Der Wahlkampf wird immer professioneller: Parteien und Politiker buhlen intensiv um die Gunst der Luxemburger. Eine Bestandsaufnahme der politischen Kommunikation.
Flyer in digitaler Form
Durch besondere Originalität zeichnen sich die Online-Auftritte der Luxemburger Parteien nicht aus. Das gilt sowohl für die eigene Homepage als auch für die Auftritte bei Facebook, Twitter und Instagram.
Sie erinnern an die Flyer, die in regelmäßigen Abständen im Briefkasten liegen, nur dass sie nicht auf Papier, sondern auf dem Bildschirm erscheinen. Das Trägermedium ändert, die Inhalte bleiben dieselben. So weiß man etwa bei der LSAP und der CSV, wer vom politischen Spitzenpersonal wann, wo auftrat, wen er dabei traf und was er sagte. Diese virtuellen Litfasssäulen sind so attraktiv wie eine feuchte Betonwand. Interaktivität gibt es hier quasi keine. Der User, wenn er denn auch auf die Seiten trifft, meidet es wohl, das Ganze zu kommentieren. Über die meisten Kommentare erfreut sich „déi gréng“-Seite auf Facebook und auch hier kann man nicht von einer unübersichtlichen Beitragsflut reden.
Die Wähler, wenn sie sich denn die Mühe machen, den Parteinamen einzutippen, um auf die betreffende Seite zu kommen, halten das Ganze wohl für eine parteiinterne Veranstaltung. Auch wenn sich die Macher der Seiten bemühen, sie mit Videoclips und Fotos vom Gegenteil zu überzeugen.
Insbesondere in diesem Bereich rächt sich der Mangel an Medienkompetenz in den Parteien. Und wer sich auf Bezirksniveau begibt, trifft auf Seiten wie etwa jene des ADR-Zentrums, die man am besten gleich vergessen möchte. Gar nicht mal so schlecht, dass sich wenige User dorthin verirren.
Im Unterschied zu Facebook ist Twitter auch in Luxemburg ein soziales Medium für eine kleine Minderheit von Politikern, Wirtschaftsfachleuten, Medienschaffenden u.a. „eingeweihte“ Kreise. Erklärt das die Tweet-Müdigkeit, durch die sich der CSV-Account auszeichnet? Die letzten Tweets wurden am 24. März gepostet. Eingepflegt worden waren Aussagen von CSV-Spitzenkandidat Claude Wiseler beim Parteikonvent in Ettelbrück an diesem Tag. Diesen Meldungen war eine fast dreimonatige Pause vorausgegangen.
Wesentlich aktiver ist da die LSAP. Doch wie bei Facebook dient die Plattform hauptsächlich der Weiterverbreitung von Informationen über die Partei, dem medialen Echo der eigenen Politiker oder, ganz banal, dem Retweeten der Tweets der Twitter-affinen Führungsmitglieder. Ähnlich funktioniert der DP-Twitter-Account. Die doch recht niedrige Zahl der Follower zeugt vom mangelnden Interesse an dieser Art von recht fantasieloser politischer Kommunikation. So kommen die CSV, die LSAP, DP, „déi gréng“ und „déi Lénk“ zum gestrigen Tag auf jeweils 2.322, 2.367, 2.412, 2.777 und 1.765 Follower. Den Luxemburger Twitter-Rekord bei den Parteien hält mit 3.391 Followern die „Piratepartei“.
Apropos Zahlen: Begrenzt ist auch die Anzahl der Likes auf den Parteiseiten. Die LSAP zählte deren bis gestern 2.896. Die CSV kommt auf 6.623, die DP auf 4.109, „déi gréng“ auf 5.595 und „déi Lénk“ auf 2.546 Likes. Zum Vergleich: Die im Zuge des Referendums 2015 groß gewordene, nun mit der ADR bei den Parlamentswahlen paktierende Bewegung „Wee2050“ verbuchte gestern 9.120 Likes.
