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T und I werden immer wichtiger: Der neue Präsident von „Rosa Lëtzebuerg“ im Gespräch

T und I werden immer wichtiger: Der neue Präsident von „Rosa Lëtzebuerg“ im Gespräch

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Seit rund zehn Jahren engagiert sich Romain Mancinelli-Mirti bei «Rosa Lëtzebuerg». Im März dieses Jahres hat der 35-Jährige das Präsidentenamt von Gabriele Schneider übernommen. Damit wurde bei der luxemburgischen LGBTIQ-Vereinigung ein Generationswechsel eingeläutet. Der Fokus liegt mittlerweile stärker auf Trans- und Intersex-Themen. Beim Gaymat macht sich dieser Wechsel jedoch (noch) nicht bemerkbar. Hier bleibt fast alles beim Alten.

Von Luc Laboulle

Tageblatt: In Luxemburg sind Lesben und Schwule rechtlich gleichgestellt. Der Premierminister und Vizepremier sind bekennende Homosexuelle. Trotzdem belegt Luxemburg im Länderranking der «International Lesbian, Gay, Bisexual, Trans and Intersex Association» (ILGA) nur Platz 17 unter den 28 EU-Staaten. Wie ist das möglich?
Romain Mancinelli-Mirti: Die ILGA hat eine ganze Reihe von Kriterien, anhand derer dieses Ranking erstellt wird. Diese Kriterien werden jedes Jahr erweitert. Rezent wurde den Themen Transidentität und Intersexualität mehr Bedeutung zugemessen. In diesen Bereichen wurde in Luxemburg noch recht wenig gesetzlich geregelt. Deshalb versucht «Rosa Lëtzebuerg», sich verstärkt für diese Menschen zu engagieren. Darüber hinaus gibt es noch die Vereinigung «Intersex & Transgender Luxembourg» (ITGL) von Erik Schneider, die auch sehr aktiv in diesem Bereich ist. In verschiedenen Punkten sind wir anderer Meinung, doch insgesamt stehen wir auf der gleichen Seite, um alle Rechte einzuklagen. ITGL geht vielleicht etwas aggressiver vor.

Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat beschlossen, Geschlechtsinkongruenz nicht mehr als Krankheit anzusehen. In Luxemburg hat der Justizminister entschieden, die Prozedur zur Änderung des Namens und Geschlechts im Personenstandsregister zu vereinfachen. Allerdings ist das Gesetz noch nicht in Kraft …
Genau. Wir hoffen, dass sich das bald klären wird. Sterilisierung und Genitalverstümmelung dürfen keine Voraussetzungen sein, damit ein Mensch sein Geschlecht und seinen Namen ändern kann.

Reicht diese Maßnahme Ihrer Ansicht nach aus?
Für die, die sich als eine andere Person fühlen und den Schritt zur finalen Geschlechtsumwandlung nicht machen wollen, ist diese Maßnahme durchaus sinnvoll. Es ist nicht normal, dass man sich auf ein Geschlecht festlegen muss. Bei Intersexuellen, die nicht eindeutig einem Geschlecht zugeordnet werden können, kann es insbesondere bei der Krankenkasse zu großen Problemen kommen. Wer offiziell als Mann gilt, doch ein weibliches Organ in sich trägt, kann nicht einfach zum Gynäkologen gehen, weil Männern der Besuch beim Frauenarzt nicht zurückerstattet wird. Die binären Geschlechtskategorien ergeben häufig keinen Sinn.

