Mein Schloss, mein Tross, meine Soldaten in Paradeuniform: Wladimir Putin und Emmanuel Macron sind Präsidenten, die gern mit dem prächtigen monarchischen Erbe ihrer Länder Politik machen. Wenn der russische Staatschef am Donnerstag seinen Kollegen aus Frankreich empfängt, wird er ihm den Glanz der alten Zarenstadt St. Petersburg vorführen.
Letztes Jahr hat Macron den Kremlchef mit dem Prunk von Sonnenkönig Ludwig XIV. im Schloss Versailles beeindruckt. Barockpaläste dieser Größe hat Putin gleich mehrere rund um seine Heimatstadt stehen – manche sogar mit Meerblick auf die Ostsee.
Nach dem schlichter gehaltenen Besuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel bei Putin vergangene Woche setzt Macron die europäischen Versuche fort, ein neues Verhältnis zu Russland zu finden. Die Beziehungen zwischen der EU und Moskau sind gespannt, seit Russland sich 2014 die ukrainische Halbinsel Krim einverleibt hat.
Der Doppelbesuch von Merkel und Macron in Russland ist auch ein Spiegelbild ihrer Reisen nach Washington, wo sie im April ebenfalls kurz nacheinander US-Präsident Donald Trump trafen. Putin, Trump – die Europäer müssen gleich mit zwei schwierigen Gesprächspartnern ihre Rolle in der sich rapide wandelnden Weltordnung finden.
Macron inszeniert sich außenpolitisch gern als Monsieur Klartext, der Meinungsverschiedenheiten offen anspricht – und trotzdem auch mit schwierigen Partnern eine Basis findet. Das war schon die Botschaft, als er Putin in Versailles empfing. Damals kritisierte er die russischen Medien Sputnik und RT als «Organe der Einflussnahme» und erklärte den Einsatz von Chemiewaffen in Syrien zur roten Linie.
Macron ist überzeugt, dass man gegenüber Putin Stärke zeigen muss: «Wenn du schwach bist, nutzt er das», sagte er kürzlich dem US-Sender Fox News. «Und das ist in Ordnung, es ist ein Spiel.» Zugleich plädierte er in der französischen Wochenzeitung «Le Journal du Dimanche» für einen «strategischen und historischen Dialog» mit Putin: Er wolle Russland an Europa koppeln, so Macron.
In St. Petersburg dürfte es vor allem um drei große Krisen gehen: Iran, Syrien und Ukraine. Macron wolle einen «substanziellen Dialog» mit Russland, um «Punkte der Übereinstimmung» herauszuarbeiten, heißt es eher vorsichtig im Élyséepalast. Angehen wolle man die Gespräche «mit offenen Augen» und «dem Bewusstsein, wie schwierig das ist».
In der Tat gibt es viele Meinungsverschiedenheiten. Der syrische Bürgerkrieg, in dem Russland seine Hand über Präsident Baschar al-Assad hält. Die französische Beteiligung an den westlichen Luftangriffen in dem Bürgerkriegsland. Das Nervengift-Attentat auf den ehemaligen Doppelagenten Sergej Skripal in Großbritannien. Der blutige Dauer-Konflikt in der Ostukraine.
Ausgerechnet Trump hat aber dafür gesorgt, dass Moskau, Berlin und Paris bei einem Thema auch am selben Strang ziehen: Sie alle wollen das Atomabkommen mit dem Iran retten.
Zu Syrien würde Frankreich gerne alle wichtigen regionalen und internationalen Akteure zusammenbringen. Einerseits die westlichen Staaten und ihre arabischen Verbündeten, andererseits Russland, den Iran und die Türkei als Schirmherren der sogenannten Astana-Gespräche. Moskau habe kein Interesse daran, dass die Situation in Syrien sich verschlechtere, sagte Frankreichs Außenminister Jean-Yves Le Drian vor Macrons Russlandreise.
Putin wird seinem Gast nicht nur das große Protokoll der Zarenstadt bieten, er teilt auch die Bühne beim Internationalen Wirtschaftsforum mit ihm. Lukrative neue Energieverträge für französische Firmen zeichnen sich ab. Doch politische Durchbrüche sind fraglich. Kadri Liik, Russland-Expertin der Denkfabrik European Council on Foreign Relations, sieht einen tiefen Werte-Graben zwischen Moskau und Europa: einen Konflikt zwischen autoritärem und liberalem Ansatz. «Europa ist damit zu einer normativen Rivalität mit Russland verdammt», schreibt sie.
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