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„Zum Schluss war Kim völlig isoliert“

„Zum Schluss war Kim völlig isoliert“

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Hartmut Koschyk (59) war bis zu seinem Ausscheiden im letzten Jahr 27 Jahre lang Bundestagsabgeordneter, zeitweise auch Finanzstaatssekretär, und ist einer der besten Nordkorea-Kenner in der Politik. Mit dem CSU-Politiker, der derzeit Vorsitzender des deutsch-koreanischen Forums ist, sprach unser Berliner Korrespondent Werner Kolhoff.

Tageblatt: Ist das Verhandlungsergebnis von Singapur wirklich eine historische Einigung?
Koschyk: Wenn die Stimmung und die Dynamik von Singapur erhalten bleiben, dann kann daraus etwas Historisches werden. Es ist der Einstieg in einen Prozess, bei dem am Schluss eine Einigung über schwierigste Fragen stehen kann, die die Region seit Jahrzehnten belasten. Schon jetzt ist das Ergebnis aber ein historischer Einschnitt in den Beziehungen zwischen den USA und Nordkorea.

Warum macht Kim das mit?
Er ist ein noch junger Vertreter seiner Dynastie und hat erkannt, dass er aus der Isolation heraus muss. Weil sein Regime nur den Hauch einer Überlebenschance hat, wenn es sich öffnet und sein Verhältnis zu den USA bereinigt. Das Zusammenwirken der großen Mächte im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat ebenfalls seine Wirkung gezeigt. Trump war klug beraten, China und Russland einzubeziehen. Dass Kim Yong Un am Schluss völlig isoliert war, hat den nachhaltigsten Eindruck auf ihn gemacht.

Es war also nicht Trumps Erfolg allein?
Ich hoffe, dass Trump an dieser Herausforderung gelernt hat und lernt, dass es ohne Multilateralismus nicht geht.

Im Moment bekommt Kim für eine komplette atomare Abrüstung lediglich Sicherheitsgarantieren, vor allem den Verzicht auf die üblichen südkoreanisch-amerikanischen Manöver. Reicht das für einen umfassenderen Friedensprozess bis hin zu einem Friedensabkommen?
Im Kommuniqué ist das große Ziel einer neuen Friedensordnung für Nordostasien formuliert. Man muss jetzt ein Format finden, um neben den beiden Koreas auch China, Russland und Japan einzubinden. Das könnte dann zusammen mit den USA zu einer Renaissance der sogenannten Sechs-Parteien-Gespräche führen, die 2009 gescheitert waren. Am Schluss müssen alle wichtigen Mächte der Region beteiligt sein.

Bedeutet die Einigung mehr Wohlstand für die Nordkoreaner?
Wenn Kim sich auf die Denuklearisierung wirklich einlässt, wird dies sicher dazu führen, dass die internationale Gemeinschaft wieder zu humanitären Hilfeleistungen bereit ist. Auch könnte die gemeinsame Wirtschaftszone mit Südkorea wieder in Betrieb gehen und Tourismusprojekte wieder aufgenommen werden. Das würde Nordkorea Deviseneinnahmen bringen.

Das Thema Menschenrechte spielte in Singapur praktisch keine Rolle.
Das Thema wird noch eine Rolle spielen. Dazu wird der Druck in der amerikanischen Öffentlichkeit zu groß sein. Auch die Europäer können hier eine Rolle spielen. Deutschland zum Beispiel hat bei der Aufnahme der diplomatischen Beziehungen mit Nordkorea einen Menschenrechtsdialog vereinbart. Diese Beziehungen befinden sich derzeit auf dem Nullpunkt. Sie könnten und sollten jetzt wiederbelebt werden.

Der Preis von Trumps Deal ist, dass sich das Regime Kim dauerhaft stabilisieren kann.
Aber es wird sich weiterentwickeln. Ich erinnere daran, dass auch Südkorea lange eine Militärdiktatur war und sich zu einer Demokratie entwickelt hat. Dieser Wandel ist auch in Nordkorea möglich.