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Feuerprobe, Schicksalswahl, Rückkehr an die Macht: Was für die Parteien auf dem Spiel steht

Feuerprobe, Schicksalswahl, Rückkehr an die Macht: Was für die Parteien auf dem Spiel steht

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Am Sonntag ist es soweit: Luxemburg wählt nach der fünfjährigen Legislaturperiode ein neues Parlament und damit auch eine neue Regierung. Was steht für die Parteien auf dem Spiel? Ein Überblick. 


Momentane Sitzzahl der CSV: 23 (Opposition)

Für die CSV geht es bei diesen Wahlen um die Rückkehr an die Macht. Nachdem Blau-Rot-Grün die ewige Regierungspartei vor fünf Jahren aus der Verantwortung trieb, will sie ihren Thron wieder zurückgewinnen. Die Chancen stehen gut für die Christsozialen. Laut den Sonntagsfragen des Meinungsforschungs-Insituts TNS Ilres werden sie gestärkt aus diesen Wahlen gehen. Sollte dieser Fall eintreten und Blau-Rot-Grün rechnerisch nicht mehr möglich sein (weniger als 31 Parlamentssitze), müsste die CSV nach den Wahlen nur noch einen Koalitionspartner auswählen. DP und Grüne sind die wahrscheinlichsten Kandidaten für diesen Job, weil sie ihr Resultat am Sonntag halten könnten. In der Vergangenheit wurde der Koalitionspartner je nach Wahlresultat gewählt – wer sich hält oder hinzu gewinnt, hatte größere Chancen auf eine Regierungsbeteiligung. Da die LSAP laut Umfragen viele Sitze verlieren könnte, gilt eine Koalition mit den Sozialisten als unwahrscheinlich, wenn auch nicht als undenkbar. Sollte der CSV die Rückkehr an die Macht nicht gelingen, droht der Partei eine Krise mit internen Richtungskämpfen.


Momentane Sitzzahl der DP: 13 (Regierung)

Es war das zweite Mal seit dem Zweiten Weltkrieg, dass die DP in Luxemburg den Premierminister stellen konnte. Nach 1974 schafften die Liberalen es auch 2013 wieder, die CSV aus der Regierung zu lotsen. Sie vertrieben den langjährigen Premier Jean-Claude Juncker nach Brüssel (er war davor 18 Jahre lang im Amt). Und der DP scheint das Regieren zu gefallen. Im Falle einer Fortführung von Blau-Rot-Grün müsste sich Spitzenkandidat Xavier Bettel mit dem LSAP-Spitzenmann Etienne Schneider um das Amt des Premiers streiten. Dieser hat bereits verlauten lassen, dass er Anspruch auf den Spitzenposten der Luxemburger Politik erheben wird, falls die drei Koalitionäre wieder zusammenfinden sollten. In einer Regierung mit der CSV wäre Bettel einem Außenminister-Posten nicht abgeneigt, wie verschiedene seiner Parteikollegen meinen. Die Liberalen könnten laut den letzten Umfragen im Juli zwar Sitze verlieren, mit ein oder zwei Abgeordneten halten sich die Verluste aber in Grenzen.


Momentane Sitzzahl der LSAP: 13 (Regierung)

Für die LSAP könnte dieser Wahlgang zur Schicksalswahl werden. Es geht ums blanke Überleben als etablierte Partei. Der internationale Kontext lässt Böses ahnen. Die Festen der Sozialdemokratie – mit einigen Ausnahmen, wie Großbritannien und Portugal – bröckeln in der ganzen EU. In Frankreich hat Emmanuel Macron mit seiner Bewegung En Marche die  «Parti socialiste» in den Untergrund verschwinden lassen. In Deutschland hat die SPD ein Problem mit Glaubwürdigkeit und schwindenden Wählern – auch wenn sie es noch einmal knapp in die Regierung geschafft hat. Die Luxemburger Sozialisten wissen, dass es am Sonntag ums Ganze geht. Sollten sie, wie von den Umfragen vorhergesagt, drei bis vier Sitze verlieren, könnte die Partei weniger als zehn Abgeordnete in die 60-Sitze-Kammer schicken. Ihre Stellung als Volkspartei wäre dann in Frage gestellt. Hinzu kommt, dass die LSAP nicht als Wunsch-Koalitionspartner der CSV gilt. Der Sprung in die Regierung ist nach diesen Wahlen also eher unwahrscheinlich. Bei einer herben Wahlniederlage droht ein großer Umbruch mitsamt personeller Erneuerung. Auch das politische Schicksal von Vize-Premier Etienne Schneider steht auf dem Spiel. Er selbst behauptet zwar, dass er keinen Plan B hat. Ein Wechsel in die Privatwirtschaft ist allerdings nicht auszuschließen.


Momentane Sitzzahl der Grünen: 6 (Regierung)

Sie hatten in dieser Legislaturperiode ihren großen Moment: déi gréng. Nachdem die eher junge Partei (die beiden Splitterparteien GAP und GLEI sind erst 1994 zum ersten Mal gemeinsam angetreten, bevor sie ein Jahr später «déi gréng» wurden) sich anfangs als Revoluzzer der luxemburgischen Politik profilierten, gelten sie spätestens seit 2013 als etabliert. In dieser Legislaturperiode waren sie zum ersten Mal an einer Regierung beteiligt. Die Grünen haben sich in ihrer Regierungsarbeit stark auf ihre Ressorts und Dossiers konzentriert und sich sonst wenig eingemischt. Das scheint ihrer Wählerschaft gefallen zu haben. Die Grünen könnten laut Umfragen am Sonntag keinen ihrer sechs Sitze verlieren und vielleicht sogar den ein oder anderen dazu gewinnen. Die Grünen galten lange als Favorit unter den möglichen CSV-Koalitionspartnern. Mittlerweile hat die DP ihnen diesen Rang abgenommen. Trotzdem ist eine Zusammenarbeit mit den Christsozialen nicht ausgeschlossen, falls eine stabile Mehrheit rechnerisch möglich ist.


