Die Wahlslogans der Parteien mögen den einen oder anderen Unentschiedenen beeinflussen. Eine Analyse der einzelnen auf einige Worte reduzierten Hauptaussagen ist somit eine recht interessante Übung. Eigentlich sind die Slogans aber auch eine undankbare Aufgabe für die Autoren, so Sprachwissenschaftler Dr. Christoph Purschke (Unité de recherche IPSE – Identités, Politiques, Sociétés, Espaces, Institut fir lëtzebuergesch Sprooch- a Literaturwëssenschaft, Université du Luxembourg), der die Aussagen der Parteien für uns analysierte. Nachfolgend seine Überlegungen.
Lesen Sie zu diesem Thema auch den Kommentar von Robert Schneider.
«Mich interessieren vor allem die Slogans der (größeren) Parteien als Stellvertreter für die Kampagnen, auch weil sie aus linguistischer Sicht interessant sind. Wahlslogans sind nämlich so etwas wie die Königsdisziplin der politischen Kommunikation, das zeigen die wenigen Beispiele für gelungene Slogans, die häufig direkt zu Ikonen werden (man denke etwa an das «Yes we can» der Obama-Kampagne).
Allerdings sind Wahlslogans auch eine sehr undankbare Disziplin: Man muss versuchen, ein komplettes Parteiprogramm, einen darin enthaltenen Gesellschaftsentwurf und ein Versprechen, wie man beides zusammenbringen möchte, in eine kurze und griffige Formel zu bringen, die aktuelle Debatten im Land aufgreift und dabei noch frisch und zeitgeistig klingt. Das kann eigentlich nur scheitern. Auch deshalb werden die Slogans dann mitunter durch zusätzliche Schlagwörter ergänzt, die den groben ideologischen Horizont der Partei abstecken sollen, wie bei «déi gréng» oder der CSV.
Mehrsprachigkeit und nationale Identität
Generell merkt man den Kampagnen aller Parteien an, dass und wie sehr die Debatte über Mehrsprachigkeit und nationale Identität die Parteien offensichtlich unter Zugzwang setzt.
Das zeigt sich auch in den Slogans, recht offen z.B. bei der liberalen DP, die thematisch vor allem die Identitätskarte spielt («Zukunft op Lëtzebuergesch»), aber auch etwa bei «déi gréng», die sich die Liebe zum Land auf die Fahnen schreiben («Well mer eist Land gär hunn»). Auffällig ist zudem, dass die Slogans vieler Parteien daraufhin konzipiert sind, sowohl für sich stehen zu können als auch als Dreh- und Angelpunkt für thematische Weiterführungen auf Plakaten und in Spots genutzt werden zu können, z.B. «Zesumme fir …» bei der LSAP, «Mir hunn e Plang fir …» bei der CSV oder dem «… fir jiddereen» der Piraten. Das setzt natürlich enge Spielräume für sprachliche Kreativität und thematische Details.
Vor allem aber führt das dazu, dass man keine Kampagne als rhetorisch wirklich gelungen bezeichnen kann, sei es, weil die Slogans eigentlich Selbstverständliches wie politisches Engagement oder planvolles Vorgehen betonen, sei es, weil sie versuchen, aus aktuellen Debatten über Identität Kapital zu schlagen, sei es, weil sie in Teilen redundant sind. Wie banal viele Wahlslogans (zwangsläufig) letztlich sind, kann man sich leicht vor Augen führen, wenn man ihre Bedeutung einfach mal ins Gegenteil verkehrt, also etwa «Faul für Stillstand» statt «Engagéiert fir Verännerung» bei «déi Lénk». Da zeigt sich schnell, dass bei Slogans eigentlich durchweg mit politischen und rhetorischen Gemeinplätzen agiert wird, die entweder Grundwerte gesellschaftlicher Organisation (Zusammenhalt, gutes Leben), Dynamik (Zukunft, Veränderung) oder aber das Selbstbild der Partei ins Zentrum rücken (Engagement, Sachkenntnis).
Schauen wir uns deshalb die zentralen Wahlslogans der Parteien mal etwas genauer an, in alphabetischer Reihenfolge. Das bedeutet natürlich eine Verengung der Sichtweise, weil die Slogans ja nur je Teil von größeren Kampagnen sind, aber sie sind eben in der Regel ihr auch zentraler Baustein.»
Die DP setzt mit «Zukunft op Lëtzebuergesch» am stärksten auf populistische Inhalte.
