Einen Tag nach seinem erfolgreichen Misstrauensvotum gegen Spaniens Regierungschef Rajoy legt der Sozialist Sánchez beim König den Amtseid ab. Danach muss er regieren. Und bisher weiß niemand genau, was er vorhat.
Spaniens Sozialistenchef Pedro Sánchez wird am Samstag (11.00 Uhr) von König Felipe VI. als neuer Regierungschef vereidigt. Der 46-Jährige Politiker hatte zuvor den konservativen Regierungschef Mariano Rajoy mit einem konstruktiven Misstrauensvotum im Parlament zu Fall gebracht. Rajoys Minderheitsregierung war durch einen Korruptionsskandal angeschlagen. Auf Sánchez wartet keine leichte Aufgabe. Er muss schnell ein Regierungsprogramm vorlegen, ein Kabinett zusammenstellen und eine Mehrheit im Parlament finden. Dort verfügt seine Partei aber nur über 84 von insgesamt 350 Sitzen.
In einer historischen Abstimmung hatten sich am Freitag im Parlament in Madrid 180 der 350 Abgeordneten für den von Sánchez eingebrachten Antrag zur Absetzung Rajoys ausgesprochen. Der 63-Jährige musste sich geschlagen geben. Er galt als enger Verbündeter von Bundeskanzlerin Angela Merkel. Angesichts der schwierigen internationalen Großwetterlage und einer neuen EU-kritischen Regierung in Italien löste der Machtwechsel in einem weiteren südeuropäischen EU-Land zusätzliche Sorgen in Berlin und Brüssel aus. Mit Spannung wurde auch erwartet, ob in der verfahrenen Katalonienkrise durch die neue Regierung mehr Spielraum für eine Entspannung entstehen würde.
Die Bundesregierung würdigte die Leistungen Rajoys und äußerte die Hoffnung, dass Sánchez eine stabile Regierung auf die Beine stellen werde. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und EU-Ratspräsident Donald Tusk verbanden ihre Glückwünsche für Sánchez mit freundlich verpackten Mahnungen. Er vertraue darauf, dass die neue Regierung weiter dazu beitragen werde, Europa stärker, einiger und fairer zu gestalten, schrieb Juncker einer Sprecherin der EU-Kommission zufolge in einem Brief an Sánchez.
Auch Tusk nahm den neuen Regierungschef in die Pflicht. «Europäische Geschlossenheit ist mehr denn je nötig. Ich vertraue darauf, dass Sie und Ihre Regierung eine konstruktive Rolle in der Europäischen Union spielen werden», schrieb er in einem Brief an Sánchez.
Es war das erste Mal in der demokratischen Geschichte des Landes nach dem Ende der Franco-Diktatur 1975, dass ein Ministerpräsident durch einen Misstrauensantrag zu Fall kommt.
Rajoy räumte schon vor dem Votum seine Niederlage ein. Es sei ihm eine Ehre gewesen, Ministerpräsident zu sein, erklärte er. «Ich bin froh, ein besseres Spanien zu hinterlassen, als ich es vorgefunden habe», sagte er mit Blick auf den wirtschaftlichen Aufschwung des ehemaligen Krisenlandes dank der von ihm vorangetriebenen Reformen und Sparpläne. «Ich hoffe, dass mein Nachfolger irgendwann das Gleiche sagen kann.» Spanien ist nach schweren Krisenjahren inzwischen wieder eines der Länder mit dem stärksten Wirtschaftswachstum in Europa.
Der Wirtschaftsdozent Sánchez hatte den Misstrauensantrag als Reaktion auf die Gerichtsurteile in der Korruptionsaffäre um Rajoys PP eingebracht. Der nationale Strafgerichtshof hatte die Partei in der vergangenen Woche wegen Verwicklung in den Skandal zu einer Geldstrafe von 245 000 Euro verurteilt. Mehrere frühere Parteimitglieder erhielten teils langjährige Haftstrafen.
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