Es gibt aber Menschen, die sich bewusst für eine Geschlechtsangleichung entscheiden. Dabei werden sie noch immer zu Konsultationen beim Psychiater gezwungen. Auch die Kostenübernahme durch die Gesundheitskasse ist noch nicht geregelt. Gibt es in dieser Hinsicht Bestrebungen von «Rosa Lëtzebuerg»?
Ich hoffe, dass jetzt in Luxemburg durchgesetzt wird, dass Transsexuelle nicht mehr als krank gelten. Manche der chirurgischen Eingriffe bei der Geschlechtsangleichung stellen schwerwiegende Eingriffe in den Körper dar. Es gibt aber auch in dieser Hinsicht Überlegungen, den Weg einer liberaleren Gesetzgebung zu gehen. Wir brauchen besser geschulte Ärzte in Luxemburg, damit die Prozeduren vereinfacht werden und niemand mehr nach Thailand oder Brasilien fahren muss, um sich einer Operation zu unterziehen.

Ein Problem bei Intersexuellen stellt die medizinische Geschlechtszuweisung nach der Geburt dar. Wie häufig kommen solche Eingriffe vor?
Genaue Zahlen gibt es nicht, doch Schätzungen zufolge sind ein bis zwei Prozent der Bevölkerung betroffen. Es gibt sehr vielfältige Ausprägungen, die dazu führen, dass ein Mensch nicht eindeutig einer Geschlechtskategorie zugeordnet werden kann. Medizinische Eingriffe können der Grund für Probleme im späteren Leben sein. Malta und einige andere Länder haben viele dieser Probleme in ihrer Gesetzgebung berücksichtigt, deshalb schneiden sie beim ILGA-Ranking auch deutlich besser ab als Luxemburg. Über diese Thematik muss auch die Gesellschaft besser aufgeklärt werden. Trans- und Intersex-Kinder müssen in eine normale Schule gehen und sich dort auch normal fühlen können.

Sind die Lehrer ausreichend auf solche Situationen vorbereitet?
Das Informationszentrum Cigale bietet Eltern und Lehrern viele Weiterbildungen an. Mir ist der Fall eines Intersex-Kindes bekannt, das mit den anderen Kindern ganz offen darüber redete. Weil das Kind es selbst thematisierte, stellte es für die anderen Kinder offenbar kein Problem dar. Erst wenn das zu den Eltern kommt und die nicht richtig informiert sind, wird es problematisch. Es hängt immer davon ab, was zu Hause mit diesen Informationen passiert. Darüber haben wir nur wenig Kontrolle.

In Ihren Wahlforderungen an die politischen Parteien verlangen Sie bessere Unterstützung für LGBTIQ-Flüchtlinge in Luxemburg. Können Sie deren Situation kurz beschreiben?
LGBTIQ-Flüchtlinge müssen die gleiche Prozedur durchlaufen wie alle anderen Flüchtlinge auch. Wir können sie dabei nicht viel unterstützen. Wir können aber beobachten, was sie erlebt haben, um bis hierhin zu gelangen, und welche Erfahrungen sie in Luxemburg machen, um sie zu unterstützen, damit es ihnen hier gut geht. Viele Flüchtlinge leben in Auffangstrukturen, wo sie aber noch immer innerhalb ihrer ethnischen Community sind. Es hilft nicht unbedingt, eine homosexuelle Person in einem Flüchtlingsheim zu belassen. Deshalb bieten wir ihnen an, in unser Informationszentrum Cigale zu kommen, wo sie offen reden können. Danach schauen wir, wie wir ihnen helfen können.

Eine weitere Forderung von «Rosa Lëtzebuerg» ist eine bessere Verfolgung von Hate-Speech. Wie manifestiert sich diese Form der Beleidigung und Herabsetzung in Luxemburg?
In Luxemburg passiert das bislang ziemlich versteckt. In Metz wurde erst kürzlich eine Fotoausstellung Opfer von Vandalismus und bei der Gay-Pride in Paris wurden Zebrastreifen in Regenbogenfarben mehrmals übermalt und mit Hassparolen beschmiert. Solche Probleme haben wir in Luxemburg noch nicht.
Auf der Straße sind Homosexuelle auch nicht unbedingt sichtbar. Und selbst wenn, hört es meistens bei einem abschätzigen Blick auf. Es fehlen uns Zahlen und Statistiken zu solchen Vorfällen. Wir können Betroffene aber nur dazu ermutigen, sich im Cigale zu melden, damit wir diese Fälle dokumentieren können.