Dabei wird versucht, die gesellschaftspolitische Idee einer «luxemburgischen Version der Zukunft» zu lancieren, zugleich bedient man sich dabei recht offen bei der Sprachendebatte, um möglichst viele identitätsbesorgte WählerInnen zu binden.
Auch daran zeigt sich, dass die Sprachendebatte vor allem ein Stellvertreterdiskurs für gesellschaftliche Streitfragen ist, ein taktisches Mittel der politischen Kommunikation.
Die CSV setzt mit «Mir hunn e Plang fir Lëtzebuerg» ebenso einen eher komischen Effekt im Wahlkampf, indem eine thematisch fast leere Aussage in den Mittelpunkt gerückt wirkt: Man lässt die WählerInnen wissen, dass man offensichtlich politische Ideen hat, will aber nicht preisgeben, welche das sind. Taktisch kann man darin vor allem eine Vermeidungsstrategie erkennen, die thematische Festlegungen umschifft.
Die ADR versucht mit dem Slogan «Är Stëmm fir Lëtzebuerg» vorrangig an den Patriotismus der WählerInnen zu appellieren und sich damit selbst zur «Stimme Luxemburgs» zu erheben, im Ergebnis klingt der Slogan dann aber eher ungewollt komisch: Für was sonst, wenn nicht für Luxemburg, sollte man bei den Chamberwahlen seine Stimme abgeben? Frankreich?
Bei der LSAP muss man ein wenig suchen, bis man etwas findet, das man als Slogan bezeichnen könnte. Das etwas rudimentäre «Zesummen» betont pauschal den gesellschaftlichen Zusammenhalt und versucht damit zugleich, die WählerInnen emotional zu umarmen, indem die Partei sich und die Wählerschaft unter ein verbindendes Motto stellt. Man findet daneben auch die längere Version «Solidaritéit liewen: Fir Fortschrëtt a Gerechtegkeet», in der wir die bekannten Motive von Zukunftsorientierung und gesellschaftlichem Zusammenhalt erkennen können.
Die Grünen setzen mit den vorangestellten Schlagwörtern «Zukunft, Zesummenhalt, gutt liewen» prominent auf eher plakative Schlagwörter (man denke wieder an den Umkehrtrick), spätestens im begleitenden Slogan setzt die Kampagne dann aber ebenfalls ein identitätsbezogenes Motiv: «Well mer eist Land gär hunn». Damit liegen die Grünen durch die Formel «Zukunft + Liebe zum Land» recht nah bei der DP, allerdings wird hier eher ein emotionales Statement gesetzt («gär hunn»).
Mit «Lëtzebuerg: modern & fair fir jiddereen» zeigen sich auch bei den Piraten die klassischen Motive: Das Adjektiv «modern» verweist auf die Zukunftsorientierung, «fair» auf gesellschaftliche Inklusion. Allerdings wird hier eine andere Perspektivierung gewählt: Durch das vorangestellte «Lëtzebuerg:» und die Verwendung von Adjektiven wird eine knappe Selbstbeschreibung des Landes im Sinne einer politischen Vision formuliert.
Der zweite Teil des Slogans, «fir jiddereen», expliziert und intensiviert dann noch einmal das «fair», ist also rhetorisch eigentlich redundant, wird aber für die erwähnte Serialisierung von Aussagen auf Plakaten benötigt.
Der Slogan «Engagéiert fir Verännerung» ist ein gutes Beispiel dafür, wie Parteien versuchen, weniger thematische Aspekte ihres Programms als ihr Selbstbild zentral zu stellen. Hier wird letztlich ebenfalls das Bild einer Partei entworfen, die sich für das Land einsetzt und zukunftsorientiert ist, nur eben weniger thematisch und mehr auf das eigene Handeln bezogen. Rhetorisch ist das zwar deutlich stärker als etwa bei der CSV, letztlich aber eben trotzdem ein Gemeinplatz: Sollte man als WählerIn Engagement für die Entwicklung des Landes nicht voraussetzen dürfen?
Mit dem Slogan «Deng Stëmm fir eng konsequent Oppositioun» appelliert die kommunistische Partei ähnlich wie die ADR direkt an die WählerInnen, inszeniert sich dabei aber im Gegensatz zu allen anderen Parteien offen als Oppositionskraft. Interessant sind überdies die persönlichere Ansprache («deng» statt «är») sowie der Umstand, dass mit «konsequenter» Arbeit in der Opposition wieder eigentlich Selbstverständliches adressiert wird.
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