Von unserer Korrespondentin Barbara Barkhausen
Leanne Ratcliffe hat ihr Alltagsleben in Australien zurückgelassen und lebt nun nackt im südamerikanischen Dschungel. Im Internet verklärt sie den neuen «freien» Lebensstil – Hitze, Moskitos und anderes verschweigt sie. Tausende Followers stört das wenig.
Eine Australierin, die seit Jahren als sogenanntes «Banana Girl» wegen ihrer Extremdiät aus Bananen Schlagzeilen gemacht hat, ist nun noch einen Schritt weiter gegangen: Laut ihrer Profile auf sozialen Medien ist Leanne Ratcliffe, die sich inzwischen Freelee nennt, in den Dschungel Südamerikas gezogen und lebt dort nun vollkommen naturbelassen und abgekoppelt vom Versorgungsnetz.
Dazu gehört, dass die Australierin, deren radikaler Lebensstil durchaus umstritten ist, angeblich keinerlei Kleidung mehr trägt, nur noch Bio-Obst und -Gemüse isst, ihre Körperhaare nicht mehr rasiert und auch auf Make-up verzichtet.
«Jetzt arbeite ich im Dschungel»
«Früher habe ich in einem Beton-Dschungel gearbeitet», schrieb sie auf Instagram. «Jetzt arbeite ich nur im Dschungel.» Sie sei eines Morgens aufgewacht und habe sich vor ihrem Arbeitstag gefürchtet. «Ich war von 9 bis 17 Uhr Zwang erschöpft.» Jeden Tag wieder habe sie sich in ein Kostüm gezwängt, sich geschminkt und ihre Füße in Stöckelschuhe gestopft und den Leuten etwas vorgespielt.
«Ich hatte es satt, mein Leben wegzuarbeiten und jemand anderen reich zu machen, aber vielleicht das Schlimmste war: Mir war langweilig.» Deswegen habe sie sich von dieser Sklaverei befreit und sei in den Dschungel gezogen. «Ich verbringe den größten Teil meines Tages nackt: Frei von einschränkender Kleidung», schrieb sie nun. «Ich dusche im Monsunregen und trinke aus klaren Bächen.»
Verklärter Lebensstil fasziniert Tausende
Der verklärte Lebensstil, den die Australierin beschreibt, zieht im Internet Tausende Followers an. Über 200.000 Menschen folgen ihr auf Facebook, 360.000 auf Instagram und fast 750.000 haben ihren YouTube-Kanal abonniert, auf dem sie beispielsweise Yoga und exotische Früchte aus ihrer eigenen Zucht vorführt oder Ökotoiletten baut.
Doch wie viel von ihrem «freien» Leben im Dschungel wirklich wahr ist, lässt sich schwer nachweisen. Denn auf Interviewanfragen reagiert Ratcliffe nicht und auch auf die Tücken des Dschungels – Moskitos und andere Insekten, Giftschlangen und Spinnen, die intensive Sonne, die zumindest am Strand für die hellhäutige blonde Frau Sonnencreme nötig machen würde – geht sie nicht ein.
Plädoyer für «Zurück zur Natur»
Dass trotzdem Tausende an den Lippen der Australierin hängen, liegt wohl nicht zuletzt daran, dass sie ihre eigenen Probleme, die ihr Leben früher bestimmten, so offen schildert, darunter Drogenabhängigkeit und Essstörungen. «Als junge Frau war ich besessen von meinem Aussehen», schrieb sie in einem Post. Sie habe Stunden am Tag damit verbracht, sich zu analysieren und zu vergleichen, und nicht, weil sie eitel gewesen sei, sondern weil sie «ein Gesicht voller Unvollkommenheiten» gesehen habe.
«Ich glaubte die Geschichte, die mir durch Werbung vermittelt wurde, dass ich voller Fehler geboren wurde und dringend Verbesserungen brauchte.» Sie habe ihre Haut gehasst, besonders ihre Sommersprossen. «Mein Lächeln war zu eng und meine Zähne zu krumm, meine Oberlippe zu dünn, die Augen nicht groß genug, meine Haare zu fein.» Jetzt wo sie stundenlang die Natur erforsche und im Dreck und in den Bächen spiele, viele Monate ohne Make-up, falsche Wimpern und Cremes verbracht habe, fühle sie sich dagegen befreit wie nie zuvor.
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