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Brüssel will mehr Geld

Brüssel will mehr Geld
Günther Oettinger legte einen Haushaltsvorschlag vor, der in vielen Mitgliedstaaten aus unterschiedlichen Gründen auf Kritik stoßen dürfte

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Von unserem Korrespondenten Eric Bonse, Brüssel

Mehr Grenzschutz, mehr Verteidigung, mehr Studentenaustausch: Die EU-Kommission möchte neue Schwerpunkte setzen. Doch der Budgetentwurf für die Zeit nach 2021 hat auch Verlierer. Österreich und die Niederlande melden schon Widerstand an.

Die EU-Staaten sollen künftig mehr in den EU-Haushalt einzahlen, gleichzeitig aber Abstriche bei der Förderung aus Brüssel machen. Vor allem strukturschwache Regionen und Landwirte müssten sich auf Kürzungen einstellen, sagte EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger bei der Vorstellung seines Entwurfs für das EU-Budget ab 2021.

Der Vorschlag aus Brüssel sieht eine Erhöhung des EU-Budgets von derzeit 1,03 Prozent des europäischen Bruttonationaleinkommens (BNE) auf 1,11 Prozent vor. Für die siebenjährige Finanzperiode, die 2027 endet, macht das insgesamt 1.279 Milliarden Euro. Die größten Mehrbelastungen dürften auf Deutschland zukommen, Oettinger sprach von bis zu 12 Milliarden Euro im Jahr.

Kürzungen

Auch Luxemburg muss mit höheren EU-Beiträgen rechnen. Dies sei nötig, um die Einnahmeausfälle nach dem britischen EU-Austritt im März 2019 auszugleichen, sagte Oettinger. Durch den Brexit fällt im kommenden Jahrzehnt einer der größten Nettozahler der EU aus. Dies reißt ein riesiges Loch; jährlich fehlen 12 Milliarden Euro.

Um die Erhöhungen nicht noch höher ausfallen zu lassen, will Oettinger die Hilfen für Landwirte und strukturschwache Regionen kürzen. Im Agrarbereich seien Kürzungen von fünf Prozent, bei den Kohäsionsfonds sogar um sieben Prozent zu erwarten. Bisher machen Agrarsubventionen und Strukturhilfen den größten Teil im Budget aus. Daran wird sich auch in Zukunft nichts ändern, trotz der geplanten Kürzungen. Doch für die Zukunft setzt die EU-Kommission einige neue Akzente, die «europäischen Mehrwert» schaffen sollen. Neben dem Grenzschutz zählt dazu auch die Verteidigung und der Studentenaustausch.

So soll die Zahl der Mitarbeiter der Grenzschutzbehörde Frontex von derzeit 1.200 auf 10.000 steigen. In die Rüstung sollen jährlich bis zu zwei Milliarden Euro fließen, was einer Verdoppelung gleichkäme. Eine Verdoppelung plant Oettinger auch beim Erasmus-Programm, mit dem Auslandsaufenthalte an Universitäten gefördert werden. Vergleichsweise bescheiden fällt dagegen der Zuwachs beim Klimaschutz aus. Oettinger versprach 50 Prozent mehr Geld als bisher, um die Ziele der Pariser Klimakonferenz zu erfüllen. Nach Ansicht von Umweltschützern reichen die Mittel aber schon jetzt nicht aus. Verteilungskämpfe zeichnen sich auch bei Forschung und Innovation ab. Denn die EU fällt auch hier hinter ihre eigenen Ziele zurück.

Oettinger rechtfertigte sich mit dem Argument, er habe einen Ausgleich zwischen Mindereinnahmen durch den Brexit und Mehrausgaben für neue Prioritäten suchen müssen. Brüssel könne jedoch nicht alle Wünsche erfüllen, da diese zusammengenommen zwei Prozent des europäischen Bruttonationaleinkommens kosten würden. «Wir haben einen pragmatischen Plan vorgelegt, bei dem wir versuchen, aus weniger mehr zu machen», rechtfertigte Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker den Entwurf. Künftig würden EU-Gelder nicht mehr mit der Gießkanne verteilt. Außerdem soll bei der Vergabe erstmals auf die Rechtsstaatlichkeit in den Empfängerländern geachtet werden. Damit reagiert die EU-Kommission auf Verstöße gegen europäische Grundwerte in Ländern wie Polen, Ungarn, aber auch auf Malta. Der neue «Rechtsstaats-Mechanismus» richte sich aber nicht gegen bestimmte Länder, betonte Juncker. Es gehe vielmehr darum, verantwortlich mit dem Geld der Steuerzahler umzugehen. Wie der neue Mechanismus funktionieren soll, ließen Juncker und Oettinger offen.

