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Neuer US-Botschafter in Luxemburg: „Ich kenne zu viele Geheimnisse“

Neuer US-Botschafter in Luxemburg: „Ich kenne zu viele Geheimnisse“

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Randy Evans (59) ist ein Trump-Anhänger der ersten Stunde. Der vermögende Anwalt und einflussreiche Republikaner sagt unverblümt: „Ich kenne zu viele Geheimnisse.“ Ein Porträt des neuen US-Botschafters in Luxemburg.

„Ja, das stimmt. Ich habe 1979 in Newt Gingrichs Keller gelebt.“ J. Randolph „Randy“ Evans lacht herzlich. Ein Mitarbeiter blickt verwirrt durch die US-Botschaft auf Limpertsberg. Offenheit ist der natürliche Feind eines jeden Berufsdiplomaten. Dem Südstaatler aus Georgia ist das egal. Evans steht zu seiner Vergangenheit. Ein Diplomat war er nie. Weniger amüsant als der Keller ist die Rolle seines Mentors: Newt Gingrich hat maßgeblich zur Erosion der amerikanischen Demokratie beigetragen. Lange vor Trump, lange vor dem Wahnsinn im Minutentakt.

Er ist in den neunziger Jahren als Sprecher des Repräsentantenhauses zum „Godfather of Gridlock“ geworden: Gingrich machte Kompromisslosigkeit salonfähig. Er ist der Totengräber der politischen Zurückhaltung. Gegenseitiger Respekt und Überparteilichkeit sind seit Gingrichs Zeit vollends der politischen Kriegsführung gewichen. Er ist der Vordenker des Trumpismus: in der Politik gibt es nur Alliierte und Feinde, Sieger und Verlierer. Nicht ohne Grund gehört er zu Trumps engen Vertrauten – und ist Evans’ direkter Draht zum US-Präsidenten.

Spricht man den neuen US-Botschafter auf Gingrichs dunkle Seite an, lacht er genüsslich in sich hinein. Evans kennt Gingrichs Stil. Er sieht jedoch in ihm nicht den rücksichtslosen Politiker, sondern einen Freund und Kunden. „Ich würde Folgendes über ‹Speaker› Gingrich sagen: Er glaubt, dass wir Anwälte viel zu schlau sind.“ Die Rollenverteilung war bei den beiden stets klar: Gingrich ist das politische Zugpferd, Evans das juristische und finanzielle Hirn des Gespanns. Das Duo Politiker-Anwalt nennt er ein „Erfolgsrezept“. Doch wie landete der US-Botschafter in Gingrichs Keller?

Aus dem Keller ins Büro

Randy Evans wächst in sehr bescheidenen Verhältnissen auf. Doch er hat ein großes Talent. „Ich erhielt 1976 das Stipendium für einen Debattierstudiengang an der University of West Georgia in Carrollton.“ Das College in seinem Heimatbundesstaat Georgia war für Debattiertalente bekannt. Die Vorlesung eines jungen Professors verändert sein Leben. „Ich habe Speaker Gingrich an der Uni kennengelernt. Er unterrichtete Geschichte.“ Was er beim Gespräch in Luxemburg nicht erwähnt: sein Professor beeindruckt ihn nicht sonderlich.

In einem mehrstündigen Interview hat Evans im Rahmen des „Georgia Oral History Project“ zugegeben, dass Gingrich ihn intellektuell nicht herausforderte: „Er mag es nicht, wenn ich diese Geschichte erzähle. Aber die Wahrheit ist: ich habe den Kurs belegt und bin nach drei Tagen zur Schlussfolgerung gekommen, dass es ein wenig unter dem ist, wo ich mich gerade befinde. Ich bin nicht mehr zum Kurs gegangen.“ Es hindert ihn 1976 aber nicht daran, sich für Gingrichs Wahlkampagne einzusetzen. Evans spürt, dass der Professor kein gewöhnlicher Freizeitpolitiker ist. Ein Glückskind wird Gingrich jedoch nie.

Bereits 1974 kandidiert der Republikaner in Georgia um das Amt im Repräsentantenhaus. Die Demokraten dominieren den Bundesstaat. Ein Skandal verändert die USA für immer. „Als Republikaner hatte man damals wirklich keine Chance. Es war das Watergate-Jahr“, erinnert sich der Botschafter. Als Student kann auch er Gingrich 1976 nicht zum Sieg verhelfen. Sein direkter Kontrahent in Georgia wird ein Jahr später US-Präsident: Jimmy Carter. „Er hatte keine Chance. 1978 gewann er aber endlich und trat 1979 sein Amt als Kongressabgeordneter an.“ Gingrich nimmt Evans mit nach Washington. „Mein Vater rief mich irgendwann an und meinte: ‹Du musst nach Hause kommen und deinen Abschluss machen.› Es amüsiert ihn noch heute. „Ich sagte: ‹Ich bin bei einem neuen Congressman, Dad. Der hat noch richtig Spaß und ist nicht durch sein Dienstalter eingeschränkt.’“

