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Ein Jahr Steinmeier: Aus Erfahrung gut

Ein Jahr Steinmeier: Aus Erfahrung gut
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Frank-Walter Steinmeier hat als Bundespräsident Deutschland Instabilität erspart, manche sprechen sogar von italienischen Verhältnissen.

Sehr wahrscheinlich hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier seinen wichtigsten Satz schon im jetzt abgelaufenen ersten Jahr seiner Amtszeit gesagt: «Wer sich in Wahlen um politische Verantwortung bewirbt, der darf sich nicht drücken, wenn man sie in den Händen hält.» Das war am 20. November vergangenen Jahres, ein Tag nach dem krachenden Ende der «Jamaika»-Gespräche und nach der erneuten Ankündigung der SPD, in keine große Koalition eintreten zu wollen.

Von unserem Korrespondenten Hagen Strauß

Dank Steinmeiers Intervention ist es anders gekommen. Er hat dem Land Instabilität erspart, manche sprechen sogar von italienischen Verhältnissen. Insofern ist es ein Glücksfall, dass Steinmeier seinerzeit bereits Staatsoberhaupt gewesen ist. Seine langjährige Erfahrung im politischen Alltagsgeschäft, die ihm anfänglich eher als Nachteil ausgelegt worden ist, hat sich in der Zeit der Krise klar als Vorteil erwiesen.

Unspektakulärer Beginn

Denn in diesem historischen Moment, in dem es auf den Bundespräsident ankam, hat er gewusst, was noch zwischen den Parteien gehen kann und dass man die Wähler nicht so oft wählen lassen kann, bis der Politik das Ergebnis passt. Das klingt wie eine Selbstverständlichkeit. Aber zum damaligen Zeitpunkt war es das nicht, wenn man bedenkt, wie sehr sich die Akteure politisch und persönlich verhakt hatten.

Bis zum besagten Novembertag war Steinmeiers Präsidentschaft unspektakulär. Mit Ausnahme vielleicht seiner Rede zum Tag der Deutschen Einheit. Er sei ein Lernender, hat er zu Beginn seiner Amtszeit gesagt. Aus dieser Phase ist er nun heraus – und inzwischen können die anderen von ihm lernen. Denn Steinmeier hat im ersten Jahr in Schloss Bellevue als unbedingter Anwalt des Grundgesetzes agiert, auch gegen die Interessen seiner eigenen Partei. Das zeigt, wie ernst er seine Rolle nimmt. Zugleich hat er dadurch endgültig das Thema seiner Präsidentschaft gefunden, mit dem er nun durch das Land reist: die Verteidigung der Demokratie.

Für Demokratie begeistern

Bei seiner Rede gestern in Mainz ist das noch einmal deutlich geworden, als er davor gewarnt hat, antidemokratische Akteure einfach gewähren zu lassen. Der Präsident will die Bürger wieder für die Demokratie begeistern. Das ist seine schwierige, aber nicht unlösbare Zielsetzung. Vor allem ist sie genau richtig in Zeiten des Populismus und der politisch schärfer werdenden Konfrontation. Steinmeier mischt sich ja mittlerweile auch deutlich hörbarer ein, selbst in tagespolitische Fragen. So äußerte er sich zum Streit um die Essener Tafel und bezog Stellung zur umstritten Aschermittwochsrede des AfD-Mannes Poggenburg. Demokratie heißt eben auch Streit. Ein Streit allerdings, der den Kompromiss sucht und nicht ausschließlich die Konfrontation.

Nun wacht der Präsident über eine große Koalition, die sich gleich zu Beginn schon über den Konflikt definiert, deren Minister wie Horst Seehofer oder Jens Spahn mit Grundsatzdiskussionen die gesellschaftliche Polarisierung suchen. Geht das so weiter, kann es sein, dass sich Steinmeier alsbald wieder mahnend vorwagen muss. Aber das beherrscht er ja.