Von unserem Korrespondenten André Anwar
Schwedische Wissenschaftler haben festgestellt, dass der Geruch von Neugeborenen das Gehirn ähnlich anspricht wie Medikamente gegen Angst und Depression. Die Forscher wollen ein Nasenspray entwickeln.
Wie wunderbar Neugeborene riechen, können die meisten frisch gebackenen Eltern bezeugen. Der wonnige Geruch und die Anziehungskraft, die von Babys ausgeht, sollen Erwachsene dazu ermuntern, sich um die schutzlosen Kleinen zu kümmern, so eine Theorie.
Den Geruchseffekt von Neugeborenen haben Duftwissenschaftler am renommierten Karolinska Institut (KI) in Stockholm genutzt, um einen ungewöhnlichen Weg einzuschlagen. Sie wollen ein Nasenspray aus den wesentlichen chemischen Bestandteilen des Babygeruchs entwickeln, das wie ein Medikament gegen Ängste und Depressionen wirken kann.
An Frauen getestet
«Ein Kollege hatte gerade Kinder bekommen und erzählte, wie herrlich der Geruch seines Babys ist. Als wir unsere Tochter bekamen, war es das Gleiche», erzählt Johan Lundström, Professor am Institut für klinische Neurowissenschaften am Karolinska Institut dieser Zeitung. Grundlegend für seine Forschung seien dabei die Arbeiten des deutschen Geruchsforschers Thomas Hummel in Dresden, betont der Schwede.
Lundström ließ 30 Frauen im fruchtbaren Alter an einem Kleidungsstück eines frisch geborenen Kindes riechen und setzte sie zum kontrollierenden Vergleich auch völlig anderen Gerüchen aus. Die Hälfte der Frauen hatte bereits selbst Kinder bekommen, die andere nicht. Der Kinderduft stammte von Säuglingen, die tatsächlich erst einen Tag auf der Welt waren. «Da ist der Geruch besonders unverfälscht von äußeren Faktoren, wie etwa bestimmten Ernährungsweisen», erklärt Lundström.
100 bis 200 unterschiedliche Chemikalien
Beim Einatmen der unterschiedlichen Gerüche wurden die Gehirne der Frauen mit einer Magnetkamera beobachtet. Es zeigte sich, dass der Babyduft einen ähnlich anregenden Effekt auf bestimmte Hirnregionen hatte wie Medikamente gegen Angst und Depressionen.
«Bei den Frauen, die noch keine Kinder hatten, konnten wir einen grundlegend positiven Effekt messen. Bei denen, die schon Kinder hatten, kam dazu noch ein eingelernter positiver Effekt hinzu, der deren frühere, positive Erfahrungen mit eigenen Babys widerspiegelt», sagt Lundström.
Bislang hätten die knappen Forschungsgelder nicht ausgereicht, um auch die Reaktionen der Gehirne von Männern auf den Babygeruch zu untersuchen. «Ich vermute aber, dass der Effekt der gleiche ist», sagt Lundström. Noch stecke seine Forschung in den Kinderschuhen, betont er.
Entwicklung von Nasenspray dauert
Der Babyduft besteht aus 100 bis 200 unterschiedlichen Chemikalien. «Wir haben schon einige Spuren und Muster ausgemacht», sagt Lundström. Aber um herauszufinden, welche der vielen Chemikalien wesentlich für das Wohlfühlen sind, brauche man ungefähr fünf Jahre. «Ein Nasenspray zu entwickeln und auf den Markt zu bringen, dauert noch viel länger, etwa zehn bis 15 Jahre», schätzt er.
Grundsätzlich hätte ein Nasenspray gegenüber Psychopharmaka bei der Linderung von Depressionen und Angst den Vorteil, dass es unmittelbar wirkt und vermutlich kaum Nebenwirkungen hat. Bei Tabletten muss eine sehr hohe Dosis des Wirkstoffes verabreicht werden, um die das Gehirn grundsätzlich schützende Blut-Hirn-Barriere zu überwinden. Das sei beim Geruchssystem nicht der Fall, so Lundström. Gerüche wirkten schon in geringer Dosis.
Schon heute besteht die Theorie, dass Menschen mit wenig Geruchssinn, verursacht etwa durch das Rauchen von Zigaretten, oder völlig ohne Geruchssinn anfälliger für Depressionen sind. Schwangere berichten zudem häufig, dass sich ihr Geruchsinn bei der Schwangerschaft verstärkt. Der Geruchssinn und seine Wirkung auf die menschliche Gesundheit sind im Vergleich zu anderen Forschungsgebieten noch relativ wenig erforscht.
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