hausdurchsuchung, welche die Korruptionsstaatsanwaltschaft am 28. Februar in der BVT-Zentrale durchführen ließ und die vom Oberlandesgericht Wien schon für großteils rechtswidrig erklärt worden ist. Die zuständige Staatsanwältin traf die Entscheidung nämlich aufgrund der Aussagen jener Zeugen, die jetzt im Untersuchungsausschuss zwar durchaus Fragwürdiges aus dem Geheimdienstmilieu preisgaben, aber eben nicht die «rauchende Pistole», die den Holzhammereinsatz der Sicherheitsbehörden in den eigenen Reihen rechtfertigen würde.

Extremisten-Jägerin im Visier

Umso mehr interessiert sich der Ausschuss dafür, warum die von einem FPÖ-Funktionär angeführte Einsatzgruppe zur Bekämpfung der Straßenkriminalität (EGS) gegen das BVT von der Leine gelassen wurde. Herbert Kickl wäscht seine Hände in Unschuld, weil er formal nichts damit zu tun hat. Federführend ist in der Causa die Justiz, die jedoch geleitet war von Aussagen jener Zeugen, die vor ihren Einvernahmen durch die Staatsanwaltschaft vom Ministerbüro instruiert wurden, nun im Ausschuss aber gar keine strafrechtlich relevanten Tatbestände zu offenbaren.

Gab es etwa ein ganz anderes Interesse als das an der Bekämpfung korrupter Strukturen? Hinweise dafür liefert Sybille Geißler: Die Leiterin des Extremismusreferats im BVT stand bei der Razzia ganz besonders im Visier der EGS. Obwohl sie im Akt als Zeugin und gar nicht als Beschuldigte geführt wurde, sackte die von Wolfgang Preiszler, einem FPÖ-Gemeinderat im niederösterreichischen Guntramsdorf, geführte Truppe alle Datenträger ein, die in Geißlers Büro zu finden waren. «Wir haben sogar CD-ROMs mit Kinderliedern mitgenommen», sagt ein am Einsatz beteiligter Beamter im Ausschuss. Spannender sind freilich die Daten über die rechtsextreme Szene in Österreich, die ebenfalls mitgenommen wurden. Darunter auch eine DVD mit Fotos, die deutsche Verfassungsschützer 2015 beim «Ulrichsberg-Treffen», einem rechtsextremen Event in Kärnten, geschossen hatten. Dass sich der oberste Ministerialbeamte Peter Goldgruber, ein enger Vertrauter von Minister Kickl, vor der Razzia im BVT erkundigt hatte, gegen welche Burschenschaften verdeckte Ermittler eingesetzt werden, rundet das Bild ab.

Die Extremisten-Jägerin, die wohl früher auch ihren heutigen Minister im Visier hatte, als dieser noch bei rechtsextremen Veranstaltungen als Redner auftrat, macht sich ihren Reim darauf: Sie habe sich gedacht, «jetzt ist der Tag X, von dem in der (rechtsextremen, Anm. d. Red. ) Szene immer geredet wird – wenn sie an die Macht kommen, dann hängen sie als Erstes die Staatspolizei auf». Bestärkt wurde Geißler in ihrem Verdacht dann im vergangenen Mai durch Michaela Kardeis. Die Generaldirektorin für die öffentliche Sicherheit soll ihr die Pensionierung nahegelegt haben. «Die wollen dich loswerden», soll Kardeis zu Geißler gesagt und gewarnt haben, dass «das ganz brutal» werde. Die freiwillige Pensionierung wäre die «sanftere Methode». Kardeis wird im November dazu im Ausschuss befragt werden.

Die Razzia hatte offenbar auch jene Folgen, welche die Regierung beharrlich bestreitet: Das Vertrauen ausländischer Geheimdienste in die österreichischen Kollegen ist erschüttert. So berichtet Geißler von einer Einladung zu einem Staatsschützertreffen über die rechtsextremen «Identitären», die den Vermerk «except Austria» trug. Ein Partner eines ausländischen Dienstes habe ihr nach Bekanntwerden von Details der Razzia gesagt, er dürfe keinen Kontakt mit dem BVT haben. Geißler vermutet neben der Razzia eine weitere Ursache für den Vertrauensverlust: die bekannte Nähe der FPÖ zur russischen Führung.

Ex-BVT-Chef Polli sieht in der ganzen Causa und deren öffentlicher Aufarbeitung eine «massive Beschädigung» der Reputation des Verfassungsschutzes und der nationalen Sicherheit. «Das BVT ist zerstört», befindet er. Der Untersuchungsausschuss «tanzt auf der Asche des BVT». Polli selbst hat sich mit der Situation arrangiert: Schon im vergangenen Wahlkampfjahr hatte er seine Expertise für 6.000 Euro im Monat als Konsulent der FPÖ zur Verfügung gestellt. Mittlerweile hat Polli auch wieder einen Job im Innenministerium. Er kümmert sich dort jetzt um das Problemfeld Migration. Weiß der Mann etwa noch mehr über die FPÖ?