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Die Angst vor der Albanien-Route

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Von unserem Korrespondenten Thomas Roser

Österreich schlägt aufgeregt die Paniktrommel. Besorgt klagt Bosnien über steigende Flüchtlingszahlen. Obwohl Transitflüchtlinge auf der sich ständig ändernden Balkanroute tatsächlich vermehrt über Albanien und Montenegro nach Westen zu gelangen trachten, ist mit einer Wiederholung der Flüchtlingskrise von 2015/2016 kaum zu rechnen.

Die Zelte sind verschwunden, die ungewollten Transitreisenden in Bosniens Hauptstadt Sarajevo geblieben. Ob auf Parkbänken, am Bahnhof oder den Bushaltestellen: Auch nach der Räumung des Flüchtlingscamps gegenüber der wiederaufgebauten Vijecnica-Bibliothek Mitte Mai sind die Gruppen junger Männer mit den müden Gesichtern und den kleinen Rucksäcken in der einstigen Olympia-Stadt allgegenwärtig.

Die 2016 offiziell geschlossene Balkanroute hat sich nach Süden verschoben. Und ausgerechnet der noch immer von den Folgen des Bosnienkriegs (1992-95) gezeichnete Vielvölkerstaat Bosnien und Herzegowina ist für die Transitmigranten zu einer der wichtigsten Durchgangsstationen auf dem anvisierten Weg nach Westen mutiert.
Die meisten Neuankömmlinge reisen über Griechenland, Albanien und Montenegro ein. Hinzu kommen in Serbien gestrandete Flüchtlinge, die wegen Ungarns Grenzzaun und der verschärften Überwachung der kroatischen-serbischen Grenze nun über Bosnien ins Schengenreich zu gelangen trachten: Vom ostbosnischen Bihac aus hoffen sie über Kroatien ins nahe Slowenien und dann nach Westen zu gelangen.

Kein Vergleich zu 2015

Allein in den ersten Monaten des Jahres habe sich die Zahl der registrierten Migranten «um 600 bis 700 Prozent erhöht», lässt Sicherheitsminister Dragan Mektic die Alarmglocken schrillen. In absoluten Zahlen klingt der Zuwachs weniger dramatisch. Wurden 2016 in Bosnien weniger als hundert Immigranten aufgegriffen, waren es 2017 bereits 800 – und in den ersten Monaten dieses Jahres rund 2.000 Flüchtlinge, die über Bosnien nach Westen zu gelangen hoffen: Die Dunkelziffer dürfte mindestens das Zwei- bis Dreifache betragen.

Nur die Geschäfte der Schlepper brummen. Mit der Unterbringung von mehreren hundert offiziellen Asylbewerbern zeigt sich Bosniens dysfunktionales Staatskonstrukt hingegen völlig überfordert. Einig sind sich die streitbaren Politiker der bosnischen Serben, Kroaten und muslimischen Bosniaken nur in ihrer Forderung nach der Abriegelung der kaum lückenlos zu überwachenden Grenzen. Ansonsten schieben sie sich gegenseitig die Verantwortung und den Schwarzen Peter für die ungewollten Flüchtlinge zu.

Zwar vermeldet das Flüchtlingskommissariat im benachbarten Serbien dank des Routenwechsels im Mai einen «leichten Rückgang» der Flüchtlingszahlen. Doch besorgt reagieren alle Staaten der Region auf die Kunde der zuletzt wieder steigenden Zahl von Neuankömmlingen in Griechenland. Denn egal, wie die sich ändernde Balkanroute gerade verläuft: Mehr Flüchtlingsdruck in Griechenland bekommen alle Anrainer zu spüren.

 Die Wiener Paniktrommel

Doch ob es nun täglich 50 oder 150 Neuankömmlinge sind, die laut völlig unterschiedlichen Angaben der Grenzpolizei, des UNHCR-Flüchtlingswerks und nationaler Flüchtlingsbehörden auf Bosniens Territorium gelangen: Mit der Krise von 2015/16, auf deren Höhepunkt täglich über 10.000 Menschen über die damals über Mazedonien und Serbien laufende Balkanroute nach Westen gelangten, ist Bosniens derzeitige Migrationskrise keineswegs zu vergleichen.

Obwohl die Zahl der Asylanträge in Österreich in diesem Jahr bisher rückläufig ist, schlägt die rechtspopulistische Regierung in Wien wegen des nun entdeckten Problems der «Albanien-Route» aufgeregt die Paniktrommel. Seine Regierung werde «alles tun, um eine Überforderung Österreichs wie 2015 zu verhindern», so Kanzler Sebastian Kurz. FPÖ-Innenminister Herbert Kickl bringt gar eine Grenzschließung ins Spiel: Es werde «kein Durchkommen» für Flüchtlinge geben. Nicht nur innenpolitische Gründe lassen die Wiener Populisten den bewährten Koalitionskit der Flüchtlingsfurcht anrühren: Den Grenzschutz will Österreich zum Schwerpunkt seiner im Juli beginnenden EU-Ratspräsidentschaft machen.

Real ist das Szenario einer Wiederholung der Flüchtlingskrise von 2015/16 indes keineswegs. Konnten damals monatelang Hunderttausende auf einem in EU-Regie von den Anrainern erst geschaffenen und später abgeriegelten «Flüchtlingskorridor» in Richtung Westen reisen, ist mittlerweile an fast allen Grenzen der sich ständig ändernden Balkanroute Zurückprügeln statt Durchwinken angesagt: Neben Ungarns Grenzern gelten vor allem deren Amtskollegen in Bulgarien und Kroatien unter Flüchtlingen als besonders «schlagkräftige» Landeshüter.