Seit ein paar Jahren verwenden die Wetterberichte den Begriff der «gefühlten Temperatur». Sie kann stark von der gemessenen abweichen, insbesondere, wenn der Wind bläst. Was hilft dem Schlotternden, der sich vorkommt wie bei -5, der Verweis auf das Thermometer mit seinen +3? Ihm ist saukalt, Punkt, man komme ihm nicht mit «Fakten», er glaubt sie nicht.
Wissenschaftler kämpfen seit Jahrhunderten, oft vergeblich, gegen Falsches an, das aber als das Richtige empfunden wird. Dazu lassen sich zahllose Beispiele ergoogeln, die aber immer noch nicht als Lehrstücke anerkannt sind. Besonders hartnäckig halten sich Glaubenssätze, die zum Unterbau der Religionen gehören. Gott schuf die Welt vor exakt 5.979 Jahren, die Astrophysik ist fauler Zauber, Darwin darf nicht sein.
In der schweizerischen NZZ stand im August 2017 ein bemerkenswerter Kommentar von Eduard Kaeser zur «Epidemie der Gewissheit» zu lesen, so, wie der Neurobiologe Robert A. Burton sie diagnostizierte. «Darin manifestiert sich die Unvernunft unserer Vernunft. Hat sie sich in eine Überzeugung verbissen, ist sie zu erstaunlich sturem Raffinement fähig. (…) Im gefühlten Wissen formiert sich der Wille zu selbstgefälliger Ignoranz (…). Die Logik: Ich bin fest überzeugt von X; die Evidenz spricht gegen X; also zur Hölle mit der Evidenz. (…) Wir können und wollen angesichts immer neuer Informationen und Erkenntnisse unsere einmal gefassten Überzeugungen nicht ständig umbauen. Und man findet in den sozialen Netzwerken stets Gleichgesinnte, welche das gefühlte Wissen zementieren helfen.»
Wie herrlich zutreffend! Nicht die Fakten zum Ursprung der Flüchtlingswelle aus Afrika und Nahost, nicht die tatsächlichen Zahlen der um Aufnahme suchenden Menschen in Europa, nicht das Wissen im wissenschaftlichen Sinn zu dieser komplexen Frage bestimmt die politische Haltung der Europäer und ihrer Regierungen, sondern das gefühlte Wissen um eine Bedrohung, die sich aus der gefühlten Invasion, der gefühlten Überfremdung ergäbe.
Man muss leider feststellen, dass das gefühlte Wissen laufend weitere Bereiche vereinnahmt.
Dazu gehört natürlich auch die Politik in den Ländern, wo freie Meinungsäußerung besteht, im demokratischen «Westen», zu dem sich die EU zählen darf, obwohl sich einige Mitgliedstaaten bereits am gefühlten Wissen ihrer verunsicherten Bevölkerungen richten. Es schlägt die große Stunde des Populismus, der dann droht, wenn eine Minderheit vorgeben kann, «im Namen des Volkes» zu sprechen. Wie nun, leider, in Italien und schon vorher in Ungarn, in Polen.
In der kleinen Luxemburger Politik findet das gefühlte Wissen seinen in Meinungsumfragen sichtbaren Ausdruck: Die regierenden Parteien werden wegen ungenügender Leistungen weggefegt, die CSV wird trotz nicht erbrachter Leistungen herbeigewünscht. Wie kamen so viel Wähler, wie es zum Umschwung, zum Machtwechsel braucht, zu ihrem gefühlten Wissen über eine vermeintlich negative Koalitionsbilanz?
Hatten einige Medien die Kraft, «alles», auch das Positive, zu zerreden? Oder störte das Tempo, mit dem die gesellschaftspolitischen Schritte in die Modernität geschahen? Waren es die politischen Fehler (Referenden, zu wenig Konkretes gegen die Armut, den sozialen Nachholbedarf)?
Wer weiß es? – Na, fragen wir doch die mit gefühltem Wissen. Im Ernst: Sie sind die Königsmacher …
O mei, nëmme keng CSV.
Lo gin ech gläich fir d'Xte Kéier wielen an hu festgestallt dass d'CSV nach nie irgendeppes bewegt huet. Dofir hun ech se och nie gewielt. Leider kann ech der Notärin Reuter hire Mann, den immens sympatheschen Här Reding, nët wielen well ech (geographesch bedéngt), kee Wahlziedel kréien wou hien drop as.
Wer sich die CSV zurückwünscht ist entweder Jungwähler oder leidet an einer Degeneration des Langzeitgedächtnisses.
