Im Elyséepalast wird demnächst nicht nur ein Hund aus dem Tierheim leben, sondern auch zwei Hühner: Agathe und ihre Schwester sind Staatspräsident Emmanuel Macron bei seinem Rundgang zur Eröffnung der 55. Internationalen Pariser Landwirtschaftsmesse geschenkt worden. In den Messehallen «Porte de Versailles» erhielt Macron die Tiere vom Generaldirektor der Firma Loué, dem größten Hühnerzüchter Frankreichs, geschenkt: «Damit er jeden Morgen zum Frühstück frische Eier hat!», sagte der Chef.
Es war einer der wenigen Augenblicke beim Rundgang des Staatspräsidenten, wo es etwas zu lachen gab. Ansonsten hörte Emmanuel Macron die Klagen eines Wirtschaftszweiges in der Krise.
Etwa 1.000 Aussteller finden sich auf dem Gelände. Um die 630.000 Besucher werden erwartet, darunter um die 32.000 Landwirte. Es gibt kein wichtigeres landwirtschaftliches Ereignis als diese Ausstellung im Laufe eines Jahres. Staatspräsident Macron hatte im Vorfeld der Ausstellung, die Sprengpotenzial hat, gut 1.000 junge Landwirte in den Elyséepalast eingeladen. Die Rede, die er dort hielt, zeichnete ein gnadenloses Bild einer überholten Landwirtschaft, die nicht mehr zeitgemäß ist.
Ungewohnte Rolle für die Bauern
„Der Landwirt ist ein Unternehmer. Er muss sich den Gegebenheiten des Marktes anpassen“, verlangte Macron. Frankreichs Landwirtschaft aber sei auf den Markt nicht vorbereitet. Sie müsse sich in eine kulturelle Revolution begeben.
Die Rede war mit Bedacht an die jungen Landwirte gerichtet: Frankreich verfügt über die Ausbildung in Landwirtschaftsgymnasien und über agrarwirtschaftliche Fakultäten über einen exzellent vorbereiteten Nachwuchs bei den Bauern. Von ihm verlangte Macron, dass er sich den neuen Herausforderungen stellt. Und dafür will er insgesamt fünf Milliarden Euro zur Verfügung stellen.
Wo liegen die französischen Probleme? Deutschland hat sich im Westen seit gut 50 Jahren auf eine industrielle Landwirtschaft umgestellt, die nach der Vereinigung der beiden deutschen Staaten mit großen Korn-Anbaugebieten, mit großen Schweinemästereien und Schweinezuchten, mit riesigen Milchfarmen Frankreich teilweise den Rang ablief. Hinzu kommen im europäischen Markt die Produkte der zentraleuropäischen Länder. Das Frankreich, das bis zum Beginn der 1990er Jahre mit kleinflächigen, von Familien betriebenen Höfen arbeitete und sich nicht auf die Situation der Nachbarländer einstellte, sieht sich heutzutage an die Wand gedrängt.
Landwirte wollen beschützt werden
„Wir wollen den Preis haben, den wir benötigten, um über die Runden zu kommen“, lautet eine oft gehörte Forderung der Landwirte. Welcher Preis ist das aber? Milchbauern erhalten heutzutage 35 Cent pro Liter. Im Handel liegt der Einstiegspreis für den Liter Milch bei 99 Cent. „Ich brauche aber 42 Cent, um auf meine Kosten zu kommen – und 45 Cent, um davon leben zu können“, sagt ein Landwirt in der Normandie.
Ähnlich liegen die Verhältnisse in der Schweine- und Rinderzucht: Die Schlachtpreise liegen deutlich unter den Entstehungspreisen. Die Landwirte verlangen Schutz von der Regierung. Schutz, den Emmanuel Macron nicht geben kann. „Wir sind nicht gut auf diesen Gebieten“, sagt er. „Wir müssen hier besser werden.“
Aber auch beim Getreide gibt es Sorgen. Als der Preis für Weizen bei 170 bis 180 Euro pro Tonne lag, ging es den Getreide Bauern gut. „Derzeit liegt er bei 105 bis 110 Euro“, sagt ein Landwirt in der in der Ausstellung.
