Headlines

Worum es beim EU-Gipfel geht

Worum es beim EU-Gipfel geht

Jetzt weiterlesen! !

Für 0.99 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Streit mit den USA, Spannungen mit Russland: Globale Krisen überschatten den EU-Gipfel in Brüssel am Donnerstag und Freitag. Eigentlich wollten Bundeskanzlerin Angela Merkel und die übrigen Staats- und Regierungschefs ruhig und geordnet die aktuellen Baustellen der Europäischen Union bearbeiten – die gemeinsame Wirtschaftspolitik, die Reform der Eurozone, die Beziehungen zu Großbritannien nach dem Brexit. Doch dann drängten ganz andere Themen auf die Agenda.

Der Fall Skripal

Nach dem Giftanschlag auf den Ex-Doppelagenten Sergej Skripal und dessen Tochter bezeichnen EU-Diplomaten die Lage als sehr ernst. Großbritannien macht Moskau für die Attacke mit einem militärischen Nervengift verantwortlich. Der Gipfel wird sich positionieren – die Frage ist nur wie. Am Montag konnten sich die Außenminister der 28 Länder nicht auf klare Schuldzuweisungen in Richtung Russland verständigen. Griechenland etwa forderte, dass erst einmal die Ermittlungen abgeschlossen werden müssten. Die Gipfelerklärung soll nach Angaben von EU-Diplomaten schärfer werden und einen besseren Schutz vor künftigen Attacken beschwören. Russland wird wohl in jedem Fall auffordert, zur Aufklärung des Anschlags beizutragen.

Der Handelsstreit mit den USA

Von diesem Freitag an wollen die USA auf Stahl- und Aluminiumimporte Schutzzölle erheben. Noch am Mittwoch rang EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström in Washington um eine Ausnahme für Europa, konnte aber noch keinen Durchbruch vermelden. Beim EU-Gipfel muss nun eine schwierige Gratwanderung gelingen: Auf der einen Seite will die EU zeigen, dass sie trotz unterschiedlicher Interessen geschlossen auf die Einschränkung des freien Handels reagieren wird und auch vor Vergeltungszöllen nicht zurückschreckt. Auf der anderen Seite wird sie versuchen, die Hand in Richtung Washington ausgestreckt zu lassen. Ein Handelskrieg kennt nur Verlierer, lautet das Motto.

Wie geht es weiter mit der Türkei?

Im Krisenmodus ist die EU auch seit Monaten mit der Türkei. Zwar bleibt Ankara ein wichtiger Partner im Flüchtlingsabkommen – in vielen anderen Politikfeldern aber knirscht es gewaltig. So beklagt die EU Rechtsstaatsmängel und sieht auch das türkische Vorgehen im kurdischen Nordsyrien sehr kritisch. Die in Aussicht gestellte EU-Visumfreiheit für Türken scheiterte bislang daran, dass die EU die Bedingungen nicht erfüllt sah. Die EU-Beitrittsverhandlungen liegen auf Eis. All das soll Thema beim EU-Türkei-Gipfel am Montag im bulgarischen Warna sein. Aber kommt es überhaupt zu dem Treffen? Im Dezember hatte EU-Ratschef Donald Tusk das noch in Frage gestellt, unter anderem wegen eines Konflikts über Gasbohrungen vor Zypern. Nun scheinen die Hindernisse aber ausgeräumt, wie EU-Beamte sagten.

Steuern für Digitalkonzerne

Globale Internetkonzerne wie Google und Facebook machen in der EU gute Geschäfte, können aber recht einfach Steuern vermeiden, wenn sie ihre Firmenzentrale in ein Land mit niedrigen Sätzen verlegen. Die EU-Kommission will dies ändern und die europäischen Umsätze der Unternehmen zur Besteuerung heranziehen. Die Vorschläge sind beim Gipfel Thema, allerdings ist kein Konsens in Sicht. Irland zum Beispiel beherbergt Facebooks internationales Hauptquartier und dürfte Vorbehalte haben, ein Veto hat Dublin nicht ausgeschlossen. Kritiker sagen, die EU solle nicht alleine vorpreschen mit der Digitalsteuer, sondern auf eine globale Lösung setzen. Ratschef Donald Tusk will erst einmal eine Grundsatzdebatte.

Brexit

In den Verhandlungen mit Großbritannien über den 2019 anstehenden Austritt meldete die EU zuletzt Fortschritte: Über 70 bis 80 Prozent des Austrittsvertrags sei man sich einig, darunter auch Abmachungen über eine Übergangsfrist nach dem Brexit bis Ende 2020. Den Zwischenstand dürften die 27 bleibenden Länder am Freitag wohl absegnen. Schwieriger wird die nächste Etappe: Wie eng sollen EU und Großbritannien nach der Trennung noch bei einander bleiben? London meint: Sehr eng, eigentlich fast so eng wie bisher, nur mit mehr Freiheit für Britannien. Die EU will hingegen Pflöcke einrammen: Ein Nicht-Mitglied kann nie dieselben Vorteile haben wie ein Mitglied der EU, lautet das Mantra. Wie weit sie gehen wollen, müssen sie erst einmal unter sich klären.

Reform der Eurozone

Die Eurozone muss sich besser vor Finanz- und Währungskrisen schützen – darüber besteht Einvernehmen. Wie das geschehen soll, ist allerdings völlig offen. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron ist mit einer ganzen Reihe von Forderungen vorgeprescht – etwa einem eigenen Haushalt für die Eurozone. Eine gemeinsame Position mit Bundeskanzlerin Angela Merkel gibt es noch nicht. Die Debatte der 19 Euro-Staaten am Freitag konzentriert sich deshalb zunächst nur darauf, ob die Eurozone einen permanenten Krisenfonds braucht und wie er aussehen könnte. Etliche EU-Länder sind skeptisch, darunter die Niederlande, Finnland und sechs weitere Mitgliedsstaaten.