In der Flüchtlingspolitik ändert die neue spanische Regierung von Premier Sanchez den Kurs. Sie will die sofortigen Zurückweisungen von illegalen Zuwanderern an den Grenzen der Nordafrika-Enklaven Ceuta und Melilla beenden.
Von unserem Korrespondenten Heinz Krieger
Zu seinen Antrittsbesuchen in Paris, Brüssel und Berlin bringt der spanische Premier Pedro Sanchez Geschenke mit. Am Samstag war er bei Präsident Macron, am Sonntag ist er beim europäischen Minigipfel zur Migration in Brüssel. Und am Dienstag besucht er Bundeskanzlerin Angela Merkel in Berlin.
In der Flüchtlingspolitik will Sanchez an die Willkommenspolitik seines Vor-Vorgängers José Luis Zapatero anschließen. Dazu gehört nicht nur die schlagzeilenträchtige Aufnahme des Flüchtlingsbootes Aquarius in Valencia, sondern auch die Beseitigung des Stacheldrahtzauns vor den Nordafrikaenklaven Ceuta und Melilla. Und vor allem das Ende der «heißen Abschiebungen», wie die Zurückweisung von illegalen Zuwanderern in Spanien genannt wird.
Angst vor einem «Ruf-Effekt»
Dem Regierungspräsidenten von Melilla schwant Schlimmes. Er befürchtet durch die Aufnahme der Aquarius einen «Ruf-Effekt». Der habe sich schon in der vergangenen Woche bemerkbar gemacht, als rund 1.300 Flüchtlinge von Nordafrika in nur zwei Tagen – nach Aquarius – mit Booten über das westliche Mittelmeer zum spanischen Festland übersetzten, sagte Juan José Imbroda. «Zwei Wochen haben wir diese neue Regierung und schon haben wir ein Problem.»
Entscheidungen dürften nicht getroffen werden, um den Applaus einiger weniger einzuheimsen. Die Regierung müsse an das Wohl Spaniens denken, und an das von Ceuta und Melilla. Imbroda: «Was machen wir, wenn Zehntausende kommen?» Aus Melilla wird bisher weiter abgeschoben. So sind eben erst acht Afrikaner aus Ländern südlich der Sahelzone in Melilla festgenommen und den marokkanischen Behörden übergeben worden, die sie in ihre Herkunftsländer zurückschicken werden.
Ohne Bürokratie abgewiesen
Das war bisher die übliche Praxis an den hohen Grenzzäunen von Ceuta und Melilla. Flüchtlinge mit erkennbarem Asylgrund, etwa syrische Familien, die auf dem nordafrikanischen Landweg nach Marokko kamen und dann «nach Europa» wollten, durften allerdings einreisen. Wer in Ceuta oder Melilla spanischen Boden betritt, ist zwar geografisch noch in Afrika, politisch aber in der Europäischen Union.
Die «heißen Abschiebungen» liefen anders. Wer es beispielsweise über den mehrere Meter hohen Grenzzaun und die Stacheldrahtrollen oder auch übers Meer schaffte, nach Melilla zu kommen, keine Papiere hatte oder das Zauberwort «Asyl» nicht sagte, wurde ohne irgendwelche Bürokratie wie Identitätsfeststellung von der spanischen Guardia Civil in Handschellen an die Kollegen in Marokko übergeben.
Europa-Urteil gegen Spanien
Das Vorgehen hatte ein Nachspiel auf europäischer Ebene. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat Spanien verurteilt, Entschädigungen an zwei so abgewiesene Afrikaner zu bezahlen. Ihr Recht auf Anhörung sei ihnen verwehrt worden. Die eben durch ein Misstrauensvotum gestürzte Regierung von Premier Mariano Rajoy hat gegen dieses Urteil Berufung eingelegt. Und die wiederum wurde am 11. Juni – dem Tag der Willkommensentscheidung für die Aquarius-Flüchtlinge – von der neuen Regierung Sanchez wieder zurückgenommen. Das Justizministerium ließ in einem Brief an den Europa-Gerichtshof auch wissen, dass es künftig keine direkte Zurückweisung an den Grenzen mehr geben werde.
Sanchez ist offenkundig nicht gewillt, sich der sogenannten Achse der Willigen anzuschließen, die ihre Grenzen im Zweifel dichtmachen wollen. Er setzt auf Willkommenskultur, hält auch den Gedanken an die Einrichtung von Aufnahmelagern außerhalb der EU zur Klärung von Asylansprüchen für gut. Aber nicht in Ceuta oder Melilla. In Berlin wird er mit dieser Haltung willkommen sein. Denn er trifft die Bundeskanzlerin Merkel und nicht Innenminister Horst Seehofer.
Das sehe ich auch so.
Sanchez wird nicht lange den Kurs durchhalten: die Sogwirkung die sich durch die Präzedenzfälle in Ceuta und die Aufnahme der Abholschiffe entfaltet wird in kurzer Zeit den Konzens in Spanien auflösen. Die Willkommenskultur wird -wie Deutschland_ schwere politische Verwerfungen auslösen. Sanchez wird 2018 politisch nicht überstehen sofern er nicht bald einen realistischen Kurs einschlägt.