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Schaufelt die EU «das Grab des Internets»? Kontroverse Abstimmung steht heute an

Schaufelt die EU «das Grab des Internets»?  Kontroverse Abstimmung steht heute an

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Das EU-Parlament will heute über seine Position zur umstrittenen Reform des Urheberrechts abstimmen. Im Kern dreht sich die öffentliche Debatte um zwei Punkte: ein Leistungsschutzrecht für Presseverlage sowie Uploadfilter für Online-Dienste wie YouTube.

Das EU-Parlament will am Donnerstag über seine Position zur umstrittenen Reform des Urheberrechts abstimmen. Im Kern dreht sich die öffentliche Debatte um zwei Punkte: ein Leistungsschutzrecht für Presseverlage sowie Uploadfilter für Online-Dienste wie YouTube.

Das Leistungsschutzrecht sieht vor, dass Plattformen wie Google nicht mehr ohne Erlaubnis Überschriften oder kurze Ausschnitte von Pressetexten in ihren Ergebnissen anzeigen dürfen. Vertreter von Verlagen warnen eindringlich vor einem Scheitern der Initiative. Sie fürchten ansonsten einen Werteverlust bei journalistischen Inhalten.

Anhand von Uploadfiltern sollen Plattformen mit von Nutzern hochgeladenen Inhalten wie YouTube künftig stärker in die Verantwortung genommen werden. So soll schon während des Hochladens geprüft werden, ob die Inhalte urheberrechtlich geschützt sind. Der Bundesverband Musikindustrie, die Verwertungsgesellschaft Gema aber auch Künstler wie Paul McCartney oder Udo Lindenberg pochen auf solch ein System, um Künstler und Kreative angemessen an den Erlösen zu beteiligen.

Ohne Uploadfilter kaum möglich

Der Gesetzestext muss noch zwischen EU-Kommission, Europaparlament und Mitgliedstaaten abgestimmt werden. Unter diesen Beteiligten zeichnet sich trotz einiger Differenzen grundsätzlicher Zuspruch zu den beiden Streitpunkten ab. Während Uploadfilter in den Vorlagen nicht direkt genannt werden, gelten sie als einzig plausible technische Maßnahme, um die Anforderung umzusetzen, dass Plattformen die Zustimmung von Rechteinhabern zur Verwendung ihrer Werke einholen müssen.

Gegen die Reform hatte sich eine breite Allianz von Netzaktivisten, Wirtschaftsverbänden und Digitalpolitikern verschiedener Parteien starkgemacht. Sie sehen unter anderem das freie Internet bedroht. Beobachter erwarten einen knappen Ausgang bei der Abstimmung im EU-Parlament.


FRAGEN UND ANTWORTEN: Schaufelt die EU das Grab des Internets? Das könnte man meinen, wenn man Gegnern der EU-Urheberrechtsreform zuhört. Die Horrorszenarien seien völlig übertrieben, entgegnen Verlage, Musik- und Filmbranche. Am Donnerstag ist das Europaparlament am Zug.

Was sind die Streitpunkte der geplanten Reform?

Im Zentrum des Debatte stehen vor allem zwei geplante Neuerungen. Da sind zum einen die sogenannten Upload-Filter. Das ist Software, mit der Internet-Plattformen vorab überprüfen können, ob von Usern hochgeladene Bilder, Videos oder Musik urheberrechtlich geschützt sind. Mit den neuen EU-Regeln wären bestimmte Webseiten wie Youtube in der Pflicht, sich auch bei von Nutzern hochgeladenen Inhalten die Zustimmung eventueller Rechteinhaber einzuholen. Technisch ist das mit den Upload-Filtern möglich. Bislang müssen Plattformen Inhalte erst im Nachhinein löschen, wenn eine Rechteverletzung festgestellt und ihnen gemeldet wurde.

Zweitens geht es um das Leistungsschutzrecht (LSR). Demnach sollen Portale wie Google News künftig nicht mehr ohne Weiteres Überschriften oder kurze Ausschnitte von Pressetexten in ihren Ergebnissen anzeigen dürfen. Sie sollen vielmehr die Verlage um Erlaubnis bitten und gegebenenfalls dafür zahlen.

