Als wir uns auf der Terrasse der Brasserie „Beim Laange Veit“ auf dem Echternacher Marktplatz niederlassen, wird Nik sofort vom Wirt erkannt. Dieser beglückwünscht ihn zu seiner Komposition, die am Tag zuvor, dem Nationalfeiertag, in der Philharmonie aufgeführt wurde. Nik und ich tauschen uns zuallererst einmal über Neuigkeiten aus Berlin aus. Schließlich haben wir vor knapp zwei Jahren noch gemeinsame Abende unter Freunden in der guten alten Pariser Straße verbracht. Dort hat Nik damals noch mit meinem besten Freund zusammengelebt. Dann kommen wir zu dem Thema, das ihn derzeit wohl am meisten beschäftigt.
Tageblatt: Am Samstag wurde in der Philharmonie zum ersten Mal eine deiner Kompositionen von einem großen Symphonieorchester mit Chor gespielt. Wie war das für dich?
Nik Bohnenberger: Es war eine absolute Premiere in vielerlei Hinsicht. Einfach überwältigend. Ich saß in der ersten Reihe in dieser riesigen Philharmonie. 200 Menschen vor mir und noch einmal 1.700 Menschen hinter mir. Auf einmal ging alles so schnell. Der Großherzog betrat den Raum und das Orchester spielte den „Wilhelmus“. Als die letzten Töne gerade mal verklungen waren, hörte ich schon die ersten Noten von meinem Stück. Ich war noch gar nicht bereit. (lacht) Es war tatsächlich auch das erste Mal, dass ich das ganze Stück in der Form gehört habe. Davor wurden mir immer nur kleine Ausschnitte zugeschickt.
Und du warst zufrieden?
Es war wirklich toll gespielt. Als Komponist stellt man sich oft gewisse Stellen anders vor. Aber hier war wirklich vieles genau so wie in meiner Vorstellung. Weil es einfach so gute Musiker waren, und da rede ich nicht nur vom OPL, sondern auch vom Chor und Knabenchor.
Du hast hast also auch einen Text für den Chor geschrieben. Worum geht es darin und in welcher Sprache ist er verfasst?
Der Text ist auf Luxemburgisch. Ich habe mich ein wenig als Dichter versucht. (lacht) Ich wollte weder einen patriotischen noch einen weichgespülten Text haben. Meine Message ist eigentlich immer die der gegenseitigen Unterstützung. Für die Offenheit gegenüber anderen und dafür, dass wir in unserer Gesellschaft näher zusammenrücken. Leider konnte das Publikum den Text während der Aufführung nicht gut verstehen, das war schade.
Wie genau lautet der Text?
Knabenchor: „Kleng ass meng Hand die ech dir reechen“
Alle: „Huel se mäin Kand, als Friddenszeechen“
Später wieder alle: „Grouss dreeme mir, wann mir stinn Hand an Hand. Duerfir kommt hier, mir weisen iech eist Land“
Und zum Schluss: „Fridden ze deelen ass eis eng Freed“
Wie würdest du das Stück jemandem beschreiben, der nichts von Musik versteht?
Was man hört, ist eine Mischung aus modernen, aber auch sehr traditionellen Klängen. Ich wollte einen Raum öffnen, in dem verrückte Möglichkeiten hätten entstehen können und es zum Teil auch tun. Beim Tutti mit Chor und Text war es mir allerdings wichtig, dass es wie ein luxemburgisches Volkslied klingt. Zudem war für mich klar, zu dem festlichen Anlass auch eine festliche Melodie zu komponieren – und die muss im Ohr bleiben.
Wie bist du auf genau diese Melodie gekommen?
Ganz oft ist es so, dass ich mir tagelang Gedanken mache, wie diese Melodie denn jetzt klingen soll. Und auf einmal fällt mir dann spontan etwas ein, was perfekt passt. In diesem konkreten Fall saß ich auf einer Insel in Griechenland, wo ich gerade mit meiner Freundin Ferien gemacht habe. Ich saß also eines Morgens auf der Terrasse, als die Sonne sich gerade ihren Weg durch den Nebel gebahnt hat – und dann hat es Klick gemacht. Ich wurde daraufhin schon mehrmals gefragt, ob das Stück griechisch klingt – tut es nicht. (lacht)
Du sprichst von modernen Momenten in dem Stück. Gibt es bestimmte Bands oder Künstler, die dich inspirieren?
