Nach dem Rückzug der USA aus dem Iran-Atomabkommen hat EU-Ratschef Donald Tusk Washingtons Kurs scharf kritisiert und eine «geschlossene europäische Front» dagegen gefordert. «Wenn man sich die jüngsten Entscheidungen von Präsident Trump ansieht, könnte man denken: ‹Mit solchen Freunden, wer braucht da noch Feinde?'», sagte Tusk am Mittwoch vor einem informellen Treffen der EU-Staats- und Regierungschefs in Sofia.
Dabei wollten Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihre EU-Kollegen am Abend beraten, wie das Iran-Abkommen auch ohne die USA noch zu retten ist. Dazu hatten die Außenminister Deutschlands, Frankreichs und Großbritanniens sowie die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini bereits am Dienstagabend Gespräche mit dem iranischen Außenminister Dschawad Sarif geführt und sich vorsichtig optimistisch gezeigt. Der Iran zeigt sich grundsätzlich bereit, sich weiter an die Auflagen für sein Atomprogramm zu halten, verlangt aber dafür die im Abkommen zugesagten wirtschaftlichen Vorteile.
«Ich möchte, dass die EU-Spitzen noch einmal bekräftigen, dass sich die EU an den Deal hält, solange der Iran das auch tut», sagte Tusk in Sofia. «Das Abkommen ist gut für die europäische und die globale Sicherheit, deshalb müssen wir es erhalten. Trotz des Zögerns der USA.» Nun müsse man auch prüfen, wie europäische Unternehmen vor negativen Folgen der US-Entscheidung geschützt werden könnten. US-Präsident Donald Trump hatte vorige Woche das Atomabkommen aufgekündigt und neue scharfe Sanktionen gegen den Iran angekündigt. Davon könnten auch europäische Unternehmen betroffen sein.
Entschlossen zur Konfrontation
Die EU-Kommission erklärte am Mittwoch in Brüssel, sie könnte im Notfall ein Gesetz zur Abwehr von US-amerikanischen Sanktionen reaktivieren. «Sollte es notwendig sein, sind wir bereit», sagte EU-Kommissar Dimitris Avramopoulos. Über das sogenannte Blocking Statute könnte es europäischen Unternehmen unter Strafe verboten werden, sich an die US-Sanktionen gegen den Iran zu halten. Gleichzeitig würde es regeln, dass die europäischen Unternehmen für etwaige Verluste entschädigt werden. Ob und wann das EU-Abwehrgesetz zum Einsatz kommen könnte, sollte auch Thema der Staats- und Regierungschefs in Sofia sein.
Trump hatte die europäischen Verbündeten nicht nur mit der Iran-Entscheidung aufgebracht. Zuvor hatte der US-Präsident sein Land bereits aus dem Pariser Klimaabkommen zurückgezogen, trotz europäischer Bedenken die Verlegung der US-Botschaft in Israel nach Jerusalem verfügt und Strafzölle gegen die europäischen Partner angekündigt. Auch im Zollstreit zeigt sich die EU entschlossen zur Konfrontation. Die EU-Kommission trieb am Mittwoch ihre Vorbereitung für Vergeltungszölle voran: Sie beschloss, die Welthandelsorganisation offiziell darüber zu informieren. Dies ist die Voraussetzung dafür, dass Vergeltungszölle auf US-Produkte wie Whiskey, Motorräder und Jeans wirklich verhängt werden können.
Noch bis zum 1. Juni gilt für die EU-Staaten eine befristete Ausnahme von den US-Strafzöllen. Die EU will jedoch dauerhaft ausgenommen werden, wie Ratschef Tusk bekräftigte. «Die EU und die USA sind Freunde und Partner, deshalb können US-Zölle nicht mit der nationalen Sicherheit begründet werden», sagte er. «Es ist absurd, auch nur anzunehmen, dass die EU eine Bedrohung für die USA sein könnte. Wir müssen diese Diskussion wieder zurück in die Wirklichkeit bringen, was heute nicht der Fall ist.»
Eigentliches Thema der Staats- und Regierungschefs ist bei einem Sondergipfel am Donnerstag die «europäische Perspektive» für die sechs Westbalkanländer. Dabei soll es weniger um mögliche EU-Beitritte gehen, sondern zunächst um den Ausbau von Straßen, Energieleitungen und Kommunikationsnetzen, um die Länder enger an die EU anzubinden. Die Befürchtung ist, dass sonst China und Russland verstärkt auf dem Balkan investieren.
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