Was sollen die neuen Regeln bringen?

Die Befürworter wollen damit erreichen, dass Zeitungsverlage, Autoren, Plattenfirmen und andere Rechteinhaber mehr vom Kuchen der großen Internet-Unternehmen abbekommen. Urheberrechte würden im Netz massenhaft verletzt, vom Song bis zum ganzen Kinofilm, argumentiert der CDU-Europaabgeordnete Axel Voss, der die Reform befürwortet und den zur Abstimmung stehen Text erarbeitet hat. «Die Schäden sind immens.» Es gehe um die Grundsatzfrage: «Wollen wir überhaupt noch das analoge Urheberrecht im Digitalen angewendet wissen?»

Und welche Argumente prallen in dem Streit aufeinander?

Die Gegner sehen zum Beispiel im Leistungsschutzrecht Nachteile für Verlage. Diese seien darauf angewiesen, von Suchmaschinen gelistet zu werden und hätten daher eine schwache Verhandlungsposition gegenüber Google und Co. Die Verlegerverbände BDZV und VDZ dagegen führen ins Feld, «für die Sicherung des freien, unabhängigen Journalismus in der digitalen Welt» sei das Leistungsschutzrecht nötig – angesichts der Marktmacht von Internetriesen brauche es verlässliche Regeln.

Kritiker behaupten außerdem, der Gesetzestext sehe eine LINK-STEUER für Privatnutzer vor. Sie argumentieren, dass private Facebook- oder Twitternutzer künftig dafür zahlen müssten, wenn sie in ihrem Profil einen Link zu einem Zeitungsartikel inklusive Überschrift posten. Der Entwurf von Voss deckt das jedoch nicht. Darin heißt es, das Gesetz solle einzelne Nutzer nicht von der «legitimen privaten und nicht-kommerziellen Nutzung von Presseveröffentlichungen» abhalten.

Die Uploadfilter seien fehleranfällig, heißt es von Kritikern auch. «Es ist extrem schwierig, im Einzelfall festzustellen, ob eine Urheberrechtsverletzung vorliegt oder nicht», sagt Oliver Süme, Vorstandsvorsitzender des Verbands der Internetwirtschaft eco. So könnten Inhalte geblockt werden, die eigentlich online gehen dürften, zum Beispiel satirische Werke. Der Abgeordnete Voss widerspricht: Eigenkreationen von Usern – wie selbst zusammengeschnittene Videos oder Internet-Insiderwitze, sogenannte Memes – würden von der Software nicht erfasst. «Der Einzelne ist überhaupt nicht davon betroffen.»

Außerdem fürchten Kritiker den Tod von Online-Plattformen. Vor allem kleine Seitenbetreiber könnten sich teure Uploadfilter schlicht nicht leisten, sagt der Internet-Unternehmer Stephan Wolligandt, der in einer Online-Petition bis Mittwoch mehr als 700 000 Stimmen gegen die Reformpläne gesammelt hat. «Wir denken, dass die Plattformen sich nicht den neuen Haftungsrisiken aussetzen werden.» Die Folge: Sie gingen offline. Dem widerspricht die EU-Kommission: Betroffen von den geplanten Regeln seien nur Plattformen, die «große Mengen» an geschützten Arbeiten verbreiteten.

Letztlich bestehe Zensur-Gefahr, sorgen sich Gegner. Provider und Plattformen würden künftig entscheiden, was Menschen im Internet sähen und was Recht oder Unrecht sei, sagt Süme vom eco-Verband. «Das ist eine Verschiebung von rechtsstaatlichen Aufgaben in die Privatwirtschaft, die ich äußerst bedenklich finde.» Auch bergen seiner Ansicht nach die Uploadfilter Missbrauchsrisiken: «Wenn die Technik erstmal da ist, kann sie mit jedem Parameter «gefüttert» werden.». Dagegen argumentiert der Abgeordnete Voss: Wenn beispielsweise eine Regierung die Meinungsfreiheit im Internet einschränken wolle, dann brauche sie sicher nicht auf Urheberrechts-Erkennungs-Software zurückzugreifen.

Was hat jetzt das Parlament zu sagen?

