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Italien: Bürgermeister erhält wegen Einsatz für Flüchtlinge Aufenthaltsverbot

Italien: Bürgermeister erhält wegen Einsatz für Flüchtlinge Aufenthaltsverbot

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Ein Gericht in Reggio Calabria hat den Hausarrest für Mimmo Lucano aufgehoben. Der Bürgermeister von Riace darf jedoch nicht in seine Heimatgemeinde. Innenminister Matteo Salvini (Lega) hatte per Dekret das Modell aufgehoben, nach dem in der kalabrischen Gemeinde Flüchtlinge aufgenommen wurden. Der Bürgermeister wurde der Unterstützung illegaler Einwanderung bezichtigt und am 2. Oktober festgenommen.

Von unserem Korrespondenten Wolf H. Wagner

Ein Berufungsgericht in Reggio Calabria hat den über den Bürgermeister der Gemeinde Riace, Domenico «Mimmo» Lucano, verhängten Hausarrest aufgehoben. Es gäbe keine Gründe für ein weiteres Festhalten des Lokalpolitikers, so die kalabrischen Juristen. Allerdings darf der Gemeindevorsteher nicht in seinen Ort zurückkehren – und inwieweit noch Rechtsschritte seitens des Staates gegen Lucano folgen, bleibt abzuwarten. Der Bürgermeister von Riace war am 2. Oktober unter der Beschuldigung, illegale Einwanderung gemäß des Bossi-Fini-Gesetzes aus dem Jahre 2002 unterstützt zu haben, festgenommen und unter Arrest gestellt worden. Ebenso verfuhren die Ordnungskräfte mit der Lebensgefährtin Lucanos, Tesfahun Lemlem. Allerdings darf die aus Äthiopien stammende Frau das Territorium der Heimatgemeinde betreten.

Lucano, der an der Seite seiner Anwälte Antonio Mazzone und Andrea D’Aqua das Gerichtsgebäude in Reggio verließ, zeigte sich teils über den Urteilsspruch zufrieden. «Ich habe mir nichts zuschulden kommen lassen, der Hausarrest war völlig unbegründet», erklärte Mimmo Lucano der wartenden Presse. Enttäuscht zeigte er sich über den Entscheid, dass er den Boden Riaces nicht betreten darf. Lucano sieht dies als ein politisches Urteil der Regierenden in Rom, insbesondere des Innenministers und Chefs der ausländerfeindlichen Lega, Matteo Salvini, an. «Sie wollen unser Projekt einer menschlichen Flüchtlingsaufnahme und der Wiedergeburt einer eigentlich schon sterbenden Gemeinde zerstören», erklärte der Bürgermeister. Man werde jedoch auch in Zukunft von dem Projekt nicht ablassen, beschwor er, sich der Unterstützung vieler gesellschaftlicher Kräfte sicher.

Innenministerium gegen das Projekt Riace

Anfang der Woche hatte das Innenministerium – auf besondere Anordnung des Ministers – eine auf den 9. Oktober rückdatierte Verordnung erlassen, nach der alle Integrationsprojekte in Riace sofort zu schließen und die Migranten auf andere Aufnahmelager in Italien zu verteilen seien. Die Veröffentlichung der Maßnahmen hatten weitere Protestmaßnahmen hervorgerufen. Bereits an den beiden vorangegangenen Wochenenden gingen in verschiedenen kalabresischen Städten, darunter der regionale Hauptort Reggio, Tausende Menschen auf die Straßen, die ihre Solidarität mit Lucano und den Einbürgerungsprojekten in Riace bekundeten. Mitte der Woche dann – parallel zum Freilassungsbeschluss des Gerichts – ruderte das Viminale zurück und ließ erklären, nur wer freiwillig aus Riace fortzöge, solle in anderen Aufnahmestationen bis zu einem endgültigen Entscheid über Asylersuchen Unterkunft finden.

Die Beamten des Innenministeriums ließen jedoch keinen Zweifel zu, dass jeder Nichtberechtigte abgeschoben würde. Dass Einwohner und Politiker der kleinen Küstengemeinde ihre Projekte fortsetzen wollen, steht ebenfalls ohne Zweifel. Riace war durch Fortzug und Überalterung zu einer sterbenden Gemeinde geworden, von den ursprünglich 3.000 Einwohnern waren nur noch 800 am Ort verblieben.

Mit der Zuwanderung sah Lucano – bereits seit 2004 Bürgermeister – eine Chance, das Dorf wieder zum Leben zu erwecken. Derzeit leben 2.430 Menschen in Riace. Die Kommune galt italienweit als ein Vorzeigebeispiel für gelungene Integration, Lucano selbst wurde für sein Engagement auch international mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Dresdner Friedenspreis. Es ist zu erwarten, dass der auch von vielen italienischen Intellektuellen unterstützte zivile Ungehorsam der Bürger Riaces gegen die Anweisungen des Innenministeriums den Konflikt noch eine Weile wachhalten wird. Der sich nunmehr wieder auf freiem Fuß befindliche Mimmo Lucano wird jedenfalls seinen Kampf für die Erhaltung der Projekte fortsetzen. Konfrontationen mit Salvini werden da nicht ausbleiben.