Das Betteln hilft nichts. Evans muss zurückkehren und seinen Abschluss machen. Er hängt ein Jura-Studium dran. 1983 schließt er es ab. „Newt Gingrich rief mich an und fragte: ‹Wo lebst du?› Ich antwortete: ‹Cobb County.› Er: ‹Du musst nach Douglas County kommen.’“ Der frisch gebackene Anwalt Evans zieht um, beginnt seine politische Karriere in Gingrichs County. Er wird sein „campaign chair“ und schließlich „director of political operations“. Das Duo zieht bis 1994 an einem Strang, als der „hard-luck candidate“ Gingrich es ganz nach oben schafft: „Aus dem Keller zum Büro des ‹Speaker of the House was quite a ride›.“

Der wohlhabende Anwalt

Der Rest ist Geschichte: Gingrich hat als Sprecher des Repräsentantenhauses einen katastrophalen Start. Er braucht Hilfe. Evans ist jedoch in Georgia geblieben. „Er rief mich an: ‹Kannst du bitte nach D.C. kommen und als mein Berater arbeiten?› Ich kehrte nach Washington zurück. Wir haben in sehr kurzer Zeit viele Probleme gelöst.“ Evans schmunzelt. Es ist das Lächeln eines siegessicheren Anwalts, ohne den Gingrich es wohl kein Jahr im Amt geschafft hätte. Als Gingrich 1998 trotzdem stürzt, hat sich Evans in der Partei etabliert. So sehr, dass er in den darauffolgenden Jahren die meisten Führungspersönlichkeiten im Repräsentantenhaus als Anwalt vertritt – und wegen Interessenkonflikten kritisiert wird. Er vertrete gleichzeitig mehrere Politiker und könnte deswegen die Justiz behindern. Er setzt sich durch. Die Regeln werden so geändert, dass seine Praktiken legal sind.

„Wenn ich ein Buch schreiben würde, träte halb Washington zurück. Sie hätten schreckliche Angst. Ich kenne zu viele Geheimnisse.“ Sein diplomatischer Mitarbeiter lacht nervös. Evans ist ein großzügiger Spender. Er soll 2016 laut dem „Center for Responsive Politics“ 19.600 Dollar an das nationale Organisationsgremium der Republikanischen Partei, dem er angehört, gespendet haben. An Insiderwissen und finanziellen Mitteln fehlt es ihm nicht. Neben zahlreichen Wirtschafts- und Mediendeals, die er für Gingrich einfädelte, war Evans zuletzt Partner bei der internationalen Wirtschaftskanzlei Dentons, die auch in Luxemburg vertreten ist. Die Spitze der Karriereleiter war erklommen.

Dem Tageblatt liegt der „Financial Disclosure Report“ vor, den Mitarbeiter der US-Exekutive vor ihrem Amtsantritt ausfüllen müssen. Aus diesem geht hervor, dass Evans 2.822.567 Dollar bei Dentons verdient hat. Dies alleine zwischen dem 1. Januar 2016 und dem 23. Juni 2017. Hinzu kommt ein Bonus in Höhe von 139.093 Dollar und ein weiterer möglicher Bonus zwischen 50.001 und 100.000 Dollar. Vor seiner Amtsbestätigung war Evans mit 633.930 Dollar Eigenkapital an Dentons beteiligt. Außerdem hat er über zahlreiche Nebeneinkünfte verfügt, darunter 47.465 Dollar von „The Lubbers Agency“, einer Talentagentur von Newt Gingrichs Tochter Kathy Gingrich Lubbers. Als Botschafter verdient Evans deutlich weniger.

„Die Regeln sind ein wenig streng. Sie fordern, dass man von solchen Ämtern zurücktritt.“ Der Botschafter bestätigt, dass er finanziell nicht mehr mit Dentons in Verbindung steht. Fragt man Evans nach seiner Expertise bei der internationalen Großkanzlei, wird er etwas ruhiger. Er strahlt weiter, denkt aber kurz nach. „Meine Expertise besteht darin, kreative Lösungen für komplizierte Probleme zu finden.“ Eine ähnliche Devise galt lange für Luxemburgs Finanzplatz. Das weiß man auch in den USA. „Es gab vielleicht Politiker in der Regierung, die mich lieber in einem anderen Land gesehen hätten. Wenn Sie von der größten Anwaltskanzlei der Welt kommen, die Büros in rund 60 Ländern hat, lautet die Logik: ‹Wir würden ihn gerne bei uns haben.› Ich sagte: ‹Es gibt kein anderes Land, wo so viele Länder aufeinanderstoßen.› Luxemburg spielt finanziell für Europa eine ähnliche Rolle wie Singapur für Asien.“ Der Botschafter versteht die Rolle des Großherzogtums als Eintrittstor zu Europa – besonders nach dem Brexit.

