Im Vorfeld des Open-Air-Konzertes auf der „Kinnekswiss“, das vom „Orchestre philharmonique du Luxembourg“ gespielt und von Gustavo Gimeno dirigiert wird, hat sich das Tageblatt mit dem Stargast des Abends, der weltweit gefeierten lettischen Mezzosopranistin Elina Garanca unterhalten.
Von Alain Steffen
Tageblatt: Frau Garanca, Sie sind der Stargast des Abends und singen unter anderem einen Auszug aus der Oper Samson et Dalila. Sie haben erst vor wenigen Wochen in der Rolle der Dalila neben Roberto Alagna als Samson debütiert. Dalila, eine dankbare Rolle für eine Mezzosopranistin?
Elina Garanca: Oh ja. Dalila ist eine großartige Rolle. Allerdings liegt der Reiz darin, diesen Charakter psychologisch komplett auszuleuchten und sehr differenziert zu gestalten. Man darf sie nicht nur als kühl berechnendes und manipulatives Monster darstellen. Ich habe sehr viel Respekt vor dieser Rolle, insbesondere weil es ja um biblische Themen geht und Religion in unseren Tagen doch eher schwer zu thematisieren und zu erklären ist. Rein stimmlich ist die Dalila nicht so schwer, da habe ich schon weitaus anspruchsvollere Partien gesungen.
Der Hauptakzent des Konzerts liegt aber auf einer anderen Figur der Operngeschichte. Nämlich Georges Bizets Carmen. Ein absolutes Must für jede Mezzosopranistin. Carmen ist darüber hinaus auch weitaus beliebter als Saint-Saëns’ Dalila und der melodiöse Reichtum von Bizets Oper scheint quasi prädestiniert für ein Open-Air-Konzert.
Natürlich. Carmen ist ein absoluter Leckerbissen für alle Opernliebhaber. Ein Hit folgt dem anderen, so dass man sich dieser Musik nur schwer entziehen kann. Zudem spricht die Figur der Carmen jeden an. Jede Frau mag es, diesen rebellischen und leidenschaftlichen Teil in sich selbst zu entdecken. Und jeder Mann wünscht sich doch insgeheim, mindestens einmal im Leben einer Frau wie Carmen zu begegnen. Ich liebe es, diese Partie zu singen, und bin jedes Mal überrascht, wie sehr sich ihr Charakter doch während einer Aufführung verändern kann, je nachdem, welchen Tenor-Partner man als Don José hat. Aber auch die eigenen, persönlichen Erfahrungen im Leben und in der Liebe spielen eine Rolle bei der Gestaltung der Carmen.
Im Moment ist es ja sehr in Mode gekommen, dass jedes wichtige Symphonieorchester im Sommer ein Open-Air-Konzert spielt. Wie wichtig sind solche Konzerte im Allgemeinen und warum sind selbst Menschen, die sonst nie klassische Musik hören, so begeistert davon?
Ich denke, es liegt ganz einfach an der Atmosphäre. Sie sitzen gemütlich auf einer sonnigen Wiese und können einfach nur genießen, ohne sich dabei viel Gedanken um Interpretation und Verständnis zu machen. Sie brauchen keinen Smoking und kein Abendkleid zu tragen. Die Menschen, die zu einem Open-Air-Konzert kommen, wollen Musik hören und kommen sicherlich nicht, weil es ihrem sogenannten Status entspricht oder sie sich zeigen wollen. Und alleine die Tatsache, in einer angenehmen Umgebung nahe der Natur zu sein, macht die Menschen freier, entspannter und offener für Gefühle und das direkte Erleben.
Was können Sie uns noch über die anderen Arien sagen, die Sie heute Abend singen werden?
Es ist eigentlich das goldene Repertoire für eine Mezzosopranistin. Ich singe Tschaikowsky, weil ich diese Musik einfach liebe. Ich liebe ihre Tiefe und ihre Melancholie. Vielleicht, weil sie mit ihrem slawischen Einfluss so nahe an der lettischen Kultur und dem Empfinden der Letten liegen. Und Cilea ist allerbestes Verismo mit sehr viel Leidenschaft. Das Publikum wird heute Abend also wundervolle und sehr emotionale Musik hören.
Sie selbst sind ja in Riga geboren. Wie ist denn Ihr persönliches Verhältnis zur lettischen Musik?
Ich versuche, so oft es geht, Lieder von lettischen Komponisten in meine Programme einzubauen. Wir haben ja eine wunderbare und international sehr erfolgreiche zeitgenössische Szene.
In diesem Rahmen habe ich auch an einem sehr besonderen Projekt mit Werken unserer lebenden Komponistenlegende Raimonds Pauls gearbeitet. Er hat speziell für mich einige neue Lieder komponiert. Dann haben wir eine CD mit diesen und älteren Liedern von ihm gemacht. Es ist keine kommerzielle CD, aber jeder Lette, der mich und seine Musik liebt, hat diese CD.
Ihr Vater war Chordirektor, Ihre Mutter Sängerin. Ihr Weg, Opernsängerin zu werden, schien ja schon früh vorbestimmt gewesen zu sein.
Nein, eigentlich nicht. Ich wollte immer etwas anderes machen. Ich hatte zwar eine musikalische Erziehung seit dem Alter von sechs Jahren, aber ich hatte dann doch andere Wege eingeschlagen. Ich habe Möbel verkauft, Events organisiert, Kurse gegeben. Und ich wollte Schauspielerin werden (lacht). Aber ich habe in allen Bereichen versagt. Bis ich mit dem Singen angefangen habe.
Nach vielen Mozart-Rollen, Carmen, Charlotte und Dalila, was sind denn Ihre nächsten Projekte?
Momentan bereite ich meine erste Dido vor und es sind in naher Zukunft CD-Produktionen von Don Carlos, Aida und Parsifal geplant. Hinzu kommt eine neue Solo-CD, die wir im November aufnehmen werden. Es soll eine Art Liebeserklärung an den Süden, an die Latinos und an eine musikalische Welt sein, die meiner lettischen und musikalischen Heimat wirklich diametral gegenübersteht (lacht).
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