Ich höre tatsächlich überhaupt nicht viel Musik. Mich sieht man nie mit Kopfhörern in der U-Bahn oder so – ich mag das auch nicht. Wenn ich Musik höre, ist das meist auf einem Konzert, wo ich mich ganz bewusst dafür entscheide. Oder aber ich höre mir ein Stück an, weil es mich aufgrund eines bestimmten Aspektes interessiert. Eine wichtige Inspiration für dieses Stück war allerdings die «Festive Overture» des russischen Komponisten Schostakowitsch. Als ich den Anruf von Marc Meyers, dem Direktor des Konservatoriums, bekommen habe, dass ich den Auftrag habe, dachte ich sofort an dieses Lied. Das hatte ich bis zum Schluss im Hinterkopf.
Gab es für dich während des Schreibprozesses eine Vertrauensperson, der du jegliche Fragen stellen konntest?
Ich hatte anfangs geplant, das Ganze während des Prozesses an Marc Meyers zu schicken. Daraus wurde dann nichts, weil ich so konzentriert dabei war. Aber meine Freundin Clara hat mich während der gesamten Schreibzeit begleitet. Sie ist selbst Musikerin und kennt alle meine Stücke. Wir haben viel darüber geredet, was ich eigentlich genau mit dem Stück rüberbringen will. Sie hat mir ständig Feedback und konstruktive Kritik gegeben. Außer ihr habe ich es, bis zum Samstag, keinem anderen gezeigt.
Du wohnst inzwischen in einer fünfer WG. Noch dazu in Berlin. Findest du da eigentlich die nötige Ruhe um zu komponieren?
Das Stück habe ich zu zwei Drittel in Griechenland geschrieben, wo ich wirklich meine Ruhe hatte. In der WG kann es tatsächlich manchmal ganz schön laut werden. Dann machen wir einfach alle mit und schmeißen spontan eine Party. (lacht) Ich habe allerdings ein gut gelegenes Zimmer, in dem ich, wenn die Tür zu ist, meine Ruhe habe. Ansonsten arbeite ich oft in der Uni.
Zur Person
Nik Bohnenberger ist 24 Jahre alt und studiert derzeit Musik auf Lehramt mit Hauptfach Komposition an der Universität der Künste in Berlin. Das Musikalische wurde ihm sozusagen in die Wiege gelegt. Er wächst als eines von drei Geschwistern in dem kleinen Dorf Bech, nahe Echternach, auf. Mutter, Vater, Bruder und Schwester machen allesamt Musik. „Der Freund meiner Schwester musste sofort ein Instrument erlernen», lacht Nik, „sonst hätte er bei keiner Familienunternehmung dabei sein können».
Mit fünf beginnt Nik mit dem „Solfège» an der Musikschule in Echternach. Kurz danach erlernt er sein erstes Instrument: Das Horn. Zuerst spielt er in der „Bech-Berbuerger Musék», später kommt die „Harmonie Municipale Echternach» hinzu. Als er auf „5ième» ist, lernt er das Klavier spielen, auf „3ième» wähl er die „Section F» (Schwerpunkt Musik) im Kolléisch. 2013 geht er nach Berlin um zu studieren – wie sollte es auch anders sein: Musik.
Parallel zu seiner Musikkarriere entwickelte sich der junge Musiker auch als Komponist ständig weiter. Als er zwölf ist, zeigt ihm sein Musiklehrer ein Notenschreibprogramm. Er beginnt seine ersten kleinen Melodien zu komponieren. Etwa vier Jahre später schreibt er mit der Unterstützung vom Luxemburgisch-Spanischen Komponisten und Musiklehrer Ivan Boumans sein erstes Stück. Die Uraufführung von „Pursuit“ findet im November 2010 statt, wobei das Stück von einem Harmonieorchester gespielt wird. 2012 erhält er seinen ersten Auftrag vom Luxemburger Musiker Jean Thill und schreibt „Melusina“. Seither arbeitet Nik neben seinem Studium als Komponist, dabei kommen die meisten Aufträge weiterhin aus Luxemburg. Einige seiner Stücke wurden allerdings auch schon in Deutschland aufgeführt.
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