Wie recht Sie haben! Wir Luxemburger wagen uns nur ungern nach vorn , möchten aber bestens leben. Nur kein Risiko, oder wenn, dann ganz kurz. Nach Bettel und Schneider, den voraus Preschenden, brauchen wir Wiseler und Spautz, die Bremser.
Mir wëlle bleiwe wat mir sinn
Wie schön war doch die Demokratie als die LSAP davon profitierte!
Wouhir soll een da wëssen, op déi sougenannten Fakten stëmmen? Ech verloosse mech op mi Gefill, an leien meeschtens richteg.
Der Autor hat volkommen recht, aber die CSV wird, (falls die Prophezeiungen der ILRES stimmen sollten) wohl eher dadurch Stimmen gewinnen, weil die jetzige Regierung die Leute ganz schön gängelt. Es nützt einfach nichts, jedem 2ten Opa 50€ abzuknöpfen, weil er 2 km/h zu schnell war, es nützt auch niemandem, ein Zukunftspaket zu schnallen, das in Wirklichkeit ein Sparpaket auf Kosten der Angestellten ist, es hilft niemandem, wenn man sich echt dämlich anstellt und eine Autobahn tagelang blockiert um Lichtmasten abzusägen, es ist blöd, wenn man damit droht, die Steuern auf Limonaden zu erhöhen, es ist dämlich, eine AAA-Bauweise mit Gewalt durchzusetzen, statt sie einfach stark zu subventionnieren, es ist schwachsinnig, den Leuten Batterieautos, die keine 200 km weit fahren können, aufzureden bis zur Übelkeit, es nervt, wenn man eine unsägliche, aber permanente Propaganda für das Fahrradfahren veranstaltet...
Gleichzeitig muss dann ein gewisser Herr Reding, den ich sehr schätze, leider sagen, dass die Reichen in den letzten Jahren reicher geworden sind, und die Armen ärmer.
Die positiven Massnahmen der aktuellen Regierung sind kaum wahrnehmbar, äh "fühlbar".
Das ist der Grund dafür, dass sich manche eine CSV zurückwünschen, die einfach gar nichts tut. Ich bin sicher, dass es nicht die aufgenommenen Flüchtlinge sind, die rot-blau-grün das Genick brechen werden, sondern das hirnlose Gängeln der Wähler, die sich so langsam wie Kleinkinder vorkommen, pardon, "fühlen".
Et ass wéi et ass Här Sold. Dir kënnt iech d’Fanger nach esou wonn schreiwen: d’Leit « wëssen », datt d’CSV alles besser kann. Egal, wéi schlecht se an der Vergaangenheet geschafft huet.
Würden die Politiker den Menschen reinen Wein einschenken, Klartext reden, die Fakten offenlegen, aufklären statt rumlavieren, bestünden weitaus weniger Missverständnisse . Das Vertrauen in die Politik ist verloren gegangen, das macht den Leuten angst und Angst ist ein Gefühl. Angst ist immer ein schlechter Ratgeber. Gefühle sind irrational , gegen sie kommt man nur schwer an. Populisten und Demagogen schüren diese Ängste und benutzen sie zu ihren finsteren Zwecken. Über das Schlechte wird geredet, das Gute ist selbsverständlich. Die wenigsten können unterscheiden und so wird verallgemeinert und werden Äpfel mit Birnen verglichen. Was dabei herauskommt ist ein fragwürdiges Resultat.
Gefühlte Temperatur oder in Celsius, adiabatisch- oder trockenadiabatisch, alles Schnuppe. Der Luxemburger will das altbewährte. Die Sicherheit. Den Beambtenmodus und Status. Die Csv weiss, wie sie diese gefühlte Weltanschauung am besten bedienen kann. Wieseler ist ein Historiker und kennt die tiefverwurzelte Ängste beim Volk. Die Geschichte der Fremdherschaft während Jahrhunderten. Die Fernlenkung der Geschicke und Geschichte. Diese Gefühle gilt es zu lenken. Einen sicheren Schoss zu bieten in diesen, nun ja “quirligen“ Zeiten. Amen.
Es gibt einen guten Begriff der hier vielleicht anzuwenden wäre. "Kognitive Dissonanz"
Man hat ein schlechtes Bauchgefühl bei seiner Entscheidung,dennoch will man nicht
davon abkommen.Man hat zuviel investiert,es kann nicht sein ,dass man falsch liegt.
Oder" Wer nichts weiß,muss alles glauben."-ein Begriff von den Science Busters.
Die mit dem gefühlten Besserwissen machen aus der Demokratie eine Farce. Demokratie funktioniert nur, wenn sie auf geprüftem Wissen fusst. Aber das WISSEN diejenigen natürlich, die aus Freien Völkern Konsumhetden machen, um die Profite ins Unermessliche zu steigern.