Fazit dieser kurzen Untersuchung: Luxemburgs Altparteien schöpfen als Organisation das Potenzial der sozialen Netzwerke für ihre politische Arbeit kaum aus. Anders als die einzelnen Politiker. lmo
Die Sucht nach Likes
Nicht alle sind in den sozialen Netzwerken mit eigenen Konten aktiv. Doch die wenigen Spitzenpolitiker, die sich regelmäßig äußern, erreichen Tausende User.
Luxemburg ist das Land der Politköpfe. In der Wahlkabine ist Panaschieren beliebter als die Listenwahl. Warum soll das beim Umgang mit sozialen Netzwerken anders sein? Während sich die offiziellen Parteiseiten und -accounts vorzüglich als Nachtlektüre vor dem Einschlafen eignen, sprudeln die privaten Accounts von Politikerinnen und Politikern vor überraschenden Wendungen und Debattierfreude.
Insbesondere peinliche oder beabsichtigte Ausrutscher, gezielte, auf medialen Krawall zielende Provokationen erfreuen sich größter Beliebtheit. Wer erinnert sich nicht an den Shitstorm, den CSV-Parteipräsident Marc Spautz mit seiner Aussage über rosa Uniformen für die Polizei auf einem Bezirkskongress vor einigen Monaten ausgelöst hatte.
DP-Generalsekretär Claude Lamberty hatte seinerseits für ausgiebige Facebook-Diskussionen gesorgt mit seiner Kongress-Aussage, „déi gréng“ würden sich für Fledermäuse interessieren, die DP für Menschen.
Ins mediale Schwarze getroffen hatte die DP mit ihrer „Better call Bettel“-Aktion, jenem blauen Telefon auf der Straße, über das Passanten gleich mit dem Staatsminister verbunden waren. Wie kaum ein anderer beherrscht Bettel das Spiel mit sozialen Medien. Mit 40.648 Likes bei Facebook ist er Rekordhalter unter Luxemburgs Spitzenpolitikern. Auf seiner FB-Seite gibt er den Politiker zum Anfassen, veröffentlicht Fotos mit Besuchern im Staatsministerium, postet verwackelte Videos eines Konzerts, das er mit seinem Ehemann besucht. Diese Bürgernähe geben ihm seine Leser mit Klicks auf den „Gefällt“- oder den „Teilen“-Button zurück.
Einen Volltreffer landete Ende April Parlamentspräsident Mars di Bartolomeo (LSAP) mit seinem Wutausbruch über eine Tankstelle am Eingang seiner Heimatstadt Düdelingen. Die Tankstelle locke Lkws an und verursache gefährliche Situationen für die anderen Autofahrer. Auch ihn hätte es vor kurzem fast erwischt, so ein empörter Ex-„Député-maire“ Düdelingens, der gleich mehrere Hundert Interaktionen auf Facebook erntete. Unter anderem auch den Kommentar, er, Mars, könne ja als Erster Bürger des Landes was unternehmen.
Weniger Verständnis hatte der Europaabgeordnete Frank Engels im September letzten Jahres geerntet. „Déi aktuell Regierung huet zënter Amtsuntrëtt déi gréisste Purge am ëffentlechen Dingscht zënter der Zivilverwaltung virgeholl – et je pèse mes mots“, hatte der CSV-Politiker in den sozialen Netzwerken geschrieben. Anlass für diesen Vergleich mit einem der dunkelsten Kapitel Luxemburger Geschichte war die Nominierung von Laurent Loschetter als Verwaltungsratspräsident des Radios 100,7.
