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Arakdi Dworkowitsch: Der Mann hinter den Kulissen der Fußball-WM 2018

Arakdi Dworkowitsch: Der Mann hinter den Kulissen der Fußball-WM 2018

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Kaum ein Tag bei der Fußball-WM verging, ohne dass FIFA-Präsident Gianni Infantino zwischen zwei Staatsoberhäuptern auf der Ehrentribüne zu sehen war. Auch wenn die Funktionäre des Weltverbandes in Russland emsig mitarbeiten, so sind es jedoch hauptsächlich die führenden Köpfe des Lokalen Organisationskomitees (LOC), die in der Schaltzentrale die Fäden ziehen.

Von Olivier Jeitz

Während die FIFA-Funktionäre bei der Vorbereitung des Abendspiels auf der Restaurant-Terrasse in ihren Anzügen um die Wette schwitzten, saß ein jünger wirkender Mann im simplen roten T-Shirt mit der Aufschrift «Russia 2018» dazwischen. Ohne auch nur eine Spur Hektik erkennen zu lassen, telefonierte er, diskutierte mit den Funktionären und gab Anweisungen. Dazwischen fand er noch die Zeit, die anwesenden Gäste freundlich zu begrüßen und locker ohne jegliche Allüren mit ihnen zu reden. FIFA-Generalsekretärin Fatma Samoura meinte vor dem Turnier scherzhaft, dass er eher wie ein «Volunteer» der WM aussehen würde. Allerdings handelte es sich dabei um einen der Köpfe der Fußball-Weltmeisterschaft und zugleich um ein politisches Schwergewicht Russlands, nämlich um Arkadi Dworkowitsch.

Von 2008 bis 2012 war Dworkowitsch einer von fünf persönlichen Beratern des damaligen russischen Präsidenten Dmitri Medwedew, anschließend fungierte er bis zum 7. Mai dieses Jahres als einer der Vize-Ministerpräsidenten in der Regierung Medwedews. Kurz zuvor erhielt Dworkowitsch einen neuen Auftrag aus höchsten politischen Kreisen, nachdem der vorherige Cheforganisator der Fußball-WM Vitaly Mutko aufgrund der Affären um systematischen Doping im russischen Sport nicht mehr das Gesicht des Turniers bleiben konnte und Präsident Wladimir Putin das Image seines Prestigeprojekts retten musste. Daher wurde Dworkowitsch am 3. März 2018 als neuen Vorsitzenden des Lokalen Organisationskomitee ernannt. Ein an sich kluger Schachzug, da der 46-Jährige mit Universitäts-Abschlüssen in Russland und in den USA sowie einer steilen politischen Karriere einen guten Ruf genießt. Zudem gilt er als liberal und proeuropäisch, was ihm letztendlich aber auch das Amt in der Regierung gekostet haben könnte.

Für Dworkowitsch, der zusammen mit CEO Alexey Sorokin die Organisation leitet, war die WM bisher ein großer Erfolg: «Ich denke, dass 99,9% der Besucher zufrieden waren, da die Gastfreundlichkeit, die Sicherheit und der Komfort auf höchstem Level waren.» Nachdem die WM aufgrund der politischen und sportpolitischen Situation im Vorfeld unter keinem guten Stern stand, sei das Turnier eine gute Image-Werbung für Russland und die Besucher sollten diese Erfahrungen mit in ihre Heimatländer tragen. Bedauerlich sei aber, dass von den westeuropäischen Ländern weniger Fans angereist waren, mit Ausnahme von Deutschland, dessen Team allerdings frühzeitig ausgeschieden war. Auch im Hintergrund verlief das Turnier mehr oder weniger reibungslos. Für sämtliche Probleme sei immer die passende Lösung gefunden worden.

Nach der Fußball-WM wird Dworkowitsch jedoch kaum die Zeit finden, sich von den Strapazen zu erholen, da direkt im Anschluss die nächste Aufgabe bevorsteht, allerdings nicht mehr im Fußball, sondern im Schachsport, der in Russland weiterhin einen sehr hohen Stellenwert genießt. Momentan steckt der Weltschachverband FIDE in einer schweren Führungskrise, nachdem der umstrittene Präsident Kirsan Iljumschinow seit Dezember 2015 sein Amt ruhen lässt, ohne jedoch zurückzutreten. Der russische Geschäftsmann, der seit 1995 an der Spitze der FIDE steht und auch mal gerne im Fernsehen über seine angebliche Entführung von Außerirdischen plaudert, wird seit November 2015 wegen wirtschaftlichen Beziehungen zu Syrien auf einer US-Sanktionsliste geführt. Daher tobt nun hinter den Kulissen ein schmutziger Machtkampf, zudem wurden kürzlich die FIDE-Konten gesperrt, da die Banken ihrerseits US-Sanktionen befürchteten. Iljumschinow selbst wollte sich im Oktober dieses Jahres erneut ins Amt wählen lassen, jedoch zog der russische Schachverband wohl auch aufgrund des innerpolitischen Drucks die Notbremse. Nachdem die sowjetischen und russischen Schachspieler über Jahrzehnte die Weltspitze dominierten, wartet man seit 2007 vergeblich auf einen weiteren russischen Weltmeister. Um die Vormachtstellung im Weltschach nicht zu verlieren, gilt es sogar im Kreml als wichtiges Ziel, dass zumindest die Schachpolitik in russischer Hand bleibt. Auch hier springt Dworkowitsch für einen belasteten Funktionär ein und gilt, obwohl er seine Kandidatur erst spät verkündete, als Favorit auf die Wahl des FIDE-Präsidenten.

Als Feuerwehrmann der russischen Politik möchte sich Dworkowitsch allerdings nicht sehen: «Im Schachsport bin ich schon lange aktiv, zwischen 2010 und 2014 war ich Vorsitzender des Aufsichtsrates vom russischen Schachverband. Genauso wie bei der Fußball-WM, an deren Planung ich auch schon einige Jahre im Vorfeld beteiligt war.»
Das Programm seiner Kandidatur als FIDE-Präsident besteht aus drei Säulen: die Popularität des Schachspiels soll gesteigert werden, die Strukturen der FIDE müssen professioneller und transparenter gestaltet werden, und letztlich sollen die modernen Technologien bei der Verbreitung des Schachsports eine größere Rolle spielen.
Ob Dworkowitsch ins Amt des FIDE-Präsidenten gewählt wird, entscheidet sich am 3. Oktober anlässlich des Kongresses vom Weltschachverband in Batumi (Georgien).