Die meisten kennen ihn durch seinen Blog. Kaum jemand beschäftigt sich so detailliert mit der rechten Szene wie er: Maxime Weber. Allerdings ist der luxemburgische Student auch mit Herausforderungen wie Mario-Kart-Rennen, WG-Partys – und seinem Philosophiestudium konfrontiert. Teil zwei unserer Campus-Serie «Parallelwelt Studium», die uns in Maximes Uni-Leben eintauchen lässt.
Es ist immer wieder erstaunlich, was für eine Macht ein so vermeintlich harmloses Phänomen wie Nostalgie auf Menschen ausübt. Mit ihr lässt sich nicht nur Unmengen an Geld erwirtschaften (wie sich beispielsweise momentan anhand des 80er-Jahre-Hypes in Hollywood beobachten lässt) oder an eine vermeintlich bessere Vergangenheit appellierende Politik betreiben, sie kann auch bei den zentralen Lebensentscheidungen eines Menschen eine wichtige Rolle spielen – so wie in meinem Falle bei der Wahl des Studienorts.
Um nämlich angemessen zu erläutern, weswegen ich nach Berlin gezogen bin, um dort meinen Master in Philosophie zu machen, bedarf es zunächst einer kleinen Zeitreise, zurück in den Sommer 2012. Damals war ich Mitglied in einer DIY-Crust-Punk-Band namens Discordant System, die es mit dem Punk-Ethos, dass die eigenen Lieder nicht einwandfrei gespielt werden müssen und gerne mal etwas unsauber klingen dürfen, ein bisschen zu ernst nahm. Das lag unter anderem daran, dass ich mich bereit erklärt hatte, als Gitarrist mitzuwirken, obwohl ich noch nie zuvor eine Klampfe in Händen gehalten hatte, und sich unser Drummer vor unseren Auftritten immer volllaufen ließ, um seinem Lampenfieber entgegenzuwirken. Dazu glänzten unsere Texte mit so subtilen gesellschaftskritischen Aussagen wie beispielsweise «Why are people so blind? / They buy, buy, buy and don’t ask where it comes from». Trotz allem entschlossen wir uns in besagtem Sommer, zusammen mit unseren Freunden der Trierer Band Constant Vulse (von denen wir uns für die paar Tage den Schlagzeuger ausliehen, da unserer nicht mitkommen konnte) eine winzige Tour durch Deutschland zu unternehmen, die uns neben Chemnitz auch nach Berlin führen sollte.
Das erste Mal Berliner Luft
Während die Karl-Marx-Stadt kaum Begeisterungsstürme in uns auslöste, schlug die Hauptstadt der Bundesrepublik uns von Anfang an in ihren Bann und überzog uns während der zwei Tage dort mit einem regelrechten Wirbelwind an vielfältigen Erfahrungen. Wir spielten in einem kleinen unterirdischen Café beim Ostkreuz, landeten spontan auf einem Electric-Wizard-Konzert, spazierten durch Friedrichshain, übernachteten am ersten Tag in einer idyllischen Studentenwohnung, bewältigten mit der S-Bahn endlos erscheinende Distanzen in den sich randlos nach allen Seiten ergießenden Weiten der Metropole, wurden dabei – wie es sich für einen ersten Aufenthalt in Berlin gehört – beim Schwarzfahren erwischt und mussten 60 Euro blechen, besichtigten das Brandenburger Tor und verbrachten schließlich noch die letzte Nacht in unserem Van irgendwo in Neukölln in der Nähe eines Späti, weil wir keinen Schlafplatz mehr hatten. Rückblickend sind all diese ersten Impressionen der Stadt dabei auch schon von dieser einzigartigen, nur schwer in Worte fassbaren Stimmung eingefärbt, die ganz Berlin in einer von Kiez zu Kiez leicht variierenden Form durchwirkt und nach der ich mich jetzt schon immer wieder sehne, wenn ich längere Zeit in Luxemburg verbringe, zurückkehre oder verreise – obwohl ich erst seit einem halben Jahr hier lebe.
