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Dürfen und sollen

Dürfen und sollen

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Francis Wagner bringt in seinem Leitartikel die Grundsätze von Kant und das tägliche Verkehrschaos übereinander.

Legionen unserer Mitbürger nutzen grundsätzlich nie den kommunistischen öffentlichen Transport. Sie würden sich lieber steinigen und vierteilen lassen, als sich zur «Mobilité douce» zu erniedrigen. Und einen Fremden, zu allem Überdruss einen französischsprachigen, in ihrem fahrbaren Konsumtempel – ihrem Auto – mitzunehmen, erschiene ihnen gar noch schlimmer als Kinder schänden.

So weit, so gut. Die alle dürfen das nämlich, und es will ihnen auch niemand es verbieten.
Die dürfen das. Die entscheidende Frage ist indes, ob sie es auch sollen.
Und hier kommt dann das Erwachsensein ins Spiel. Erwachsen sein heißt im Wesentlichen, willens und in der Lage zu sein, die Konsequenzen des eigenen Tuns so weit wie möglich zu erkennen, ihnen Rechnung zu tragen und dafür die Verantwortung zu übernehmen.
Wie aus den Diskussionen um unsere Verkehrssituation immer wieder hervorgeht, gehen den meisten Autofahrern die Konsequenzen ihres Handelns, nämlich dessen Impakt auf das Allgemeinwohl und die Umwelt, vollumfänglich am Allerwertesten vorbei. Sie blicken aus Prinzip nie über den Tellerrand ihrer eigenen Partikularinteressen hinaus.

Das ist nicht nur rücksichtslos. Aus dem eben Dargelegten geht hervor, dass es obendrein kindisch ist. In diesem Zusammenhang ist der «kategorische Imperativ» des alten Kant von Interesse. Und der geht so: «Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.» Allgemeinverständlicher formuliert geht es hier um folgende Frage: «Ist es eigentlich möglich, dass ein jeder so handelt, wie ich handele, ohne dass uns deswegen der ganze vermaledeite Saftladen demnächst mit Karacho um die Ohren fliegt?»

Und was geschieht, wenn genügend Zeitgenossen prinzipiell nur alleine im eigenen Auto unterwegs sind?

Nun, der Saftladen zerbirst zweimal täglich, pünktlich zur Rushhour, in sämtliche, individualmotorisierte Atome. 250.000 leere Autositzplätze, ausgerechnet während der Hauptverkehrszeit, kennen da keine gottverdammte Gnade!

Man darf eines nie vergessen: Worum es hier im Kerne geht, ist der «Bürgersinn», der «Esprit civique», die Rücksicht, die der Einzelne auf die Interessen des Gemeinwesens zu nehmen gewillt ist. Und wer zumindest einen Teil seiner Wege mit dem ÖT zurücklegt, sich auf den Drahtesel schwingt oder pedibus apostolorum einherwandelt, verhält sich nun mal auf eine sozial verantwortungsbewusstere und verträglichere Weise als derjenige, der einfach stur und ohne Rücksicht auf Verluste darauf besteht, sich ausnahmslos immer und zumeist alleine an Bord seines geheiligten Blechfetischs fortzubewegen.
It’s the friggin’ mentality, stupid!

roger wohlfart
20. April 2018 - 18.02

Danke für die prompte Antwort. Bravo!

Francis Wagner
20. April 2018 - 17.46

Selbstverständlich. Aber ich fahre auch regelmäßig Auto. Nur halt nicht in der Rush Hour. Da ist die Bahn wesentlich schneller, selbst wenn sie mal ein par Minuten Verspätung haben sollte.

roger wohlfart
20. April 2018 - 14.16

Herr Wagner (...) benutzen Sie regelmässig die öffentlichen Transportmittel?

Francis Wagner
19. April 2018 - 14.09

Herr "Konecznhy", im Ausland funktioniert das Covoiturage recht leidlich, bloß hier in Luxemburg ist dies für 99% der Eingeborenen, aus welchen mysteriösen Gründen auch immer, grundsätzlich unmöglich. Für den Rest habe ich nicht über Ihre persönliche Situation zu urteilen, sie braucht mich indes auch nicht zu interessieren.

Konecznhy
18. April 2018 - 22.04

Ech wees leider net, wou ech déi 4 Léit géif fannen, déi ech keint mathuelen op d'Schaff..... schons bei engem Eenzegen wier et schwéier... :-) (...)

Francis Wagner
18. April 2018 - 20.01

Die 250.000 leeren Sitze sind eine materielle Realität und damit nicht "schwer mit der Wirklichkeit zu verbinden" weil sie Teil der Wirklichkeit sind. Die Behauptung, dass die vier leeren Sitze in einem Auto mit nur einem Insassen "Statistik" seien, ist mithin Quatsch. Ihre merkwürdige Aussage, dass "also in der regel keine “eingeborenen”, die autobahnen verstopfen" ist im Übrigen tatsächlich "schwer mit der Wirklichkeit zu verbinden"

Scholnier
18. April 2018 - 10.08

" Unser Zeitalter ist das Zeitalter der Kritik, der sich alles unterwerfen muß," schrieb Kant. Gesellschaftliche Veränderungen brauchen Ziel, sehr viel Zeit.Geben wir der Zeit etwas Spielraum, Veränderungen zuzulassen. Der von Ihnen zitierte Saftladen fliegt uns eher um die Ohren, indem wir weiter militärische Aufrüstung und Wahn zulassen, die Kriegstreiber nicht stoppen.

armand
18. April 2018 - 10.04

die 250.000 leeren sitze sind statistik und nur sehr schwer mit der wirklichkeit zu verbinden. auch lassen sich die staus nicht durch rassismus :-) erklären, weil eben sehr viele frontaliers, also in der regel keine "eingeborenen", die autobahnen verstopfen. aber in einem punkt haben Sie schon recht.. die rücksicht hält dort auf wo man selbst emmerdéiert wird.

Grober J-P.
18. April 2018 - 10.02

Der öffentliche Nahverkehr muss komplett neu überdacht werden. Z.B. haben Sie mal versucht in kürzester Zeit, auf direktem Wege und zu einer bestimmten Zeit, von Rodingen auf den Kirchberg zu gelangen? Versuchen Sie es mal!