Und zu guter Letzt: Was wäre dieser kurze Überblick über die Tätigkeit ausgewählter Politiker in den sozialen Netzwerken ohne den Dauer-Twitterer Laurent Mosar? In seinen nunmehr fünf Jahren Präsenz setzte er fast 6.500 Tweets ab. Auffallend viele davon sind Retweets von Artikeln aus deutschen Zeitungen, bevorzugt Die Welt, mit den Schwerpunkten: islamistische Gefahr und Migration. 7.168 Follower zählte der CSV-Politiker bis zum gestrigen Tag. Viel ist das trotzdem nicht. Premier Xavier Bettel (DP) kam gestern auf 68.700 Follower. Es sind deren aber mehr als bei Vizepremier- und Wirtschaftsminister Etienne Schneider mit 6.927 Followern. lmo
Unabhängig informieren
Jugendliche werden in den sozialen Medien immer stärker mit politischer Kommunikation bombardiert. Besonders ein Akteur hilft hierzulande, dass sie sich auch über prinzipielle Fragen unabhängig informieren können.
Während die klassischen Medien die täglichen News beackern und zu oft in Routinen verfallen, versucht das „Zentrum fir politesch Bildung“ (ZpB) Luxemburgs Politsystem und politische Themen an ein möglichst breites Publikum neutral zu vermitteln. Besonders interessant ist in diesem Zusammenhang die Rolle des ZpB als „Dienstleister (centre de ressources), der Bildungsprozesse und eigene Bildungsveranstaltungen initiiert, entwickelt und leitet mit Hilfe von eigens dazu ausgearbeiteten pädagogischen Materialien“.
Stichwort Pädagogik: Gerade in Schulen und Gymnasien kann ein spielerischer, aber anspruchsvoller Umgang mit politischen Inhalten das politische Bewusstsein der jungen Heranwachsenden schärfen. Denn die politische Kommunikation der Parteien kommt heute in einem vielfältigen Gewand daher, das oft selbst für das geschulte Auge nicht direkt zu erkennen ist. Gerade in Luxemburg scheint die politische Bildung im Zeitalter der sozialen Medien deswegen mehr denn je eine zentrale Rolle zu spielen. Denn auch hierzulande wird politisch manipuliert, mit „sponsored posts“ auf Facebook die eigene Propaganda verbreitet und Kritiker werden von Spindoctors angepöbelt. Selbst ein enger Mitarbeiter des Premierministers ist sich für digitale Schlammschlachten nicht zu schade. Immerhin bleiben Jugendliche im Gegensatz zu Journalisten hiervon verschont…
Interessant ist das ZpB, weil sich sein Leitbild der Bildungs- und Vermittlungsarbeit am genauen Gegenteil der politischen Kommunikation orientiert: Überparteilichkeit, politische Ausgewogenheit, Transparenz nach außen, Vernetzung und Kooperation, Gender-Mainstreaming sowie Inklusion und der sogenannte Beutelsbacher Konsens. Insbesondere Letzterer hilft Pädagogen dabei, Bildungsangebote „so zu gestalten, dass Teilnehmende eigenständig und frei von jeder Beeinflussung politische Urteile bilden können (Überwältigungsverbot) und dabei unterstützt werden, ihre eigenen Interessen zu erkennen und zu verfolgen (Interessen-/Adressatenorientierung)“. Gerade das Kontroversgebot erweist sich mit Blick auf den Umgang mit politischer Kommunikation als wichtig: Inhalte, die in der Politik und Wissenschaft kontrovers diskutiert werden, sollen auch in der Bildungsarbeit kontrovers erscheinen und nicht verwässert werden. Auch wenn das ZpB nicht die politische Tagesaktualität abbildet, versucht es unter anderem, mittels Vorträgen, Ausstellungen und Diskussionsrunden zur politischen Bildung beizutragen. Denn strukturierte Diskussionen bleiben bislang in den chaotischen sozialen Netzwerken weitgehend Wunschdenken oder sind nur auf der Ebene von Teilöffentlichkeiten möglich. sab.
Die Rhetorik
Politische Kommunikation ohne rhetorisches Talent führt auch in Luxemburg zu wenig Wählerbegeisterung. Wie schlagen sich die Politiker? Ein Überblick über die verschiedenen Kommunikationsstile.