Die Gegner unter den Abgeordneten haben eine Abstimmung für Donnerstag durchgesetzt. Dabei können die Parlamentarier entweder grünes Licht geben, damit die Reform in die nächste Verhandlungsphase zwischen Parlament und EU-Mitgliedstaaten eintritt. Oder aber sie lehnen die Gesetzesfassung, auf die sich kürzlich der Rechtsausschuss geeinigt hatte, ab. Dann kommt das Thema im September wieder in Straßburg auf den Tisch. Die Abgeordneten könnten dann alle möglichen Änderungen durchsetzen – oder aber den Text komplett ablehnen. Dann wäre die Reform vorerst gescheitert.

Notizblock

fluppes
5. Juli 2018 - 21.04

In Deutschlang gibt es eine gewaltige Abmahninndustrie. Da leben Anwälte in saus und braus. Sie haben sich auf das Abmahnen und Abzocken von so genannten Raubkopierern spezialisiert. Andere auf die Verteidigung... Wer nur einmal versucht, eine gewisse Datei in einer Tauschbörse zu kopieren, der riskiert teuer abgemahnt zu werden, auch wenn er die Datei nicht einmal fertig lädt und somit nur Datenmüll auf seiner Festplatte hatte. Es geht vor allem aber um das gleichzeitige Hochladen von Datenpaketen, so funktionieren diese Tauschbörsen nun mal. Es ist nicht unüblich, dass Schadenersatzforderungen und Anwaltskosten in Höhe von etwa 1500 Euro pro Datei gefordert werden. Für ein kleines Vergehen von vielleicht ein paar Sekunden. Dies ist einfach unhaltbar und es kann nicht sein, dass weiterhin massenhaft Menschen mit derart hohen Summen abgemahnt werden. Sicher sollte niemand einem anderen etwas stehlen, aber in Deutschland herrscht Narrenfreiheit für Abmahner und Inkassounternehmen. Tut mir leid dies zu sagen, aber ja, viele Anbieter haben den Anschluss nicht nur an die digitale Entwicklung im Netz verpasst, sondern versuchen jetzt vehement über den Weg der Abmahnungen kräftig Geld zu verdienen.

Alvin Sold
5. Juli 2018 - 20.47

Leser Marx bringt es auf den Punkt!

L.Marx
5. Juli 2018 - 20.32

Hä? Was hat das denn mit analog und digital zu tun. Hinter jedem Inhalt steht ein (mehr oder weniger) kreativer Kopf. Egal auf welchem Weg der Inhalt nun verbreitet wird. Gehören Sie auch zu den Tausenden von Netzaktivisten die mit dramatischen Wortspitzen warnen und dabei (wissentlich) freies Internet mit kostenlosem Internet(inhalt). Die Antwort, wer die kostenlosen Inhalte liefern soll bleiben diese Aktivisten natürlich schuldig.
Mit dem zweiten Punkt haben Sie leider teilweise Recht. Das liegt aber nicht daran dass die Gesetze krachend gescheitert sind, das liegt daran, dass es keine Sanktionen gibt (wie bei so vielen Gesetzen). Selbst in öffentlichen Verwaltungen nimmt man es beim Zusammenstellen von Pressespiegeln mit den Autorenrechte nicht immer ganz so Ernst.

Paul S.
5. Juli 2018 - 16.18

Mal wieder sind es die analogen Spieler die die digitale Welt nicht verstehen. Statt ihr Geschäftsmodell aus Zeiten von Kassetten, CDs und gedruckten Zeitungen anzupassen, heulen sie sich an der Schulter der lobbyhörigen EU Kommission aus.

Dies ist mal wieder ein plumper Versuch unliebsame Gesetzte die auf Länderebene krachend gescheitert sind über EU Recht durchzuboxen. Äußerst beschämend!

L.Marx
5. Juli 2018 - 11.37

Dass es zu dem Thema hier keine kontroverse Debatte gibt sagt eigentlich alles ... Dabei ist die pauschale Aussage in der Fragestellung des Titels geradezu eine Herausforderung. Es geht doch nicht um das Internet als solches, es geht schlicht und einfach um den Klau von Inhalten die dann kostenlos angeboten werden. Eigentlich sollte das niemand als "normal" empfinden.