Seit fünf Jahren leitet Mars di Bartolomeo (LSAP) als Erster Bürger des Landes das Parlament. Das sei eigentlich nie sein Ziel gewesen, sagt er heute. Dennoch kann er sich vorstellen, weiterhin Chamberpräsident zu bleiben. Ein Gespräch.
Tageblatt: Herr Di Bartolomeo, erinnern Sie sich noch daran, wie Ihr Vorgänger Laurent Mosar (CSV) 2013 die letzte Chambersitzung vor den Wahlen aufgehoben hat?
Mars di Bartolomeo: Ja.
Damals wünschte Laurent Mosar den Abgeordneten einen „erholsamen Sommer“ und vergaß, den Misstrauensantrag gegen Premier Jean-Claude zur Abstimmung zu bringen …
Das war damals eine besondere Situation, die wir so noch nicht hatten. Und es sieht auch nicht so aus, als würden wir wieder auf eine derartige Situation zulaufen. Allerdings haben wir eine Änderung vorgenommen. Laut neuer Parlamentsreglung bleibt die Chamber handlungsfähig bis zum Zeitpunkt der Vereidigung der neuen Chamber. Das Parlament wird also nicht wie bisher aufgelöst, sondern bleibt formal über die Wahlen hinaus bestehen.
Wie lange tagt die Chamber denn eigentlich noch vor der Sommerpause?
Wir werden bis zum 26. Juli arbeiten. Also zwei Wochen länger als sonst. Und ehrlich gesagt: bei all den Gesetzentwürfen ist das auch absolut nötig.
Tatsächlich wirkt das Parlament gerade äußerst produktiv: Ein Gesetz wird nach dem anderen verabschiedet – allein diese Woche werden ein Dutzend Texte zur Abstimmung gebracht. Leidet nicht die Qualität der Debatten sowie der Gesetze an diesem Tatendrang?
Nein, das glaube ich nicht. Die Texte haben zum Teil ja bereits eine lange Vorlaufzeit. Nehmen Sie das Scheidungsgesetz – letztlich haben wir über 14 Jahre darüber geredet und es nun endlich zur Abstimmung gebracht. Aber ja, das Arbeitspensum ist gerade äußerst intensiv – manche Sitzungen gehen bis 20 Uhr. Ich kann aber keine Qualitätseinbußen erkennen. Im Gegenteil: Hier wird nichts über’s Knie gebrochen. Die Abgeordneten nehmen sich die nötige Zeit und leisten seriöse Arbeit.
Dennoch wird oftmals den Abgeordneten vorgehalten, ihr Amt nicht mit der nötigen Sorgfalt auszuüben. Allein schon aus Termingründen sei das für viele nicht möglich. Stichwort: Doppelmandate.
Ich bin ganz klar für die Aufhebung der Doppelmandate. Bei allen Verpflichtungen, die heute auf einen Abgeordneten bzw. auf einen Politiker in der Exekutive einer Gemeinde zukommen, lassen sich beide Ämter nicht gleichzeitig ordentlich ausüben. Das ist leider die Realität, und das muss man auch klar so sagen.
Sie sind sich bewusst, dass Sie sich gerade keine Freunde im Parlament machen. Immerhin sind 17 der 60 Abgeordneten „Député-maire“ …
Dessen bin ich mir bewusst: Aber ich bin der Überzeugung, dass man Berufstätigkeit, Abgeordnetenmandat sowie Mandat auf Kommunalebene nicht unter einen Hut bekommt. Wenn wir die Qualität der Chamber verbessern wollen, müssen wir diesen Weg einschlagen.
Also auch ein Parlament mit reinen Berufspolitikern ohne berufliche Nebentätigkeiten wie Anwalt oder Arzt?
Ja. Denn es darf nicht sein, dass die Arbeit des Abgeordneten durch andere berufliche Verpflichtungen benachteiligt wird. Und das gilt natürlich auch umgekehrt.
Mit dem Ende der Legislaturperiode endet auch ihr Mandat als Chamberpräsident. Könnten Sie sich vorstellen, weiterhin der Erste Bürger des Landes zu sein?
Ich bin es nach wie vor sehr gerne. Was jedoch nach dem 14. Oktober passiert, entscheide nicht ich. Aber sagen wir es so: Ich bin nicht amtsmüde.
Sie könnten wohl nur in diesem Amt bleiben, wenn Ihre Partei, die LSAP, in der Regierungsverantwortung bleibt?
Nicht unbedingt. Die 60 Abgeordneten könnten sich auch unabhängig davon, auf eine Person einigen, die sie für am geeignetsten halten. Aber das ist alles pure Spekulation.
Wie leitet man eigentlich ein Haus mit 60 Köpfen und Meinungen?
Ich habe das Glück, sowohl Erfahrung auf der Regierungs- sowie auch auf der Oppositionsbank gesammelt zu haben. Dadurch bilde ich mir ein, ein Gespür für die unterschiedlichen Anliegen zu haben. Man muss eine Äquidistanz zu allen Parteien haben. Und ich glaube, man kann mir nicht vorwerfen, dass ich irgendjemanden bevorzuge.
Wenn aber zum wiederholten Mal die Oppositionsbank verbal zwischengrätscht – was tun?
Das ist nicht einfach – und man benötigt wohl Fingerspitzengefühl. Wenn eine Diskussion gut läuft und lebendig ist, versuche ich nicht sofort, dazwischen zu gehen. Intelligente Zwischenrufe können dem Diskurs dienlich sein. Und dann lasse ich die Debatte auch gerne laufen. Aber im Zweifel appelliere ich an die Hausordnung.
Jemanden des Hauses verweisen mussten Sie noch nicht?
Zu Beginn gab es einige, sagen wir, sehr hitzige Diskussionen – da haben einige Abgeordneten jedoch von sich aus kurz die Bank verlassen. Aber wir sind doch ein recht zivilisiertes Haus. Das war früher, als durch die Nacht getagt und noch gegessen und getrunken wurde, deutlich anders.
Manche beschweren sich ja, dass die Debatten langweilig sind – vielleicht sollte man das wieder einführen?
Auf keinen Fall. Es wird keinen Alkohol in den Parlamentssitzungen geben.
Und auch keinen Champagner, sondern nur noch Crémant in der Chamber?
Ja – zu feierlichen Anlässen gibt es Crémant. Und das ist auch ein Unterschied zu meinem Vorgänger: Ich bevorzuge Crémant gegenüber Champagner.
Mars di Bartolomeo gab eine gute Figur als " Chamberpresident " ab. Einfach, glaubwürdig, volksnah, souverän. So der Wähler es will, würde ich ihn gerne noch weitere 5 Jahre auf diesem Posten sehen.
Dee kritt es och net genuch oder wéi seet een: An der Quelle sass der Knabe.
Bravo Mars; vun mir aus nach eng Kéier fir 5 Joer.
Bonne chance
JS