Am Mittwoch stimmt das Parlament über ein neues Tierschutzgesetz ab. Zum ersten Mal soll die Würde der Tiere im Gesetz verankert werden.
«Ein Tier soll nicht mehr als Sache eingestuft werden. Zwar ist ein Tier kein menschliches Wesen, aber trotzdem eine Kreatur, die fühlen kann und eine Würde besitzt. Im neuen Gesetz wird das auch so gesagt», erklärte der Berichterstatter Gusty Graas (DP) den Kernaspekt des neuen Gesetzes im Tageblatt-Interview.
Und weiter: «Damit machen wir einen qualitativen Sprung, weil wir das Tier auf eine andere Ebene setzen. Zusätzlich senden wir eine sehr wichtige Botschaft: Wir leben im 21. Jahrhundert und spätestens jetzt muss der Mensch erkennen, dass er dem Tier sehr viel Respekt schuldet. Die Art und Weise, wie wir mit Tieren umgegangen sind, gehört eindeutig der Vergangenheit an. Leider gibt es noch zu viele Menschen, die beim Umgang mit Tieren elementare Regeln nicht respektieren.»
Nicht ohne Notwendigkeit töten
Das neue Gesetz (wie auch das alte) verbietet es, ein Tier ohne eine Notwendigkeit zu töten oder töten zu lassen, ihm Schmerzen oder Verletzungen zuzufügen. Was genau unter dem Begriff Notwendigkeit zu verstehen ist, definieren weder das alte noch das neue Tierschutzgesetz. Allerdings: Das Gesetz spricht auch die Jagd, Fischerei, Schlachtung und Tierversuche an. Der Konsum von Fleisch ist in den Augen des Gesetzgebers also, genauso wie verschiedene Tierversuche, eine Notwendigkeit. Berichterstatter Gusty Graas dazu: «Ein Mensch, der etwa auf ein Reh schießt, behält sich als Fleischesser das Recht vor, ab und an in den Wald zu gehen und ein Tier zu schießen. Aber die Art, wie geschossen, geschlachtet und verarbeitet wird, muss in einem klaren Rahmen geschehen.»
Wird ein Tier beispielsweise getötet, dann muss es laut dem neuen Tierschutzgesetz – außer bei der Jagd und in der Fischerei – zuerst betäubt werden. «Es darf nicht sein, dass der Mensch im Umgang mit dem Tier nur Spaß empfindet. Er muss auch Respekt haben. Das Recht, angeln oder jagen zu gehen, impliziert meiner Meinung nach auch die Pflicht, sich für den Lebensraum der Tiere einzusetzen», sagt Gusty Graas.
Tieren Nothilfe leisten wird Pflicht
Daneben besteht mit dem neuen Gesetz nun die Pflicht, Tieren in Not – wenn möglich – Hilfe zu leisten. Das Gesetz dazu im Wortlaut: «Tout animal souffrant, blessé ou en danger doit être secouru dans la mesure du possible.» Auch für Tierhalter ändert sich einiges. So ist es nun etwa verboten, Tiere zu halten, wenn diese durch genetische Manipulation oder künstliche Auslese so verändert worden sind, dass sie dadurch Gesundheitsbeschwerden haben oder sie ein Gesundheitsrisiko für Menschen darstellen. Eine Ausnahme bilden hier laut Gesetz Tiere, die für wissenschaftliche Zwecke gezüchtet wurden.
Tierversuche müssen laut dem Gesetzestext auf solche begrenzt werden, die «strict nécessaire» sind. Wenn das Ziel der Versuche auch mit einer anderen Methode erreicht werden kann, dann sind die Tierversuche nicht zulässig. Experimente, die den Tieren Schmerzen, Leid oder Schäden zufügen, sie in Angst versetzen, ihren normalen Zustand merklich stören oder aber ihre Würde verletzen, werden zwar nicht verboten, sollen aber auf «unvermeidliche» begrenzt werden.
