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Im Auftrag seiner Majestät: Welche Rolle spielt der Großherzog bei der Regierungsbildung?

Im Auftrag seiner Majestät: Welche Rolle spielt der Großherzog bei der Regierungsbildung?

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Der Großherzog organisiert nach den Wahlen die Regierungsbildung. Wie er das regelt, ist verfassungsrechtlich nicht festgeschrieben. In der Praxis greift er auf einen Informateur oder Formateur zurück. Seine Entscheidung ist dabei von nachhaltiger Bedeutung.

Wahlabend 2013: Die Spitzenkandidaten sitzen sich in der Elefantenrunde gegenüber. Es ist laut. Die Politiker verstehen ihr eigenes Wort kaum. Die RTL-Moderatoren müssen mehrmals an die Anwesenden in den Hallen der Luxexpo appellieren, doch bitte leiser zu sein. Und trotz dieser akustisch ungünstigen Verhältnisse geschieht Bemerkenswertes. Vor den Augen der Öffentlichkeit wird an einer Koalition gebastelt. An einer Koalition, wie sie Luxemburg bis dahin nicht kannte. Bereits zuvor hatte Etienne Schneider bei der LSAP-Wahlparty im Exit 07 öffentlich mitgeteilt, er werde Xavier Bettel in einer Dreierkoalition den Posten des Premierministers anbieten.

Jean-Claude Juncker hingegen verweist in der Runde auf die «verfassungsrechtliche Prozedur»: Erst müsse der Großherzog einen Formateur ernennen, dann könne verhandelt werden. Für alle ist klar, was Juncker damit meint: der Großherzog soll ihn zum Formateur, zum Regierungsbilder, ernennen. So wie bei den Wahlen zuvor. So wie es üblich ist. Schließlich ist die CSV stärkste Kraft im Land.

Doch es kam bekanntlich anders. Der Großherzog wartet ab. Drei Tage passiert nichts. Dann ernennt er keinen Formateur, sondern den Präsidenten des Verwaltungsgerichtshofs, Georges Ravarani, zum Informateur. Ravarani sondiert bei den Parteipräsidenten und überbringt dem Staatschef sein Bild der politischen Lage. Fünf Tage nach der Wahl ernennt der Großherzog schließlich Xavier Bettel, den Vorsitzenden der DP, zum Regierungsbilder.

Informelle Reglung

Tatsächlich hätte die Geschichte auch vollkommen anders aussehen können. «Natürlich hätte der Großherzog auch Jean-Claude Juncker als Formateur ernennen können», sagt etwa Luc Heuschling, Verfassungsexperte der Universität Luxemburg. Denn die Verfassung sieht nämlich nicht genau vor, was nach den Wahlen geschieht. In Artikel 76 steht lediglich: «Le Grand-Duc règle l’organisation de son Gouvernement, lequel est composé de trois membres au moins.» Wie er das jedoch «regeln» soll, darüber schweigt der Text. Eine «verfassungsrechtliche Prozedur» gibt es nicht. In der Praxis hat sich Luxemburg deshalb, wie so oft in der Geschichte, an den Nachbarstaaten orientiert und greift auf das belgische Modell zurück. Dort entscheidet der Monarch nach der Wahl, ob er sogleich einen Formateur ernennen will oder noch eine Zwischenetappe einbaut und erst einem Informateur ernennt.

Dabei ist diese Wahl nach der Wahl von wesentlicher Bedeutung. Denn die Entscheidung des Großherzogs verschafft manchen politischen Akteuren einen Handlungsvorteil. «Es ist nicht unschuldig, wie der Großherzog vorgeht und wen er ernennt», sagt etwa der LSAP-Fraktionsvorsitzende Alex Bodry. «Es ist einer der wenigen politischen Momente des Großherzogs.» Denn da die Verfassung nichts vorsieht, liegt es im Ermessen des Monarchen, die politische Lage zu deuten. Oder anders ausgedrückt: Der Großherzog muss den Wählerwillen auslegen.

Es ist ein blinder Fleck, eine Grauzone, derer sich Bodry auch 2013 als Präsident der LSAP bewusst war. «Ich habe deshalb mit Nachdruck darauf bestanden, dass alle Parteien schnell handeln und in ihren Gremien ein klares Signal für eine Dreierkoalition auszusenden.» Es galt, klare Fakten zu schaffen. Ein Spiel gegen die Zeit, denn es sollte verhindert werden, dass Juncker als Formateur ernannt wird und somit in eine privilegierte Handlungssituation gerät.

