Der Abend des 21. Juli beginnt wie jeder Abend, in dem die Stadt Luxemburg ein kulturelles Großereignis zelebriert: mit der Suche nach einem Parkplatz. Ein paar Augenblicke lang verfluche ich mich selbst dafür, nicht zum Kirchberg gefahren zu sein, um von der schienengebundenen Avantgarde der nationalen Mobilität profitieren zu können.
Von Tom Haas
Dann erinnere ich mich daran, dass der Plan, mit dem Auto zur Tram zu fahren, um dann den Bus zu nehmen, mir doch eher wie die Überlegung eines Schildbürgers anmutete. Eine Fehleinschätzung, wie sich nun herausstellt. Wie dem auch sei, nach einer halbstündigen Stadtrundfahrt ist der fahrbare Untersatz dann doch notgedrungen im Parkhaus verstaut und die Talfahrt zu den Sirenen darf beginnen.
Nach dem Abstieg über die montée de la Pétrusse erblicke ich zuerst ein stilvoll platziertes Werbebanner von Volkswagen, die den inhaltlichen Bezug zur Rallye vermutlich durch ihre BlueMotion-Technologie herstellen wollen. Gleich danach kommt die „In the Mood Stage“ am „Parking St. Ulric“, wo die Big Band Spectrum in bester Stadtfestmanier ein schmissiges Cover von „Street Life“ zum Besten gibt. „Ist das jetzt Blues oder Jazz?“, erkundigt sich eine junge Frau bei ihrer männlichen Begleitung. Der Herr holt hastig den Flyer der Veranstaltung aus der Hosentasche und beäugt kritisch das Line-up, das ein weiser Geist vorsorglich nach Farben den zwei Genres zugeordnet hat, um etwaige Unsicherheiten beim Zuhörer zu unterbinden. „Jazz!“, lautet sein erleichterter Ausruf. Der Abend ist gerettet. Ich entschließe mich weiterzugehen.
Berührungspunkt zur Nische
An der Aula findet um 21.00 Uhr das erste Konzert statt, zu dem ich wirklich hin möchte. Jorge Rocha, ein portugiesischer Kontrabassist mit Loopstation, verwebt Eigenkompositionen mit Covers, wechselt Takt und Rhythmus unbefangen während der einzelnen Stücke und liefert insgesamt eine überaus stimmungsvolle Show ab, bei einzelnen Nummern begleitet von einer Dame mit vortrefflicher Stimme und einem mir unbekannten Instrument. Die kleine Bühne im Schatten des Torbogens und der Durchgangsverkehr der abkürzenden Besucher sorgen für ein Flair von Straßenmusik.
Hier begegne ich auch Nathalie Hartl vom Luxemburger Wort. Wir beschließen, uns nicht gegenseitig zu interviewen, und unterhalten uns stattdessen über unseren Eindruck von der Veranstaltung. Meinen Einwand, dass es eine luxemburgische Eigenart darstellt, möglichst viel Kultur auf einen großen Haufen zu werfen und zu hoffen, dass die Gäste etwas davon mitnehmen, wischt sie beiseite. Einerseits sei das Rallye ja gerade dazu da, einen Berührungspunkt mit jener Musik zu stiften, welche die Menschen in der Regel nicht im Radio oder auf Streamingdiensten hören und dabei mache ein überbordendes Angebot durchaus Sinn, andererseits würde gerade die Menge an Künstlern auch die vielfältigen Verästelungen der beiden Genres repräsentieren. Widerwillig gebe ich ihr recht, trotzdem wäre eine Entschlackung des Angebots auf mehrere Tage meiner Ansicht nach besser, um den Gästen die Gelegenheit zu bieten, sich wirklich mit der Musik zu beschäftigen. Nach kurzem Abwägen ist Nathalie bereit, mir zuzustimmen. Zufrieden lauschen wir der Musik.
Living Blues
Im Anschluss mache ich mich auf den Weg in die rue de la Tour Jacob, wo auf der „Living Blues Stage“ die Ilja Neve Blues Band für den abwesenden Elmore D. einspringt – und der Weg nach Clausen hat sich allemal gelohnt.
Hier leben die Klassiker in feuriger Interpretation und selbst der ungeübte Zuschauer bemerkt, dass von den Musikern auf der Bühne noch niemand weiß, wo der Song endet, wenn sie ihn anstimmen. Klavier und Trompete ergänzen sich, tanzen umeinander und werden dann von Gitarrenriffs auseinandergerissen, nur um den Sound dann zu flankieren und das Stück zu einem fulminanten Abschluss zu bringen. Der irritierte Blick des Gitarristen zum Klavierspieler zwischendurch ist Gold wert – jeder, der schon mal bei einer Jamsession dabei war, kennt die Ratlosigkeit an der Schwelle zum Entsetzen, die urplötzlich in Erkenntnis umschwingt. Mutig, sich Derartiges live beim Konzert zu leisten, aber das Resultat spricht für sich.
Nach einem Schlenker ins Liquid zu Cleanhead & Cosa Nostra lande ich zum Ausklang im Café des Artistes bei der Gaasserock Blues Band – gemütlicher Kneipenblues in teilweise luxemburgischer Sprache. Dieser ist überraschenderweise wie der Rest des Rallyes – gar nicht mal übel. Auf einem Haufen Kultur findet man notgedrungen auch das eine oder andere Juwel.
Ja, ist schon etwas anstrengend...entweder sucht man sich gezielt vorher was aus oder man schlendert oder eilt von Bühne zu Bühne und bleibt nur für 10 Minuten, wobei das dem ein oder anderen Künstler nicht gerecht wird....
Und an der Feeling Blues Stage (parvis ecole Clausen) angekommen gab's dort keinen Bierstand! Geht gar nicht...no beer no blues;)
Trotzdem jedes Jahr eine gelungene Veranstaltung, zu der wir gerne aus dem ach so fernen Trier anreisen;)
Gute Idee auf mehrere Tage auszuweiten. 5€ Eintritt wäre auch eine gute Lösung. Dann würden die von der Housener Bauerekirmes, dem Viandener Nessmoart, Aal Dikerech, Peischtcroisier, usw. die nichts mit Blues und Jazz am Hut haben Zuhause bleiben. Nichts gegen diese Veranstaltungen, aber gegen die Leute die einfach nur hingehen weil es ja nichts kostet, mit Hund, Neugeborenem auf dem Arm usw. um sich dann über diese schreckliche Musik, die viel zu Laut ist zu beschweren. Das hab ich nicht erfunden, nein.
Wenn man überall nur bekannte "Qualitätskünstler" auftreten lassen würde, würde es bald keine neuen mehr geben.
Toller Artikel. Erfrischend :-)
Eine entschlackung wäre sinnvoll , und dieses Fest über 3 oder 2 Tage hinzuziehen , und ich bin mir sicher es hätte Erfolg ,ich für mich tue mir dass nicht mehr an in einer Nacht oder Tag such dass alles reinzusaugen. So entsteht bei mir der eindruck dass sich hier um Quantität statt um Qualität handelt. Also liebe Organisation bisschen Probleme bisschen wagen wäre nicht schlecht