Momentane Sitzzahl der ADR: 3 (Opposition)

Die rechtskonservative ADR ist im Moment mit drei Abgeordneten im Parlament vertreten. Ihr Ziel am Sonntag: Fraktionsstärke, also fünf Sitze. Dann winken mehr Geld und Mitarbeiter für die Abgeordneten. Das Ziel ist laut den Umfragen durchaus realistisch. Die Partei hat die rechten Internet-Aktivisten des Wee2050 um den Geografie-Lehrer Fred Keup mit auf ihre Listen genommen und setzt bei diesen Wahlen verstärkt auf Promis wie beispielsweise den Journalisten Dan Hardy (RTL) oder den RFCUL-Fußballer Daniel da Mota. Die Partei hat in diesem Wahlkampf damit zu punkten, den Fokus auf die Luxemburger Sprache und Identität zu legen. Die ADR ist zwar der Meinung, dass sie bei einem Wahlerfolg in die Regierung gehört, doch CSV-Spitzenkandidat Claude Wiseler hat eine Koalition mit den Rechtskonservativen mehrmals explizit ausgeschlossen. Nach den Wahlen wird sich herausstellen, ob die Wee2050-Aktivisten in Zukunft eine Rolle in der Partei spielen werden und sie weiter nach rechts driften lassen könnten.


Momentane Sitzzahl der Linken: 2 (Opposition)

Auch déi Lénk profitieren vom internationalen Kontext. Vor dem Hintergrund der Finanzkrise und einer zunehmenden Kapitalismus- und Globalisierungskritik rücken die Ideen der Linken wieder in den Fokus. So wie beispielsweise in Deutschland mit Sahra Wagenknecht oder in Frankreich mit Jean-Luc Mélenchon. Auch in Luxemburg finden sie eine stetig wachsende Wählerschaft. Déi Lénk gelten als einzige systemkritische Partei im Parlament. Eine Regierungsbeteiligung ist sehr unwahrscheinlich. Ein oder zwei zusätzliche Sitze sind laut Umfragen aber nicht ausgeschlossen. Um ihre Wähler zu halten, hat die Partei in diesem Wahlkampf nicht nur auf ihre klassischen sozialen Themen – wie Wohnungsbau oder Ungerechtigkeit – sondern auch auf Umweltschutz gesetzt.


Momentane Sitzzahl der Piraten: 0 (nicht im Parlament vertreten)

Die Piratepartei wittert ihren großen Moment. Seit ihrer Gründung im Jahr 2009 hofft sie auf ein Abgeordnetenmandat. Bei den vergangenen Wahlen hatten sie den Sprung ins Parlament nur knapp verpasst. Doch Parteipräsident Sven Clement setzt auf Diversifizierung und hat Kandidaten in die Partei geholt, die eigentlich wenig mit den Grundwerten der Piraten zu tun haben. Es sind vor allem die «neuen» Kandidaten, wie der Tierschützer Daniel Frères oder Marc Goergen, die bei den Gemeindewahlen Mandate geholt haben. Durch die Zusammenarbeit mit der PID um den Cannabis-Aktivisten Jean Colombera sollen noch zusätzliche Stimmen gesammelt werden. Der Einzug ins Parlament ist laut Umfragen möglich.


Momentane Sitzzahl der Kommunisten: 0 (nicht im Parlament vertreten)

Die Kommunisten blicken in Luxemburg auf eine lange Tradition, haben aber mittlerweile kein leichtes Spiel mehr. 1968 hatte die Partei noch sechs Abgeordnete im luxemburgischen Parlament. Doch seit ihrer Spaltung nach dem Ende des Kommunismus (die Aussteiger gründeten die Nei Lénk, die später zu déi Lénk werden sollte) hat das Familienimperium um den Spitzenkandidaten Ali Ruckert (viele Positionen sind von Ruckert-Verwandten besetzt) nicht mehr wirklich viel Erfolg. Zuletzt konnte die Partei durch ein Bündnis mit Déi Lénk in der Legislaturperiode 1999-2004 noch einen Abgeordneten entsenden. Seitdem war sie nicht mehr in der Chamber vertreten. Eine Rückkehr ins Parlament ist eher unwahrscheinlich.


Momentane Sitzzahl von déi Konservativ: 0 (erster Antritt)

Für déi Konservativ werden diese Wahlen die Feuerprobe sein. Die neue rechte Partei um den ADR-Abtrünnigen Joe Thein tritt zum ersten Mal bei den Parlamentswahlen an, hat allerdings nur eine Liste im Süden-Bezirk. Parteigründer Thein schaffte es bei den Gemeindewahlen nicht in den Gemeinderat, so dass ein Sitz im Parlament äußerst unwahrscheinlich ist.


Momentane Sitzzahl von Demokratie: 0 (erster Antritt)

Auch die Liste Demokratie wird kein einfaches Spiel haben. Kurz nachdem die Listen der Partei (sie tritt nur im Süden und im Zentrum an) veröffentlicht wurde, erklärten einige Kandidaten, dass sie eigentlich gar nicht bei den Wahlen antreten wollten. Sie hätten ein Dokument unterschrieben, nicht wissend, dass sie durch ihre Unterschrift auf der Demokratie-Liste kandidieren. Die Partei hat kein Wahlprogramm. Ein Einzug ins Parlament gilt als nahezu ausgeschlossen.