Gänsestopfen bleibt verboten
Mit der zunehmenden Bedeutung der Universität und der Forschung in Luxemburg spielen Tierversuche auch hier eine immer größere Rolle. Laut dem Jahresbericht der Veterinärinspektion zu Tierversuchen wurden 2017 in Luxemburg 25.841 Tiere für Experimente benutzt. Drei Jahre zuvor, 2014, waren es nur 2.296 Tiere. Die Zahl hat sich binnen drei Jahren also mehr als verzehnfacht. Benutzt wurden im letzten Jahr weder Primaten noch Hunde oder Katzen. Die meisten Versuchstiere waren Zebrafische (78,07%), Mäuse (21,56%) und Ratten (0,37%).
Einige Praktiken im Umgang mit Tieren sind nun aber definitiv verboten. So ist es zum Beispiel explizit untersagt, Tiere als Preis bei einem Gewinnspiel, einer Lotterie oder einer Wette zu benutzen. Auch dürfen Tiere nicht zu Handlungen gezwungen werden, die ihre gewöhnlichen Fähigkeiten überschreiten.
Weiterhin untersagt bleibt es, Tiere (außer bei medizinischen Notfällen) zu zwangsernähren. Das verhindert unter anderem, dass in Luxemburg Gänsestopfleber hergestellt werden kann. Daneben ist es verboten, Tiere mit dem Hauptzweck zu züchten, sie zu töten, um sich ihrer Haut, ihrem Fell, der Federn oder der Wolle zu bedienen. Nicht verboten ist hingegen weiterhin der Verkauf solcher Qualprodukte. Auch sexuelle Handlungen mit Tieren werden über das Tierschutzgesetz genauso verboten wie Schießwettbewerbe auf lebende Tiere und Hetzjagden.
«Sexen» wird explizit untersagt
Ebenfalls verboten ist nun explizit das Töten von Küken aus wirtschaftlichen Gründen. Dieses sogenannte «Sexen» wurde in der Vergangenheit, vor allem in Deutschland, stark diskutiert. Gemeint ist die Praktik, männliche Küken, weil sie keine Eier legen können und damit in der Eierproduktion keinem Zweck dienen, in der Zucht bereits auszusortieren und zu töten. Oft wurden die männlichen Küken einfach in einen Schredder geschmissen. Stichwort: Eintagsküken. In der Fleischproduktion werden diese männlichen Küken auch nicht verwendet, da es sich bei ihnen um eine andere Brut handelt. Die deutsche Tierrechtsorganisation «SOKO Tierschutz» recherchierte Anfang dieses Jahres, dass in Deutschland auch weibliche Küken, wegen Überproduktion, getötet wurden.
Auch betroffen von dem neuen Gesetz sind Zirkusse. Wenn das neue Gesetz angenommen wird, regelt in Zukunft ein großherzogliches Reglement, welche Tiere in die Manege gelassen werden dürfen und welche nicht. «Ein Zirkus muss eine ministerielle Erlaubnis beantragen, wenn er nach Luxemburg kommt. Tiere dürfen nicht mehr benutzt werden. Das soll nicht heißen, dass es verboten ist, mit einem Hund an der Leine die Manege zu betreten. Artikel 12 zufolge kann ein Tier allerdings nicht gezwungen werden, ein Kunststück vorzuführen, das es nicht kann, weil es seine Kräfte übersteigt oder weil es geschwächt ist. Ein Tier darf also nicht gezwungen werden, etwas zu machen, was für den Zirkus Einschränkungen bedeutet», so Gusty Graas im Interview.
Stärkung von Tierschutzvereinen
Daneben sind eine ganze Reihe von Aktivitäten mit Tieren laut Tierschutzgesetz genehmigungspflichtig. Im neuen Gesetz sind das: jeder Handel mit Tieren, Katzen- und Hundezucht, Zoohandlungen, Tiergärten, Zoos, Tierpensionen und Tierheime. Zirkusse, Ausstellungen und Tiermärkte müssen angemeldet werden.
Anerkannte Tierschutzvereine spielen im neuen Tierschutzgesetz eine Rolle. Ministeriell anerkannte Tierschutzvereine können gefragt werden, den Behörden bei Tierschutzmaßnahmen zur Seite zu stehen. Tierschutzvereine können in Zukunft bei Prozessen im Tierschutzbereich die Rolle der «Partie civile» übernehmen.
Tiere sind Lebewesen und verdienen als solche behandelt und respektiert zu werden. Dieses Tierschutzgesetz war überfällig.