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Die Plastikplage des Balkans

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Von unserem Korrespondenten Thomas Roser

Pünktlich zum Tag der Erde zieht im EU-Wartesaal selbst die Plastiktüten-Hochburg Serbien in den späten Feldzug gegen die Plastikmüllplage. Doch ob in oder außerhalb der EU: Die Einsicht in die Notwendigkeit der Reduzierung der Müllberge ist auf dem wenig umweltbewussten Balkan noch schwach entwickelt.

An dem hauchdünnen Einkaufsutensil führt auf dem Balkan bislang kaum ein Konsumentenweg vorbei. Ob die am Kiosk erworbene Zeitung, die beim Bäcker erstandenen Frühstückhörnchen, auf dem Markt ergatterte Kartoffeln oder die in Supermärkten gekaufte Kühlschrankfüllung: Meist ohne nach dem Bedarf zu fragen, versenken wieselflinke Verkäuferhände den Einkauf automatisch in einem Wust von Einwegplastiktüten.

Sehr tragkräftig sind die dünnen und darum nur spärlich bepackten und großzügig verteilten Transporthilfsmittel nicht. Auf sieben Plastiktüten pro Einwohner und Tag beziffert die Belgrader Zeitung Politika beispielsweise den stattlichen Pro-Kopf-Verbrauch beim EU-Anwärter Serbien. Sollte die Rechnung stimmen, verschleißt ein Serbe demnach 2.555 dünne Plastiktüten im Jahr – über das Zehnfache des EU-Durchschnittsverbrauch.

Plastikfetzen in Sträuchern

Wo die Plastikplage auf dem Balkan endet, ist nicht nur im Binnenstaat Serbien, sondern auch in den Küstenstaaten vor allem in den Wintermonaten mit bloßen Auge zu erkennen. Von offenen Deponien und illegalen Müllplätzen verwehte Plastikfetzen hängen in Sträuchern und Bäumen, bedecken Straßengräben und Felder. Ob Albanien, Griechenland oder Kroatien: Alljährlich vor der Touristensaison haben Räumkommandos die Strände an der Ägäis und Adria von Bergen angeschwemmten Plastikunrats zu säubern.

Zum besseren Schutz von Wasser, Flora und Fauna hatte das Europaparlament schon 2015 eine Richtlinie zu Reduzierung des Verbrauchs von dünnen Plastiktüten in der EU verabschiedet. Spät hat Griechenland zu Jahresbeginn eine Mini-Abgabe von drei Cent pro Plastiktüte eingeführt. Rumänien hat vergangenes Jahr immerhin ein Gesetz verabschiedet, das die Herstellung dünner Plastiktüten ab dem 1.Juli verbietet und deren Verwendung ab 2019 untersagen soll.

Gesetzvorlage ausgearbeitet

Pünktlich vor dem Internationalen Tag der Erde bläst im EU-Wartesaal nun auch die Plastiktüten-Hochburg Serbien zum verspäteten und noch zaghaften Feldzug gegen die Plastikmüllplage. Das Umweltschutzministerium hat in dieser Woche angekündigt, nach EU-Modell noch in diesem Jahr eine entsprechende Gesetzvorlage auszuarbeiten, die 2019 verabschiedet werden soll.

Gar so lange mag die vom belgischen Delhaize-Konzern geführte Einzelhandelskette «Shop & Go» nicht mehr warten: Deren landesweit 170 Läden haben in dieser Woche erstmals eine symbolische Öko-Abgabe von 2 Dinar (1,7 Eurocent) pro Plastiktüte eingeführt.

Spitzenreiter Irland

In dem Land, in dem erst 2015 die ersten Altglas-Container aufgestellt wurden und Mülltrennung nur eine Sache der im Abfall nach Papier, Metall und Essensresten suchenden Armen scheint, ist die kostenpflichtige Abgabe von Plastiktüten eine kleine Revolution: Nicht alle Kunden zeigten in ersten Reaktionen für deren Notwendigkeit Verständnis.

Doch auch wenn der Balkan in Sachen Umweltbewusstsein Mittel- und Nordeuropa noch immer weit hinterherhinkt, werden die größten Plastikmüllberge des Kontinents unvermindert von Europas wohlhabenderen Konsumgesellschaften produziert. So produzieren laut einer Studie von 2015 die Iren mit 61 Kilogramm pro Kopf und Jahr am meisten Plastikabfall in der EU. Die Bulgaren tragen hingegen mit 14 Kilogramm am wenigsten zum EU-Plastikmüllberg bei – obwohl sie in der EU am meisten dünne Plastiktüten verschleißen.