Bei einem Verkehrsunfall zwischen Reichlingen und Niederpallen sind in der Nacht auf den 26. Juli 2017 sechs Menschen verletzt worden. Wie die Polizei damals erklärte, waren sechs Jugendliche in einem Ford Fiesta auf dem CR 106c unterwegs gewesen. Um 23.56 Uhr kam der überbesetzte Kleinwagen in einer Rechtskurve nahe der Mühle in Niederpallen von der Fahrbahn ab, streifte einen Baum und prallte frontal gegen einen weiteren.
Von Roger Infalt
Der Fahrer wurde damals schwer verletzt und musste aus dem Wagen geschnitten werden. Seine fünf Mitfahrer (zwischen 17 und 22 Jahre alt) wurden ebenfalls schwer verletzt, einer erlag am nächsten Tag seinen Verletzungen.
Der Fahrer, Eric M., musste sich gestern wegen unfreiwilligen Totschlags vor dem Diekircher Gericht verantworten. Zudem wird ihm vorgeworfen, dass er einen Fahrgast zu viel an Bord hatte, dass er mit einer den Umständen entsprechenden unangemessenen Geschwindigkeit unterwegs gewesen sein soll, dass er durch seine unvorsichtige Fahrweise anderen Schaden zugefügt hat usw.
War der Fahrer viel zu schnell unterwegs?
Der erste Zeuge, der damals auf der Rückbank Platz genommen hatte und nicht angeschnallt war, gab gestern vor Gericht Erläuterungen zum Ablauf des Unfalls. Der Fahrer sei sehr schnell unterwegs gewesen und nach einer Kurve habe der Beifahrer ihn aufgefordert, langsamer zu fahren. «Wëlls du eis all ëmbréngen?», habe er dabei gesagt.
Anschließend habe Eric M. den Fuß vom Gas genommen, doch nach einer nächsten Kurve sei das Fahrzeug langsam nach links in den Straßengraben geraten. Zum Ablauf des Abends gab er noch an, dass vor der Autofahrt Drogen konsumiert wurden. Ob Eric M. ebenfalls Drogen zu sich genommen hatte, konnte er aber nicht bestätigen.
Der zweite Zeuge, der an dem Abend auf dem Beifahrersitz saß, sprach ebenfalls von einer hohen Geschwindigkeit kurz vor dem Unfall. Er habe den Fahrer darauf hingewiesen, langsamer zu fahren, dieser hätte aber lediglich gelacht und habe zu keinem Moment gebremst. Auf die Frage des Richters, ob der Unfall eventuell beabsichtigt gewesen sei, sagte der Zeuge, er würde Eric M. seit Langem kennen und er glaube nicht an Absicht.
Hoher Schaden
Im Laufe der Sitzung wurde deutlich, wie viel Schaden dieser Unfall bei den Insassen angerichtet hatte, und dies nicht nur auf materieller Ebene, sondern auch in psychischer Hinsicht. Das Leben der Betroffenen sei komplett auf den Kopf gestellt worden.
Einerseits hätten die Verletzungen dazu beigetragen, dass eine Insassin ihr geplantes Studium im Ausland kurzfristig hätte absagen müssen und bis heute sei sie nicht imstande, ihr Studium wieder aufzunehmen, andererseits habe einer der Verletzten wegen mehrfacher Operationen und langfristiger Nachfolgebehandlungen bis dato keine Arbeit gefunden, um nur diese Beispiele zu nennen.
Eric M. selbst sagte aus, er könne sich an fast nichts mehr erinnern, was an diesem Abend geschah. Er bestätigte, am Nachmittag des besagten Tages Drogen konsumiert zu haben, doch zum Unfallhergang wusste der Angeklagte nichts zu sagen. Er wusste lediglich, dass er sechs Leute an Bord hatte, als er sein Fahrzeug an dem Abend startete. Aus seinen weiteren Erläuterungen war herauszuhören, dass er die Geschwindigkeit liebt und die Straßenverkehrsordnung nicht immer berücksichtigte.
