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Lettland könnte prorussischen Premier bekommen

Lettland könnte prorussischen Premier bekommen

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Lettland ist wieder einmal in Aufruhr. Seit Jahren wurde nicht mehr mit so harten Bandagen um die politische Macht in dem Baltenstaat gekämpft wie bei den Parlamentswahlen von heute Samstag.

Von unserem Korrespondenten Paul Flückiger

Der Grund liegt im Zusammenbruch der langjährigen konservativen Regierungspartei „Vienotiba“ („Die Union“). Vor vier Jahren hatte sie noch 22 Prozent bei den Wahlen gewonnen, inzwischen hat sich „Die Union“ aber in ein halbes Dutzend Kleinparteien zersplittert.

Sie alle kämpfen nun darum, zumindest die Fünf-Prozent-Hürde zu überspringen. Dabei wettern sie gegen Korruption, die lettischen Oligarchen, das schlechte Gesundheitssystem und den Abbau des öffentlichen Dienstes in den ländlichen Regionen. Denn wie der südliche Nachbar Litauen ist auch Lettland stark von der Abwanderung der Jungen nach Westeuropa betroffen. Viele Gemeinden sind deshalb kaum mehr überlebensfähig.

Die Entwicklung hat das ganze bisherige konservative Regierungslager in eine Krise gebracht. Auch die „Grünen und Bauern“ (ZZS) von Premierminister Maris Kucinskis dürften etwa die Hälfte ihrer Wähler verlieren. Auf der Gewinnerseite steht das linke „Harmoniezentrum“ (lettisch: Saskana), die in der Mehrheit von ethnischen Russen gewählt wird. Jeder vierte Lette gehört zur russischen Minderheit (27 Prozent), dazu kommen Weißrussen (3,3) und Ukrainer (2,2). Über die Hälfte von ihnen schauen russisches Fernsehen, jeder Fünfte hat überhaupt keinen kulturellen Kontakt mit Letten. Ihre politische Heimat ist das „Harmoniezentrum“, das seit seiner Gründung 2010 jede Parlamentswahl gewonnen hat.

Eine Regierung konnte das „Harmoniezentrum“ jedoch noch nie bilden, denn keine der von Letten gewählten Parteien war zu einer Kooperation bereit. Für 2018 hat das „Harmoniezentrum“ deshalb ihre prorussische Rhetorik etwas zurückgenommen und mit Vjaceslavs Dombrovskis einen ehemaligen lettischen Parteipolitiker als Kandidat für das Premierministeramt gewonnen.

Protestpartei bietet sich als Koalitionspartner an

Der 41-jährige Dombrovskis ist russischstämmig und gibt sich nun in Wahlkampfauftritten als EU-freundlicher Sozialdemokrat. Nur mit der NATO hat er Mühe. Das von US-Soldaten angeführte rotierende NATO-Bataillon bringe nicht mehr Sicherheit, sagt er zum Beispiel. In den Umfragen konnte das „Harmoniezentrum“ im Vergleich zu 2014 dennoch nicht zulegen.

Als Königsmacher bietet sich den Russlandfreunden nun allerdings ausgerechnet ein Kämpfer für die lettische Sprache an. Der umstrittene Skandalpolitiker Artuss Kaimins hat vor zwei Jahren die Protestpartei „Wem gehört der Staat?“ (KPV) gegründet. Der bekannte Schauspieler des Lettischen Nationaltheaters und Radiomoderator imitiert seitdem Donald Trump und wettert ohne Programm gegen die Eliten. Dies hat seine KPV-Partei in den meisten Umfragen auf den zweiten Platz gebracht. Und sämtliche Skandale dieses besonders schmutzigen Wahlkampfs scheinen den 38-jährigen Kaimins nur zu stärken. Nach langem Zögern hat Kaimins in den letzten Tagen eine Zusammenarbeit mit dem „Harmoniezentrum“ öffentlich abgelehnt.

An Lettlands Ausrichtung auf EU und NATO ändere sich nichts, denn mit dem „Harmoniezentrum“ wolle eh keiner zusammenarbeiten, erklärte Lettlands Staatspräsident Raimonds Vejonis am Donnerstag in einem Fernsehinterview. Die meisten politischen Beobachter in Riga sehen dies allerdings nur als frommen Wunsch an.