Das Müllerthal wurde in der Nacht von den Schlammmassen überrollt. Sie hinterließen verstörte Menschen, die zwischen Dreck, Steinen und Trümmern um ihre Existenz fürchten. Ein Stimmungsbericht von Melody Hansen und Frank Goebel.
Um 2 Uhr kommt das Wasser – und die Panik. Denn dass es sich hierbei um etwas Großes, Dunkles, Unheilvolles handelt, wird auf dem Campingplatz im Müllerthal nicht nur dem Betreiber Stefan Spaus klar, sondern auch seinen Gästen.
Etwa zehn Familien sind auf dem Areal, in Zelten, Caravans, Bungalows. Fraglich, ob sie überhaupt zum Schlafen kommen: Denn dass es wieder ziemlich kräftig regnen würde, wussten sie schon vorher. Und der Regen kommt, stundenlang, wie aus Eimern. Erst von oben. Und dann von unten.
Schließlich werden die Gäste aufgefordert, das Gelände zu verlassen. Seit mehr als 40 Jahren ist Spaus vor Ort, wie vor ihm seine Eltern und Großeltern. Da hat man einiges erlebt. «Aber so war es noch nie», sagt er.
Das erklärt auch Adri (Foto), der seit zwei Jahrzehnten immer wieder Urlaub im Müllerthal macht und schon so einiges erlebt hat. Darunter eine Überschwemmung im Jahr 1998. Die sei aber bei Weitem nicht so schlimm gewesen wie das, was in der Nacht auf Freitag hereingebrochen ist. Sein Auto ist dahin. Immerhin ist Adri nicht verletzt. Sein Auto ist übrigens nicht das Einzige, das zerstört wurde: Erst am Morgen ist ein komplettes Zelt an ihm vorbeigeschwommen, sagt Adri. Und dann ein ganzer Campingvan.
Die Brühe walzt alles platt
Wer sich am Vormittag den Weg durch das Müllerthal bahnt – und das ist wegen umgestürzter Bäume und Steinen auf den Straßen nicht einfach – bekommt noch mehr Autowracks zu sehen. Und auch alles andere, was die unaufhaltsame, dickflüssige Brühe plattgewalzt oder vor sich hergetrieben hat.
Etwa an der Heringsmühle: In der liebevoll restaurierten Getreidemühle aus dem 17. Jahrhundert stand das Wasser fast zwei Meter hoch. Wo es sich wieder zurückgezogen hat, hat es Tonnen an Schlamm dagelassen, aus denen jetzt das zerstörte Mobiliar ragt. Wie schnell wohl in dem alten Holzsteinbackofen das Mühlenbrot noch von Hand gebacken werden kann?
Robbie, der Besitzer, möchte erst mal nicht viel sagen. «Ist ja alles traurig genug.» Außerdem muss noch gerettet werden, was gerettet werden kann: Jetzt wird dazu fieberhaft das Bett der Ernz neben der Mühle ausgebaggert. Fünf Laster voller Steine wurden bis zum Mittag schon rausgeholt. Vielleicht hilft das, damit bei neuen Regengüssen der Fluss da bleibt, wo er soll.
Schneisen der Zerstörung
Nur ein paar Hundert Meter weiter sieht auch das Ehepaar Kimmes auf seinem Campingplatz kein Land mehr: Als das Wasser gekommen ist, hat es Baumstämme mit sich gerissen, die in der Nähe gelagert waren. Jetzt blicken die Kimmes› auf die Schneise der Zerstörung, die das Wasser und das schwere Holz geschlagen haben: «Unsere ganze Existenz liegt hier in Trümmern und wir können nur zusehen», sagen sie verzweifelt und ausgelaugt.
Immerhin, sie sind nicht alleine. Pascale, eine Bekannte aus der Gegend, ist extra gekommen, um zu schauen, wie es ihren Freunden geht: «Ich habe unterwegs so viel Schlimmes gesehen», sagt sie – und dass ihr beim Anblick fast die Tränen kamen. Aber zum Glück sei der Zusammenhalt im Müllerthal stark, ist sie überzeugt. Und davon, dass man sich gegenseitig aufbaut. Sie hat etwas zu trinken mitgebracht – für die vielen Helfer, von denen sie wusste, dass sie hier sein würden.
Und es werden bald noch mehr: Ausgeruhte und gut ausgestattete Rettungskräfte sind unterwegs, die Armee ebenso und die Politik war auch schon da. Die Regierung hat bereits allen Betroffenen schnelle und unbürokratische Hilfe zugesagt – und für den Wiederaufbau der Infrastruktur in dem für den Tourismus so wichtigen Gebiet bereits Kräfte bereitgestellt.
Von Melody Hansen und Frank Goebel
Wieder eine Jahrhundertüberflutung, wie vor ein paar Jahren. Ich nehme an, die Straße wird dann auch wohl wieder für ein paar Jährchen gesperrt werden, wie letztes Mal.
Ich weiß nicht ob es viel Zweck macht, alle 2-3 Jahre alles zu renovieren auf Steuerzahlerkosten oder einfach solche tiefer gelegene Orte aufzugeben anstatt irre Summen auszugeben für Sperr- und Schutzmauern und Deiche die dann nach ein paar Jahren trotzdem wieder überspült werden.