Entschuldigung über Facebook
Entgegen den Aussagen der Fahrzeuginsassen, die gestern vor Gericht aussagten, Eric M. hätte sich nie bei ihnen entschuldigt, gab der Angeklagte aber zu Protokoll, er habe sich doch über Facebook entschuldigt. Die Anwältin von Eric M. gab zu bedenken, dass die vor dem Gericht gehörten Zeugenaussagen sehr unterschiedlich seien, was den Unfallhergang anbelangt. Die Aussagen über die Geschwindigkeit, mit der Eric M. unterwegs gewesen sein soll, seien sehr subjektiv.
Was die aufgeworfenen fehlenden Entschuldigungen anbelangt, so sei aber zu sagen, dass ihr Mandant sehr wohl einen Entschuldigungsbrief an die Familie des Verstorbenen geschickt hat und dass er sich bei den anderen über digitale Medien für sein Vorgehen entschuldigt hat. Ihm sei sehr wohl klar, was er an dem Tag angerichtet hat und dass er dies sein ganzes Leben lang mit sich herumtragen wird.
Die Verteidigerin des Angeklagten gab anschließend zu bedenken, dass es allen Insassen an dem Abend durchaus bewusst war, Drogen konsumiert zu haben. Außerdem hätten sie alle mitbekommen, dass sie zu sechst im Fahrzeug Platz genommen hatten und dass zwei Insassen nicht angeschnallt waren.
Vier Leute auf der Rückbank
Die Anwältin der betroffenen Versicherungsgesellschaft sprach u.a. davon, dass die Entschädigungen an die Insassen auf der Rückbank laut großherzoglichem Beschluss nur proportional (3/4) ausbezahlt werden, da diese Rückbank lediglich drei Sitzplätze hatte, auf denen sich aber – bei vollem Wissen der Betroffenen – schlussendlich vier Leute befanden.
Was die Verantwortung eines jeden anbelangt, der in dem Wagen Platz genommen hatte, sagte der Anwalt der einzigen Insassin, dass seine Mandantin zu keinem Moment wusste, dass der Fahrer Drogen konsumiert hatte. Außerdem hätten zu dem Moment, als sie ins Fahrzeug stieg, nur vier Leute im Auto gesessen. Erst später habe der Fahrer Eric M., und er allein, die Entscheidung getroffen, eine sechste Person einsteigen zu lassen.
Der Staatsanwalt sagte, alle Anklagepunkte seien seiner Meinung nach zutreffend, und forderte 24 Monate Haft, 36 Monate Führerscheinentzug und eine angemessene Geldstrafe.
Das Urteil wird am 4. Oktober gesprochen.
Schulkameraden im Gerichtssaal
Während des gestrigen Gerichtsprozesses wurde jedem Zuhörer deutlich vor Augen geführt, welche Dramen ein solcher Unfall bei den Betroffenen und ihren Familienangehörigen auslösen kann. Im Gerichtssaal sah man gestern junge Leute, die in Tränen aufgelöst waren, als sie den Zeugen zuhörten.
Die sechs jungen Leute wollten sich am Abend des 25. Juli 2017 «nur amüsieren», Pizza essen und Roséwein trinken, zu einer Party und dann noch zu einem nächsten Treffen gehen, sie machten sich keine Gedanken über den Zustand des Fahrers, als sie Marihuana rauchten, sie waren gut drauf, als sie zu sechs im Fahrzeug saßen. Sekunden später wurde ein Leben ausgelöscht, die anderen fünf sind wohl für lange, wenn nicht für immer, zerstört.
Die Gesichter der Schüler einer Lyzeumsklasse, die mit ihrem Lehrer als Zuhörer im Gerichtssaal Platz genommen hatte, waren denn auch beim späteren Verlassen des Saals ausnahmslos versteinert, erlebten die jungen Menschen doch hautnah mit, was ein «solches Amüsieren» an schwerwiegenden Folgen und Konsequenzen für alle Beteiligten haben kann.
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