Kritik von Mitgliedern

Sie wollen offenbar die Reaktion aus den Mitgliedstaaten abwarten, die den Budgetentwurf einstimmig verabschieden müssen. Dabei könnte der Plan noch am Veto einzelner Länder scheitern. Aus Österreich kam bereits Kritik. «Unser Ziel muss sein, dass die EU nach dem Brexit schlanker, sparsamer und effizienter wird», twitterte Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz.

Auch die Niederlande haben sich gegen ein höheres EU-Budget ausgesprochen. «Dieser Vorschlag ist für die Niederlande kein akzeptables Ergebnis», erklärte die Regierung gestern in Den Haag. Außenminister Stef Blok forderte in der Zeitung Het Financieele Dagblad strikte Ausgabendisziplin und eine Beibehaltung des Beitragsrabatts für sein Land. Demgegenüber wollen Juncker und Oettinger alle Rabatte streichen. Deutschland hat sich zwar grundsätzlich bereit erklärt, mehr Geld nach Brüssel zu überweisen. Die Bundesregierung will aber nicht allein zahlen. «Wir sind bereit, für eine Stärkung der EU Verantwortung zu übernehmen – dazu gehört aber eine faire Lastenteilung aller Mitgliedstaaten», erklärte Finanzminister Olaf Scholz am Mittwoch in Berlin.

Auf ein gemischtes Echo stieß der Entwurf im Europaparlament. «Ich glaube, dass die heutigen Vorschläge in die richtige Richtung gehen», sagte der Fraktionschef der Europäischen Volkspartei, Manfred Weber. Der Fraktionschef der Sozialdemokraten, Udo Bullmann, bedauerte, dass die Ausgaben nicht noch mehr erhöht werden sollten. Das Parlament hatte eine Erhöhung auf 1,3 Prozent des BNE gefordert.

Kritik kam auch aus Luxemburg. «Leider ist die EU-Kommission nur halbherzig vorgegangen, was den Stellenwert von sozialem Zusammenhalt, Innovation, Forschung und Gesundheit der Menschen und Umwelt angeht», sagte der grüne Europaabgeordnete Claude Turmes. Auch beim Klimaschutz müsse die EU-Behörde mehr tun. Sie schlägt 25 Prozent klimabezogene Ausgaben vor. Die Grünen wollen den Anteil dagegen auf 50 Prozent anheben.


Überblick über den mehrjährigen Haushaltsvorschlag

Mehr Ausgaben

Die EU legt ihre Ausgabenprioritäten in einem mehrjährigen Finanzrahmen fest. Der nächste Sieben-Jahres-Plan läuft von 2021 bis 2027. Das Budget soll von einem Prozent der EU-Wirtschaftsleistung auf 1,11 Prozent erhöht werden. In aktuellen Preisen bedeutet dies eine Steigerung auf 1.279 Milliarden Euro – 192 Milliarden Euro mehr als bisher.

Mehr eigene Einnahmen über Plastiksteuer

Die Kommission will aber auch ihre direkten Einnahmen erhöhen. Sie schlägt dazu eine Abgabe auf „nicht wiederverwertete Verpackungsabfälle aus Kunststoff“ vor. Zudem möchte Brüssel zu 20 Prozent an den Einnahmen aus dem Emissionshandel beteiligt werden und auch einen Anteil an der Körperschaftssteuer.

Mehr Geld für Forscher und Studenten

Die Mittel für Forschung und Innovation sollen um 50 Prozent steigen, damit Europa den Anschluss in Zukunftsbereichen wie der künstlichen Intelligenz, Computertechnik und Biotechnologie bekommt. Die Mittel für das Schüler- und Studentenaustauschprogramm Erasmus+ sollen verdoppelt werden. Zudem will Brüssel 700 Millionen Euro für Gratis-Interrail-Tickets für junge Menschen bereitstellen, um Europa zu erkunden.