Trotz all dieser einprägsamen Erlebnisse erschien die Stadt meinem 18-jährigen Ich noch als ein bisschen zu groß, betonlastig und weit weg von Luxemburg, um es ernsthaft als Studienort in Betracht zu ziehen. Als ich 2013 mein Abitur erhielt, immatrikulierte ich mich für meinen Bachelor in Philosophie an der Ludwig-Maximilians-Universität in München, wo ich auch schon im Gegensatz zu Berlin mehrmals gewesen war und langjährige Freunde hatte (auch hier spielte Nostalgie also keine unbedeutende Rolle). Die darauffolgenden dreieinhalb Jahre dort genoss ich sehr – aber mit ihren sauberen Straßen, exorbitanten Wohnungspreisen und dem Mangel an alternativer Kultur (dem immerhin u.a. das «Kafé Marat» und die «Glockenbachwerkstatt» entgegenwirkten) erinnerte die bayrische Hauptstadt mich letztlich doch immer zu viel an Luxemburg. Nach Abschluss meines Bachelors sehnte ich mich daher nach einem Tapetenwechsel. Während ich noch mein Praktikum beim Tageblatt absolvierte und nach möglichen Universitäten für meinen Master Ausschau hielt, liebäugelte ich für kurze Zeit mit Leipzig, weil dort ein Philosoph unterrichtete, mit dem ich mich in meiner Bachelorarbeit befasst hatte – bis mich dann eines Tages die Idee ereilte, dass ich doch eigentlich auch in Berlin studieren könnte.
Was anfangs nur eine Gedankenspielerei war, gewann im Laufe der Zeit dann immer mehr an Überzeugungskraft. Das war vor allem auf die eingangs erwähnten Erfahrungen zurückzuführen, die ich bei meinem ersten Aufenthalt in Berlin gemacht hatte und durch die ich die deutsche Hauptstadt fortan auch immer mit dieser für meine persönliche Entwicklung äußerst bedeutsamen und ereignisreichen Epoche in meinem Leben in Verbindung brachte. Auch wenn die Tour nur sehr kurz ausgefallen war, so hatten sie und das Spielen in einer DIY-Band mir gezeigt, dass sich innerhalb unserer Gesellschaft kreative Freiräume auftun konnten, die nicht den üblichen Zwängen wirtschaftlicher Verwertbarkeit unterworfen waren und Versprechen von Resonanz und Freiheit in sich trugen. Zu dieser grundlegenden Nostalgie und den Verheißungen, die Berlin damit in meinen Augen in sich trug, kam auch noch die Tatsache hinzu, dass das Lehrprogramm der Freien Universität, an der ich jetzt studiere, genau meinen Schwerpunkten in der Philosophie entsprach. So entschied ich mich schließlich dazu, in die deutsche Hauptstadt zu ziehen und nicht nur dort zu studieren, sondern auch auf längere Sicht diesen Versprechen nachzugehen, mit denen ich (wie so viele andere) Berlin in Verbindung brachte.
Ob Letztere eingelöst wurden, und was genau ich eigentlich in meinem Studium anstelle, werde ich euch in den kommenden Wochen verraten.
Maxime Weber
Zur Person: Maxime Weber
Maxime Weber wurde 1993 in Luxemburg geboren und schloss 2017 an der Ludwig-Maximilians-Universität in München seinen B.A. in Philosophie ab. Zurzeit absolviert er im selben Fach an der Freien Universität in Berlin seinen M.A. Seit 2011 berichtet er auf seinem Blog (der zunächst «Lorgthars mythische Schreibkammer» hieß, ehe er 2014 in «Maxime Weber Blog» umbenannt wurde) über die Aktivitäten der rechten Szene in Luxemburg. Im Mai 2018 erhielt er für diese Arbeit von der gleichnamigen Stiftung den «Prix René Oppenheimer». Daneben schreibt er Prosa- und Songtexte; 2016 wurde seine Kurzgeschichte «Chaudron fêlé» beim Jugendliteraturwettbewerb «Prix Laurence» mit dem ersten Preis in der Alterskategorie 18-26 Jahre ausgezeichnet. Momentan sitzt er an einem Roman mit dem Arbeitstitel «Mnemosyne». Außerdem dreht er hin und wieder Kurzfilme und ist bei diversen musikalischen Projekten tätig. Maxime war zudem Tageblatt-Praktikant.
www.maximeweberblog.com
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