Von unserem Korrespondenten Eric Bonse, Brüssel
Die überraschende Beförderung des deutschen Juristen Martin Selmayr zum neuen Generalsekretär der EU-Kommission hat ein Nachspiel. Der Personalrat der Brüsseler Behörde sowie der Chef der deutschen Grünen-Gruppe im Europaparlament, Sven Giegold, fordern eine Untersuchung. Die Rede ist von Verfahrensfehlern und Vetternwirtschaft.
Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hatte seinen Kabinettschef am vergangenen Donnerstag im Eilverfahren befördert. Selmayr sei erst zum stellvertretenden Generalsekretär und kurz darauf zum Generalsekretär der Brüsseler Behörde ernannt worden, bestätigte ein Kommissionssprecher einen am Montag veröffentlichten Bericht der französischen Tageszeitung Libération.
„Komplott“
Doch während dabei nach offiziellen Angaben alles mit rechten Dingen zugegangen ist, spricht „Libé“ von einem „Komplott“, bei dem die internen Regeln verletzt worden seien. So habe Selmayr, der nie in der Kommissionsverwaltung tätig war, nicht den eigentlich nötigen Dienstgrad. Laut Reglement dürften nur Generaldirektoren und ihre Stellvertreter, nicht aber „einfache“ Direktoren wie Selmayr das höchste Amt der EU-Behörde antreten.
Deshalb habe sich Selmayr zunächst auch nur für das Amt des stellvertretenden Generaldirektors beworben. Kurz danach sei jedoch der bisherige Amtsinhaber Alexander Italianer zurückgetreten – und Selmayr sei sofort in die Bresche gesprungen. „Zwei Beförderungen in weniger als einer Minute, das hat es noch nie gegeben, das ist Weltrekord“, mokiert sich Libération.
„Rasputin von Brüssel“
Juncker erklärte die Blitz-Beförderung damit, dass das Amt des Generalsekretärs zu wichtig sei, um es unbesetzt zu lassen. Der Luxemburger sagte aber auch, er habe schon seit Jahren vom bevorstehenden Rücktritt Italianers gewusst. Dies legt den Verdacht nahe, dass Juncker getrickst haben könnte, um seinen mächtigen Kabinettschef zu befördern – oder sich seiner zu entledigen. Schließlich ist Selmayr in der mehr als 30.000 Köpfe starken Behörde umstritten. Sogar EU-Kommissare werfen dem 47-Jährigen selbstherrliche Entscheidungen und autoritären Führungsstil vor. Die Medien haben Selmayr wenig schmeichelhafte Spitznamen wie „Junckers Monster“ oder „Rasputin von Brüssel“ gegeben.
Unklar ist die Rolle des deutschen EU-Kommissars Günther Oettinger. Der CDU-Politiker ist auch für Personalfragen in der Behörde zuständig – und hätte Selmayrs Beförderung eigentlich vorher zustimmen müssen. Doch vom entscheidenden zweiten Schritt zum Generalsekretär soll auch Oettinger nichts gewusst haben. Anschließend habe er die Entscheidung jedoch – wie auch alle anderen EU-Kommissare – mitgetragen, teilte ein Sprecher mit.
Die Grünen wollen die „Nacht-und-Nebel-Aktion“ nun vor den Haushaltskontrollausschuss bringen, wie der EU-Abgeordnete Giegold ankündigte. „Die Vergabe von Top-Positionen in öffentlichen Institutionen ohne offene Ausschreibung ist eine Unsitte“, kommentierte Giegold. Dies begünstige „Bekannte gegenüber den Besten“.
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