Evans vergleicht die Entwicklung des Finanzplatzes mit der Geschichte der Beleuchtung: „Wenn Sie immer nur über altmodische Lichtquellen sprechen, kommen Sie nie auf Lösungen wie die elektrische Beleuchtung. Luxemburg beherrscht Kerzen und Glühbirnen.“ Dass der amtierende Präsident nicht gerade der Hellste ist, stört ihn nicht. Er hat Trump während seiner Wahlkampagne unterstützt. Sie haben eine ähnliche Auffassung von Business. Weshalb er dennoch die Exzesse des bigotten Republikaners in Kauf nehme? Alles nur ein Kommunikationsproblem.

„Denken Sie an Hunde und Katzen. Wenn eine Katze schnurrt, was hört der Hund? Ein Knurren. Was sagt die Katze wirklich? Ich bin entspannt. Der Hund hört aber Aggression. Was sagt ein Hund, wenn er Pfötchen gibt? Ich will spielen. Was tut eine Katze, wenn sie ihre Pfote ausstreckt? Sie greift an.“ Evans klammert Trumps menschenverachtende Rhetorik aus. Nur Wirtschaftsdaten und Business zählen. Ganz so, als ob der Commander-in-Chief nicht auch mit Sprache und Symbolik Weltpolitik machte.

„Trump ist kein Politiker“

„Präsident Trump ist kein Politiker. Er ist ein Businessman. Er ist eine Katze, die in einen Hundezwinger gelangt ist.“ Washington D.C. sei voller Codes und Kommunikationsstrategien, die Trump völlig fremd seien. Schnurre er, hörten seine Gegner ein Knurren. Hebe er die Pfote, glaubten sie, er wolle spielen. Ob das auch für sein Hassobjekt Amazon gilt? Die Europazentrale des US-Onlinehandelsunternehmens liegt in Luxemburg.

„Beim Beispiel Amazon ist es nicht anders. Ich habe keinen Zweifel daran, dass er immer mit einer starken Aktion anfängt. Ein fester Handschlag. Am Ende des Tages wird er aber wieder davonziehen und es eine Einigung geben.“ Die Methode Gingrich ist fester Bestandteil von Trumps Repertoire. „Er will stets der Gewinner oder der Beste sein. Viele Leute glauben aber, sein Ziel sei, nur die USA zum Besten zu machen.“ Dies stimme nicht. Jedes Land solle kompetitiv sein.

Fragt man Evans, wie er die widersprüchlichen und demokratiefeindlichen Positionen Trumps verteidigen wolle, antwortet er trocken: „Es gab Zeiten, da musste ich als Anwalt sehr tough sein. Habe ich mich deswegen von einer Katze in einen Hund verwandelt?“ Er flüstert ein überzeugtes Nein. Es spricht der Vollblutanwalt. „Ich weiß, dass meine Gegner oft nur eine Sprache verstehen: Stärke.“ In anderen Fällen habe er erkannt, dass man das gleiche Ziel verfolge, sich aber nur die Methode unterscheide.

„Und es gibt Fälle, wo ich weiß, dass meine Gegenseite nur Dampf ablassen muss. Dann bin ich gerne so sanftmütig, wie es von mir verlangt ist.“ Am Ende des Tages gebe es aber nur ein Ziel: „Gewinnen.“

Mephisto
21. Juli 2018 - 15.53

Wirkt auf Anhieb grundsympathisch der Mann und seine Ansichten.

Wohl ein Bruder im Geiste von John Wayne.

Imperator
21. Juli 2018 - 12.40

Amerika an der Isolation.?

Ouni Neid
21. Juli 2018 - 7.10

Er will sich ja auch noch interessanter darstellen wie er ja ohnehin schon ist - mit seinem Spoiler von damals, vor der offiziellen Bekanntgabe seiner Nominierung....

Ouni Neid
21. Juli 2018 - 7.04

Richtig, his masters noice!.

roger wohlfart
20. Juli 2018 - 21.09

Richteg, Herr Zeyen, Dir sidd e REALIST !

Jacques Zeyen
20. Juli 2018 - 17.29

Teschent dem Republikaner Dabbelju an dem Republikaner Trump steet den Obama turmhéich eraus,also eng Lichtgestalt géint zwou Schlichtgestalten. Mol kucken wat Amerika an der Isolatioun mécht.

roger wohlfart
20. Juli 2018 - 16.36

La voix de son maître!

Realist
20. Juli 2018 - 7.47

Selbstverständlech. Oder mengt Dir, ënner der "Lichtgestalt Obama" wier et anescht gewiescht?

Jacques Zeyen
19. Juli 2018 - 21.52

" All the President's Men."