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Ungarn wählt – und Lynn Wolff ist mit dabei

Ungarn wählt – und Lynn Wolff ist mit dabei

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«Ich bin schon etwas aufgeregt», sagt Lynn Wolff. Der Sonntag wird kein gewöhnlicher Tag für die luxemburgische Studentin sein – im Gegenteil. Sie hat sich in letzter Zeit intensiv auf den großen Moment vorbereitet. Am Sonntag wird in Ungarn ein neues Parlament gewählt. Ministerpräsident Viktor Orban geht mit seiner rechten Partei Fidesz als Favorit ins Rennen. Trotzdem ist alles offen. «Es ist die ungewisseste Wahl seit Jahren», meinte kürzlich der Analyst Péter Krekó gegenüber dem Tageblatt (Hier geht es zum Premium-Artikel). Und Wolff wird mittendrin sein.

Die Studentin wird am Sonntag mit einem Partner, einem Fahrer und einem Dolmetscher in Ungarn bis zu zehn Wahllokale abklappern. Wolff ist nämlich Wahlbeobachterin und soll kontrollieren, ob alles mit rechten Dingen abläuft. Eine Premiere für die Luxemburgerin, die Osteuropa bisher lediglich durch ihr Auslandssemester in der tschechischen Hauptstadt Prag kennt.

Ihre Mission begann an ihrer Universität in Dänemark, wo sie gerade einen Master in «European Studies» macht. «Wir saßen in einer Vorlesung, als eine Frau in den Saal kam und uns erklärte, dass ihre Organisation noch nach Beobachtern für die ungarischen Wahlen sucht», erzählt Wolff. Die Frau, die für die NGO «Support Initiative for Liberty and Democracy» arbeitet, konnte die Studentin überzeugen. Sie bewarb sich. «Ich wollte sehen, wie Wahlen in einem anderen Land ablaufen», erklärt sie ihre Entscheidung. Außerdem war es eine gute Gelegenheit, ein paar Menschen aus dem Ausland kennenzulernen und Näheres über die ungarische Kultur und Politik zu erfahren.

Orban gegen die Union

Da sie noch nie Wahlbeobachterin war, musste die junge Frau aus Niederkerschen auf ihre Aufgabe vorbereitet werden. Sie belegte Kurse bei der OSZE, einer Sicherheitsorganisation, die schon seit Jahren Beobachter in die ganze Welt schickt. Seit 1998 auch nach Ungarn. In sieben Lektionen wurde den Neulingen beigebracht, auf was sie achten müssen und welche Rechte sie haben. Dann konnte es auch schon losgehen. Wolff flog nach Ungarn, wo sie in einer Marathonwoche NGOs und Politiker traf. «Das war schon ziemlich interessant, die gegensätzlichen Aussagen der beiden Seiten zu hören», findet sie.

Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban

Tatsächlich sind internationale Organisationen wie Amnesty und Transparency gerade nicht so gut auf die ungarische Regierung zu sprechen. Orban hat erst kürzlich seinem Parlament ein Gesetzespaket vorgelegt, das NGOs zwingen wird, beim Innenministerium eine Lizenz zu beantragen. Wird diese abgelehnt, dürfen die Organisationen ihre Arbeit nicht fortsetzen. Mit dieser Maßnahme und mit seiner harten Anti-Immigrations-Politik hat sich Orban nicht nur Freunde in der EU gemacht. Der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn hat ihn erst im Februar dieses Jahres mit einem Diktator verglichen. Der ungarische Außenminister entgegnete, Asselborn sei ein Idiot.

«Wir müssen komplett neutral bleiben»

Wolff darf sich von solchen Sachen nicht beeindrucken lassen. «Wir müssen komplett neutral bleiben», erklärt die Studentin. «Wir dürfen uns nicht auf die Seite einer Partei stellen oder Ungarn mögen oder nicht mögen.» Die Beobachter sollen, wie ihr Name es schon sagt, nur beobachten. Vor allem kommt aber am Sonntag eine Menge Arbeit auf Wolff zu. Acht bis zehn Wahllokale wird sie abklappern müssen. «Wir müssen pro Station mindestens eine halbe Stunde bleiben», sagt die Luxemburgerin. So sollen sich die Beobachter ein gutes Bild der Situation machen können. Fällt ihnen irgendetwas Ungewöhnliches auf, wird das notiert.

Der Aufenthalt im letzten Wahllokal wird etwas länger dauern. Hier muss Wolff für die Auszählung bleiben, um aufzupassen, dass alles glatt läuft. Am Abend dann schreibt sie ihren Bericht, den sie der NGO schickt, für die sie arbeitet. Diese wiederum leitet sie weiter an die OSZE und stellt sie für alle Interessierten zur Verfügung. Die Arbeit von Lynn Wolff ist dann getan und sie kann sich am Sonntagabend mit einem ruhigen Gewissen ins Bett legen.

Ihre letzte Etappe: die große Pressekonferenz am Montag. Hier wird die OSZE ihre Resultate vorstellen. Bei den letzten Parlamentswahlen im Jahr 2014 kam Ungarn übrigens eher schlecht davon. Während die Wahl selbst eher sauber ablief, kritisierte die Organisation vor allem, dass sich Orban auf die wohlwollende Berichterstattung der regierungstreuen Medien verlassen konnte.