Doch auch aufseiten der CSV ist man sich über diesen Moment des politischen Vakuums bewusst. Wie bereits in der Elefantenrunde angedeutet, drängt Juncker den Großherzog darauf, ihn als Formateur zu ernennen. Als die Tendenz wenig später jedoch Richtung Informateur geht, bringt die CSV beim großherzoglichen Hof einen Elder Statesman der DP wie Henri Grethen oder Colette Flesch ins Spiel. Man erhofft sich so, dennoch in Koalitionsgespräche mit der DP zu kommen.

Risiko

Verfassungsprofessor Heuschling und LSAP-Politiker Bodry sind sich dabei einig, dass die informelle Prozedur ein Risiko für den Monarchen birgt. «Der Großherzog muss achtsam vorgehen, denn er kann in Verruf geraten, parteiisch zu sein», so Bodry. Dennoch sieht die neue Verfassung, die bereits fertig ausgearbeitet vorliegt, nicht vor, die Situation zu klären. Begriffe wie «Formateur» oder «Informateur» sucht man vergebens. Es sei schlichtweg «sehr schwierig», eine Prozedur in der Verfassung zu verankern, so Bodry. «Ich glaube, die aktuelle ‹coutume constitutionnelle› hat sich in der Vergangenheit bewährt.»

Heuschling sieht das grundlegend anders. Denn die informelle Reglung hat für ihn keinen «bindenden Charakter». Die «coutume» ist im Luxemburger Verfassungsrecht als Rechtsquelle nicht anerkannt. Denn der Rechtsstaat fuße nicht auf Traditionen oder Gepflogenheiten, sondern auf klaren Texten. Auch um die Institution des Großherzogs juristisch zu schützen, müsste deshalb in der neuen Verfassung die Prozedur der Regierungsbildung klar geregelt sein. Schwierigkeiten, wie Bodry, sieht Heuschling keine.

Der Jurist ist vielmehr der Überzeugung, dass die Politiker bewusst auf eine formelle Reglung verzichten wollen. «Die Logik des Rechtsstaats schränkt das Prinzip des Pragmatismus ein.» Je mehr die Politik juristisch geregelt wird, desto mehr verschwindet der Spielraum von informellen Deals. Politik in Luxemburg funktioniert laut Heuschling jedoch immer noch nach dem Prinzip «so formell wie nötig, so informell wie möglich». Und was sagt der Großherzog dazu? Der hüllt sich in Schweigen. Seine Pressestelle verweist auf die gängige Prozedur und schickt lediglich einen Auszug der Internetseite gouvernement.lu.

Ob er sich nach den Wahlen für einen Formateur oder Informateur entscheidet, wird sich also zeigen. Heuschling sieht dabei vor allem ein Szenario, das den Großherzog in eine schwierige Position bringen könnte. «Was geschieht, wenn Viviane Reding mehr Stimmen als Claude Wiseler erhält? Ernennt der Großherzog dann Reding zur Formatrice?»

Nomi
15. Oktober 2018 - 10.44

Wiehlerwellen : Et ass jo kloor datt am mandsten Leit CSV net gewiehlt hun !
71,1% hun CSV net gewiehlt
83,23% hun LSAP net gewiehlt
82,5% hun DP net gewiehlt
84,95% hun di Greng net gewiehlt
Hei mussen d'Partei'en nach eenzel gekuckt ginn bis et zu enger formeller Formatio'un kennt !

Muller Guy
15. Oktober 2018 - 5.17

Hien soll guer keng Roll spillen an der Recommandatioun vun der Richterin follegen. Eng Monarchie as nach een Reschtiwel aus dem Mettelalter an net méi zeitgemäss. Also fort domat. Eigentlech eng Aufgab fir Gambia II.

Jacques Zeyen
29. September 2018 - 9.05

Erstaunlich wenig Kommentare.
Dann werde ich mich auch enthalten,erinnere aber nur an das Schreiben einer Richterin a.D.
welche den Großherzog zum Rücktritt aufforderte.