Eine weitere Schwierigkeit stellt das Abstammungsrecht dar. Adoption und Leihmutterschaft sind insbesondere für Schwule noch problematisch. Welche Erwartungen haben Sie in diesem Bereich an die Politik?
Wir wollen, dass es für alle gleich geregelt wird. Für Heteropaare ist vieles möglich, doch schwule Paare werden insbesondere bei der Leihmutterschaft benachteiligt. Bei der lesbischen Community ist es etwas einfacher. Doch auch in diesen Fällen gibt es Unklarheiten. Entweder sie entscheiden sich für einen unbekannten Vater, dann darf die Partnerin das Kind adoptieren. Wenn der Vater aber noch irgendwie dabei ist, stellt sich die Frage, ob man vier Elternteile für das Kind haben will. Oder das Kind kriegt eine Mutter und einen Vater und die beiden Partner sind legal zuständig. Ich setze mich für diese Vierer-Konstellation ein, weil ich der Meinung bin, dass die beiden Partner, die das Kind nicht gezeugt haben, trotzdem Rechte im Hinblick auf das Kind haben sollten. Das Wohl des Kindes sollte ja im Vordergrund stehen.

Welche Probleme stellen sich konkret bei der Adoption?
Wenn ein Mann, der in einer homosexuellen Beziehung lebt, bereits Vater ist, müsste die Mutter dieses Kind zur Adoption freigeben, damit der Partner des Mannes es adoptieren kann. In diesem Fall hätte das Kind ganz offiziell zwei Väter. Es ist also rein theoretisch möglich, doch auch bei geschiedenen Eltern wird dies in der Regel nicht so gehandhabt. Bei Lesben, die ein Kind mit anonymem Sperma kriegen, stellt sich die Frage nach dem Vater nicht. Dort kann die Partnerin, die das Kind nicht austrägt, sich für die Adoption einfach eintragen lassen. Bei Schwulen gibt es diese Möglichkeit nicht. Deshalb hoffen wir darauf, dass das Abstammungsgesetz die Leihmutterschaft künftig erlauben wird.

Oft wird ja bemängelt, dass mit der Leihmutterschaft ein neues, unmoralisches Geschäftsfeld entstehen könnte. Wie sehen Sie das?
Man kann das in den Vereinigten Staaten beobachten. Ein Staat erlaubt es, der andere nicht. Und dann geht natürlich jeder dorthin, wo es erlaubt ist. Die Leihmutterschaft ist extrem teuer. Aber das beweist ja nur, dass wir wirklich Kinder haben wollen. Andere Paare kriegen Kinder und wollen sie nicht. Die Frage lautet: Wieso dürfen Heterosexuelle Kinder haben und wir dürfen nicht?

Am Samstag findet in Esch/Alzette wieder das Straßenfest des Gaymat mit viel Spektakel und Verkleidung statt. Ist diese Form des Festes noch zeitgemäß?
Natürlich (lacht). Das Gaymat ist eine Herzenssache für mich. Ich war schon auf vielen Gay-Prides auf der ganzen Welt. Häufig ist es nicht mehr als ein großer Umzug. Köln und auch wir halten hingegen am Straßenfest, aber auch an den politischen Debatten fest. Wir können Party machen, übertreiben und provozieren. Auch die Travestie-Show ist ein Klischee, das die Leute ja gerne bestätigt haben wollen, auch wenn statt der Fadas Family nun die Shemale’s Delux auftreten. Doch es ist nicht nur das. Es ist wie auf der Kavalkade. Wir verkleiden uns nicht jeden Tag als Clown, wenn wir auf die Straße gehen. Die Schwulen und Lesben machen das auch nicht.