Macron sagte den jungen Landwirten, dass in den Kantinen in den Schulen und in Behörden Fleisch zu 70 Prozent aus dem Ausland kommt. In Frankreich wird das als Skandal empfunden. Denn: Franzosen meinen, dass nur französisches Fleisch gut sei. Alles, was aus dem Ausland kommt, wird mit Misstrauen betrachtet. Die Köche in den Kantinen aber wissen, dass deutsches, holländisches, luxemburgisches Fleisch nicht schlechter ist als französisches. Überdies: Es ist preiswerter und entspricht den knappen Budgets.
Französische Normen zu streng?
Um hier mithalten zu können, verlangen die französischen Bauern, dass die französischen Normen angepasst werden. Die europäischen Normen gelten in Deutschland, den Niederlanden und Luxemburg. Nur: Bei der Umsetzung europäischer Direktiven und Normen will Frankreich immer ein Stück besser sein, verschärft die europäischen Normen zusätzlich und benachteiligt seine Landwirte im europäischen Wettbewerb.
Macron, der in Frankreich begonnen hat, Beinamen zu sammeln, gilt im Steuerbereich als der Präsident der Reichen. Und in der Landwirtschaft gilt er als der Präsident der Städter. Beim Rundgang muss er sich von einem Landwirt sagen lassen: „Wir sind hier bei uns“, sprich: „Sie kommen hier zu Besuch“, oder auch: „Sie haben keine Ahnung“. Dabei kommt der Mann aus Amiens, im Norden, wo die Kornkammer Frankreichs beginnt.
Französische Landwirte haben ein Minus-Einkommen bis etwa 350 oder 400 Euro im Monat. Sie reden dabei von „Lohn“. Davon können sie, dass weiß auch der Staatspräsident, nicht leben. Deswegen fängt er psychologisch an anderer Stelle an. Die Aussage, dass Bauern Unternehmer sind, ist in Frankreich nicht üblich. Die Kooperativen bestimmen die Preise. Die Fleischbörsen bestimmen die Preise bei der Viehzucht. Die Landwirte sind weitgehend abhängig in den Preisen, die sie für ihre Produkte erhalten.
Und wenn dann der europäische Markt noch die Preise in Frankreich drückt, dann ist Brüssel der dauerhaft Böse. Dabei fließen aus Brüssel zwischen neun und zwölf Milliarden Euro als Subventionen an die französische Landwirtschaft. Nur: Davon fließen bis zu 90 Prozent an nur 20 Prozent der Landwirte. Das sind diejenigen, die intensive Landwirtschaft betreiben und zum großen Teil gar keine Subvention benötigen.
Bioanbau verdreifachen
Nur sechs Prozent der französischen landwirtschaftlichen Fläche wird zum biologischen Anbau genutzt. Frankreich hat einen Trend verpasst. Staatspräsident Macron wünscht, dass in den kommenden vier Jahren die biologische Anbaufläche verdreifacht wird.
Gegen Ängste anzukämpfen, kommt einem Kampf gegen Windmühlen gleich. Frankreichs Landwirte fürchten sich vor einem Freihandelsabkommen mit Südamerika (Mercosur). Dann käme mit Medikamenten verseuchtes Fleisch nach Frankreich, heißt es allgemein. Südamerika müsse dann keine französischen Normen mehr erfüllen. Beim Empfang der Jungbauern im Elyséepalast räumt Macron mit diesen Befürchtungen auf. Gehört wird das nicht. Beim Rundgang durch die Messe wird er wieder und wieder auf das Fleisch aus Südamerika angesprochen.
Vor einem Jahr ist der damalige Noch-Kandidat Macron auf der Landwirtschaftsmesse mit Eiern beworfen worden. Als Präsident hat er sicherheitshalber Ersatzkleidung mitgebracht. Den Jungbauern erzählte er, dass es ihm egal sei, ob er ausgebuht wird. Er habe eine Landwirtschaftspolitik zu machen. Er wird ausgebuht und geht prompt zu den Demonstranten, um mit ihnen zu diskutieren. Hinter ihm steht der Landwirtschaftsminister. Der hat für die Dauer der Messe sein Büro in die Ausstellungshallen verlegt und führt täglich Gespräche. Premierminister Edouard Philippe wird zwei Tage in der Messe sein. Emmanuel Macron selber verbringt am Eröffnungstag mehr als zwölf Stunden in der Ausstellung. Frankreichs Regierung tut viel, um die Landwirte von sich zu überzeugen.
Sie müssen angemeldet sein um kommentieren zu können