Man kann ihm oft Inhaltslosigkeit oder Oberflächlichkeit vorwerfen, doch kaum ein Politiker hält seine Reden mit derart viel Begeisterung und Dynamik wie Premier Xavier Bettel (DP). Er versteht es am besten, Jugendliche anzusprechen, wie seine jüngsten Wahlkampfmanöver gezeigt haben. Was jedoch in dem einen Kontext sympathisch und schlagfertig wirken kann, entpuppt sich in anderen Bereichen als nervtötend. Gerade der nicht enden wollende Diskurs des „Level playing field“ (gleiche Regeln für alle) wird Bettel bis ans Ende seiner Amtszeit begleiten. Doch auch hier geht er immerhin selbstironisch damit um und weist jedes Mal selbst darauf hin, dass er jetzt wieder jeden damit nerven werde.
Was man Bettel jedoch entgegen allen berechtigten und böswilligen Kritikpunkten anrechnen muss, ist sein selbstsicheres Auftreten auf internationaler Bühne. Das Tageblatt hat ihn etwa bei seiner Visite in China und beim Treffen mit Präsident Xi Jinping begleitet. In dem durchaus delikaten Kontext war Bettel nicht mehr der verspielte „Dauerbürgermeister von Luxemburg-Stadt“, sondern der Regierungschef eines kleinen, aber ernst zu nehmenden Landes. Genau diese Schiene versucht auch CSV-Spitzenkandidat Claude Wiseler seit Monaten zu fahren. Kein Wort zu viel, keine Polemik und stets die Ruhe bewahren scheinen die Leitmotive seiner Kommunikationsstrategie zu sein. Es zeigte sich jedoch beim TV-Duell mit Bettel, dass er besonders empfindlich reagiert, wenn man ihm vorwirft, ein unentschiedener Zauderer zu sein.
LSAP-Spitzenkandidat Etienne Schneider hat wiederum seinen ganz eigenen Kommunikationsstil. Im Gegensatz zu Bettel und Wiseler kann er auch mal aggressiver argumentieren und seine Gegner durchaus hart grätschen. Allerdings gibt Schneider auf der internationalen Bühne ebenfalls den souveränen und Innovation fördernden Statesman. Während er bei Live-Auftritten, Interviews und im normalen Gespräch authentisch rüberkommt, wirkt er in TV-Streitgesprächen teilweise zu unruhig. Der grüne Spitzenkandidat François Bausch setzt wiederum auf eine Mischung der oben genannten Stile. Bei Rundtischgesprächen und TV-Auftritten bleibt er meist ruhig. Er gehört jedoch zu jenen Politikern, die per Facebook politische Entscheidungen verkünden – oder zumindest versprechen. Bausch scheut ebenfalls keine hitzigen Auseinandersetzungen mit seinen politischen Kontrahenten. Der Grüne wirkt jedoch gelegentlich ein wenig wie ein Wendehals, der es sich mit niemandem verscherzen will.
Allerdings ist dies Teil der politischen Kommunikation aller Parteien, denn im aktuellen Wahlkampf halten sich die meisten Parteien bislang noch arg zurück. sab.
Im Herbst wird gewählt, die politische PR-Maschinerie dreht auf Hochtouren. Längst reichen die klassischen Kanäle nicht mehr aus, um alle Wähler anzusprechen. Demnach tut sich etwas in Luxemburgs Wahlkampflandschaft, das vor fünf Jahren nur ein Nebenschauplatz war: Die politische Kommunikation findet immer stärker digital statt. Ist sie jedoch zeitgemäß? Genau dieser Frage wollen wir im Folgenden nachgehen. Während Lucien Montebrusco die langfristige Entwicklung der politischen Kommunikation analysiert und vor allem die Bürger in der Verantwortung sieht, kritisiert Dhiraj Sabharwal die immer blumiger werdenden Wahlkampagnen mit Lifestyle-Charakter. Eine Debatte.
