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Armeniens Regierungschef tritt zurück

Armeniens Regierungschef tritt zurück

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Das kleine Armenien ist in einer schwierigen Lage. Deshalb hielt sich der starke Mann Sersch Sargsjan lange für unentbehrlich – zu lange. Denn die Bürger des Landes sehen das massenhaft anders.

Tagelange Massenproteste in der Ex-Sowjetrepublik Armenien haben den umstrittenen Regierungschef Sersch Sargsjan nach knapp einer Woche im Amt zum Rücktritt gezwungen. «Die Bewegung auf der Straße ist gegen meine Regierung. Ich erfülle ihre Forderung», erklärte der 63-Jährige am Montag in Eriwan. In der Hauptstadt des kleinen Landes im Südkaukasus brach Jubel aus. Staatschef Armen Sarkissjan nahm am Abend den Rücktritt der gesamten Regierung an. Für eine Übergangszeit soll Vizeministerpräsident Karen Karapetjan kommissarisch regieren.

Die elftägige Protestwelle war die größte in einer Ex-Sowjetrepublik seit der Maidan-Bewegung in der Ukraine 2013/14, die aber in Blutvergießen mündete. In Armenien richteten sich die Demonstrationen gegen Sargsjan, weil dieser nach zehn Jahren als Präsident die Macht nicht wie versprochen abgegeben hatte. Stattdessen ließ er sich am vergangenen Dienstag zum Regierungschef wählen – ein Amt, das durch eine Änderung der Verfassung 2015 mehr Befugnisse bekommen hatte. Die zumeist jungen Demonstranten machten Sargsjan für Korruption, Vetternwirtschaft und Perspektivlosigkeit in Armenien verantwortlich.

«Armenien, Russland ist immer mit dir!»

Das Land ist durch den Dauerkonflikt mit dem Nachbarn Aserbaidschan auf Russland als Schutzmacht angewiesen. Sargsjan gilt als Politiker mit einem engen Verhältnis zu Moskau. Man verfolge die Lage bei dem Bündnispartner aufmerksam, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow: «Aber warum sollte sich Moskau einmischen?» Außenamtssprecherin Maria Sacharowa schrieb: «Armenien, Russland ist immer mit dir!»

Russland hat bislang alle durch Druck der Straße erzwungenen Umstürze in anderen Republiken streng verurteilt. Mit der Europäischen Union arbeitet Armenien in der Östlichen Partnerschaft zusammen. Das Einlenken der Staatsmacht hatte sich abgezeichnet. Die Behörden ließen den am Sonntag festgenommenen Anführer der Proteste, den Abgeordneten Nikol Paschinjan (42), wieder frei. Berichten zufolge schlossen sich auch Polizisten und Soldaten den Demonstranten an.

Paschinjan, Vorsitzender der Oppositionsfraktion Elk (Ausweg), hatte bei den Kundgebungen den Rücktritt von Sargsjan und eine Neuwahl gefordert. Am Sonntag waren etwa 280 Menschen festgenommen worden. Paschinjan habe Recht gehabt, schrieb Sargsjan nun in seiner Rücktrittserklärung. «Ich habe mich geirrt.» Unklar war zunächst, ob es zu Neuwahlen kommt oder das Parlament eine Regierung bilden wird. Für Dienstag hatte die Opposition besonders große Kundgebungen angekündigt. An dem Tag wird in Armenien traditionell des Massenmords an den Armeniern 1915-1917 im Osmanischen Reich gedacht.