Höhere Beitragszahlungen

Höhere Ausgaben müssen durch höhere Einnahmen gedeckt werden – und die kommen fast ausschließlich von den Mitgliedstaaten. Nettozahler werden daher etwas stärker zur Kasse gebeten, darunter auch Luxemburg. Rabatte der Mitgliedstaaten bei den Beitragszahlungen will die Kommission über einen Zeitraum von fünf Jahren abschaffen.

Kürzungen für Bauern

Die Agrarhilfen sind mit 39 Prozent bisher der dickste Posten im EU-Budget. Ihn will EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger insgesamt um rund fünf Prozent kürzen. Die Direktzahlungen für Landwirte, die sich pro Hektar errechnen, sollten aber nur um «knapp vier Prozent» sinken, sagte der deutsche Kommissar. Für deutsche Bauern stehen in diesem Bereich für den aktuellen Sieben-Jahres-Zeitraum 34 Milliarden Euro bereit.

Rotstift auch bei den Regionen

Auch bei den Strukturhilfen für die Regionen, dem zweitgrößten Posten im bisherigen Haushalt, setzt EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger den Rotstift an. Hier plant er «sieben Prozent Kürzungen». Ziel der Kohäsionspolitik ist die Angleichung der Lebensverhältnisse in der EU. Gefördert werden Projekte in Bereichen wie Verkehr, Umwelt, Energie, Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung.

Streichung von Mitteln für Demokratiesünder

Nach dem jahrelangen Streit mit der nationalkonservativen Regierung in Polen über die Justizreform und regelmäßiger Demokratiekritik an Ungarn will die EU-Kommission nun ein neues Sanktionsmittel. Sie will die Zahlung von Kohäsionsgeldern bei Verstößen künftig «aussetzen, verringern oder beschränken» können. Entscheiden sollen darüber auf Vorschlag der Kommission die Mitgliedstaaten.

Bindung von Geldern an Flüchtlingsaufnahme

Der Anspruch auf Kohäsionsmittel bemisst sich bisher vor allem nach der Wirtschaftskraft – reichere Regionen bekommen deshalb normalerweise weniger. Die Kommission will nun aber neben der Arbeitslosigkeit und dem Klimawandel auch «die Aufnahme/Integration von Flüchtlingen» berücksichtigen. Dies könnte zu Lasten osteuropäischer Staaten gehen, welche die Flüchtlingsaufnahme verweigern.

Grenzschutz

Wegen der Flüchtlingskrise und Terrorbedrohung will die EU-Kommission den Schutz der EU-Außengrenzen bis 2027 deutlich verstärken. Sie schlägt ein «stehendes Korps von rund 10.000 Grenzschützern» vor. Bisher waren bei der Grenz- und Küstenschutzbehörde Frontex bis 2020 rund tausend feste Mitarbeiter vorgesehen. Hinzu kommt eine Reserve von 1.500 Grenzschützern, die in Krisenfällen schnell an die Außengrenzen verlegt werden können.

GuyT
4. Mai 2018 - 11.54

Die EU entwickelt sich zu einem alles verschlingenden Ungetüm: Verkauft wurden dem Bürger dieses Ungetüm als friedensstiftende Gemeinschaft mit getrennten Konten (keine Vergemeinschaftlichung der Schulden) und genauen Regeln(Konvergenzkriterien) und dem Prinzip der Subsidiarität (EU sowie wie nötig sowenig wie möglich).
Entstanden ist ein Zentralstaat der nach immer mehr Macht,Geld und weniger Bürgereinfluss giert. Wenn der Bürgerwille nicht passt wird er ignoriert weil populistisch aufgehetzt und weniger schlau wie die Pläne der Hinterstubeneliten. Regeln werden gebogen bis es passt.
Gut durchschaubar ist die Taktik die Geldforderungen mit positive Schlüsselworten zu bekleiden.

frutzus
4. Mai 2018 - 7.47

Wiém geet et net och esou, dass en méi Geld brauch? Da sollen se emol spueren an d'Geld net zur Fënster erausgeheiën. Wivill Geld ass fir Topegkeeten ausginn ginn vun denen verschiddenen Länner well se net wossten wouhin matt dem ville Geld dat se vu Bréissel kritt hunn?