Glocken-Intros und Techno
„Er/Sie war stets bemüht.“ So in etwa lässt sich die politische Kommunikation in Luxemburg bislang beurteilen. Denn die implizit mitgedachte Ergänzung „außer den Bemühungen kam nicht ganz viel“ bleibt aktuell. Ja, es mag stimmen, dass sich die politischen Parteien und Akteure spätestens seit den Gemeindewahlen brav ein Facebook-Profil zugelegt haben. Es mag ebenfalls zutreffen, dass immer mehr Politiker süße Bildchen von Flocki und der Nichte auf ihren Instagram-Accounts teilen. Doch gehören diese Oberflächlichkeiten noch in die Kategorie politische Kommunikation? Auch jenseits der sozialen Medien, die, abgesehen von amüsanten Reibereien zwischen Politikern, nur so von heißer PR-Luft durchströmt werden, zeigt sich ein ähnlich inhaltsloses Bild.
Die Kongresse sind inhaltlich staubtrocken, nur die visuelle Inszenierung und die musikalische Untermalung der Live-Events wirken ein wenig anders … man denke nur an Claude Wiselers Video beim CSV-Konvent in Ettelbrück mit dem crazy Glocken-Intro und der Motorradsequenz oder an den LSAP-Parteikongress, der in einer wilden Mischung aus Techno und Volksmusik-Mitgeklatsche endete. Da kommt Aufbruchstimmung auf. Oder auch nicht.
Bleiben also nur die harten, kühlen Inhalte: Bringt die Politik heutzutage politische Botschaften dem Zeitgeist entsprechend an den Mann? Optimisten antworten mit einem deutlichen Ja. Die demokratietheoretische Forderung des Informationsauftrags an den Journalismus – die viele mit Blick auf die klassischen Massenmedien aufgegeben haben – scheint im Zeitalter der sozialen Medien wieder realisierbar. Auf den ersten Blick stimmt es auch, dass sich die Zugangschancen zur öffentlichen Meinungsbildung für Menschen in Luxemburg außerhalb der politischen Sphäre verbessert haben. Auch die klassische Filterfunktion der Medien wurde in Luxemburg durchbrochen: alles und jeder ist mittlerweile mittels „Social Media“ erreichbar – vom Lokalpolitiker bis zum Premierminister. Die Realität scheint hierzulande dennoch ähnlich wie im Ausland zu sein: die politische Kommunikation in den sozialen Netzwerken ist dünn und oberflächlich. Sie wird zudem meist von Spindoctors, Politjunkies, Nicht-Informierten oder von Brunnenvergiftern bestimmt.
Gerade deswegen ist es in Luxemburg möglich, dass am heutigen 8. Mai 2018 nur zwei Wahlprogramme vorliegen und die Bürger am Ende vielleicht einen knappen Monat nach den Sommerferien Zeit haben, um sich mit (konkreten?) Inhalten auseinanderzusetzen. Oder auch nicht. Denn die Parteien haben den Zeitgeist verstanden. Statt auf harte Inhalte wird viel mehr auf blumige Lifestyle-Narrative gesetzt. Wer sich in der politischen Kommunikation ideologische Standpunkte, philosophische Grundlagen oder langfristige politische Ziele erwartet, wird enttäuscht. Die sozialen Medien und die Schnelllebigkeit der klassischen Massenmedien fördern eine politische Kommunikation, die auf individuelle Identitäten und Emotionalisierung setzt. Die einzigen kollektiven Momente drehen sich um negative Emotionen, wenn es mal wieder darum geht, die Menschen wegen der luxemburgischen Sprache gegeneinander auszuspielen, statt sie zu einen. Denkt man also die politische Kommunikation, die sich zurzeit vor unseren Augen entfaltet, zu Ende, ist eine persönliche Öffentlichkeit erkennbar, die sich größtenteils um individualisierte Weltanschauung dreht.
Diese dezentrale Logik macht es der Politik, zugegeben, nicht einfacher, ihr Zielpublikum zu erreichen. Denn eine strukturierte, einfach anzusprechende Öffentlichkeit gibt es auch in Luxemburg längst nicht mehr. sab.
