Der flüchtige Ex-Präsident Kataloniens verzichtet «vorübergehend» auf eine neue Kandidatur. Sein Vorschlag für einen Ersatzkandidaten spaltet die Front der Separatisten in der Region.
Von unserem Korrespondenten Heinz Krieger
Spanien boomt und Katalonien dümpelt vor sich hin. Mehr als 82 Millionen Touristen sind im vergangenen Jahr nach Spanien gekommen. Ein neuer Rekord. Kataloniens Hotellerie und Gastronomie meldet dagegen Einbußen zwischen 20 und 30 Prozent. Immer mehr Arbeitsplätze gehen verloren, mehr als 3.500 Firmen haben Katalonien verlassen, seit im Oktober die Unabhängigkeit ausgerufen wurde, was zwangsläufig zum Eingreifen der Regierung in Madrid führen musste.
Eingeschränkter Verzicht
Dennoch hat das Parlament in Barcelona am Donnerstag die Kandidatur des vor dem Zugriff der spanischen Justiz nach Belgien geflüchteten abgesetzten Regionalpräsidenten Carles Puigdemont in einer Abstimmung, die von der Opposition boykottiert wurde, für rechtmäßig befunden. Ein Antrag, auch die Unabhängigkeitserklärung für gültig zu erklären, wurde allerdings abgelehnt.
Dass Puigdemont, trotz Abwesenheit, zum Regionalpräsidenten gewählt werden müsse, stand für die Abgeordneten seiner Wahlliste Junts pel Catalunya (JxC) zu diesem Zeitpunkt noch fest. Wenige Stunden später wurden sie bitter enttäuscht. In einem über die sozialen Netzwerke verbreiteten Video verzichtete der Mann aus Waterloo – der neue Wohnsitz Puigdemonts – auf die Kandidatur. «Vorübergehend», wie er sagte. Irgendwann wolle er noch einmal antreten.
Sanchez hat keine Chance
Jetzt schlug er einen Ersatzkandidaten vor, der die anderen separatistischen Parteien im katalanischen Parlament aufbringt. Weder die Linksrepublikaner (ERC) noch die radikal linke CUP sind mit einer Kandidatur von Jordi Sanchez einverstanden, wie es Puigdemont jetzt will.
Der frühere Präsident der Katalanischen Nationalversammlung ANC – die trotz des amtlich klingenden Namens eine private Veranstaltung ist – kann ebenso wenig antreten wie Puigdemont selber. Er sitzt in Untersuchungshaft und müsste vom Richter Hafturlaub bekommen, um an der Wahl in Barcelona teilnehmen zu können.
Bei der Wahl ist persönliche Anwesenheit Pflicht. Hafturlaub gilt als ausgeschlossen, denn Sanchez sitzt nicht nur wegen Beteiligung an dem auch Puigdemont vorgeworfenen Umsturzversuch gegen den Staat im Gefängnis, sondern auch wegen Gewalttätigkeit gegen Richter und Polizeibeamte beim Unabhängigkeitsreferendum im Oktober. Auch politisch ist Sanchez bei ERC und CUP umstritten.
Die ERC hatte eine erneute Kandidatur Puigdemonts zögernd akzeptiert, um die Einheit der Separatistenfront zu wahren. Jetzt will man aber den eigenen Vorsitzenden Oriol Junqueras als Kandidaten. Der sitzt zwar auch wegen der Puigdemont-Delikte in Ermittlungshaft, hat aber vor dem Obersten Gericht erklärt, er sei inzwischen zum Einhalten der Verfassungsvorschriften in Katalonien bereit.
Regierung sieht Gespensterdebatte
Die Regierung lege die Entscheidung in die Hände der Gerichte, sagte Vize-Regierungschefin Soraya Saenz de Santamaria. «Die Katalanen verdienen einen Präsidenten, der sein Amt in vollem Umfang ausüben kann.» Das gehe weder vom Gefängnis noch vom Ausland aus.
Justizminister Rafael Catala nahm in einer Pressekonferenz nach der Kabinettsitzung am Freitag, in der auch über die seit Dezember laufende bisher erfolglose Suche nach einem neuen Regionalpräsidenten gesprochen worden war, zu angeblichen Plänen Puigdemonts für eine Parallel-Regierung in Belgien Stellung. Das sei außerhalb der Realität, regiert werde Katalonien in Barcelona. Regierungssprecher und Bildungsminister Iñigo Mendez de Vigo sprach von einer «Gespensterveranstaltung».
Bis in Barcelona ein neuer regionaler Regierungschef im Rahmen von Verfassung und Landesstatut gewählt ist, gilt die Zwangsverwaltung der Region durch Madrid weiter. Parlamentspräsident Roger Torrent muss jetzt einen anderen mehrheitsfähigen Kandidaten suchen und zur Abstimmung vorschlagen.
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