Die Qual der Wahl
Noch nie zuvor verfügte der Bürger über so unterschiedliche Kanäle, um sich über das politische Geschehen im In- und Ausland zu informieren, wie derzeit. Das Problem besteht höchstens darin, die richtigen Quellen anzuzapfen.
Wer sich vor der rasanten Entwicklung der Online-Medien als Bürger über öffentliche Angelegenheiten informieren wollte, konnte dies vor knapp 20 Jahren noch ausschließlich über Zeitungen, Radio und TV tun, ein bisschen noch bei Parteiveranstaltungen oder im Wirtshaus, wenn er dort insbesondere in Vorwahlzeiten Politiker antraf.
Heute lädt sich die Politik über Smartphone, über Twitter, Facebook, Instagram von selbst beim Wähler bis in dessen Hosentasche ein. Wem das und die bewährten klassischen Medien nicht reichen, kann live über Chamber TV mitverfolgen, wie im Parlament Gesetzesprojekte vorgestellt bzw. von der Opposition manchmal bühnenreif zerrissen werden. Was für die Abgeordnetenkammer gilt, zählt seit einigen Jahren auch für zunehmend mehr Gemeinderäte, die ihre Sitzung streamen.
Wer beispielsweise genauer wissen wollte, was die Koalition in den letzten Jahren realisiert hat, konnte sich dies vor zwei Wochen mit der Erklärung zur Lage des Landes zu Gemüte führen. Ist diese jährlich wiederkehrende Übung allein dadurch hinfällig, bloß weil die an diesen Auftritt des Regierungschefs verknüpften Erwartungen hoch sind, Opposition und Medien anschließend frustriert feststellen müssen, dass eigentlich nichts Neues verkündet wurde?
Die Erklärung sollte auch in Zukunft Bestandteil der parlamentarischen Arbeit bleiben. Sie verpflichtet die Regierung, einmal im Jahr vor dem Land Rechenschaft über ihre Tätigkeit abzulegen, die Opposition auf Mängel und Versäumnisse hinzuweisen. Über den Zeitpunkt, in der Regel am frühen Nachmittag, mag man diskutieren können. Aber wer nachmittags den Livestream von Chamber TV nicht verfolgen konnte, kann Erklärung und Debatte zu beliebigem Zeitpunkt abrufen. Fakt bleibt dennoch: Für Quotenjagd ist Chamber TV beispielsweise ungeeignet. Folglich bleibt sie auch für die auf Wählergunst angewiesenen Abgeordneten ein sekundärer Profilierungskanal.
Ihre politischen Botschaften versuchen Parteien und einzelne Politiker zusehends über Twitter und Co. an den Mann bzw. die Frau zu bringen. Vorausgesetzt, die Interessenten sind „Freund“, „Follower“ oder „Abonnent“ von Wiseler, Schneider und Co. Wobei jeder von ihnen sein „Lieblingsmedium“ hat. Erreicht Xavier Bettel etwa auf Twitter über 66.000 Follower, sind es für Wiseler nicht mal 2.000. Wiselers Plattform ist Instagram. Doch auch hier kann er mit seinen knapp 1.000 Abonnenten dem amtierenden Regierungschef mit seinen 7.200 Followern das Wasser nicht reichen. Wollte der CSV-Spitzenkandidat die Wahlen dank neuer Medien gewinnen, müsste er noch einen Zahn zulegen.
Quantitativ wären Politiker und Parteien demnach gut aufgestellt, zumal die Großen auch eigene Kommunikationsberater haben. Streiten ließe sich über die technische und inhaltliche Qualität der übermittelten Botschaften.
Der Nachteil für den Bürger und die Demokratie: Wer sich ausschließlich über Twitter und Co. informiert, wird bestenfalls mit flinken Sätzen und/oder iPphone-Fotos bzw. -Filmchen abgespeist. Für Tiefgang eignen sich diese Kanäle nicht.
Wer mehr möchte, muss sich selbst anstrengen und suchen. Fündig wird er immer. Das ist übrigens heute nicht anders als im Analog-Zeitalter. lmo
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