Was will Trump? Sein Sicherheitsberater lässt in München viele Fragen offen. Europa will nicht mehr nur nach Washington starren, sondern das Schicksal in die eigene Hand nehmen. Aber geht das überhaupt?
Die Europäische Union will auf der internationalen Bühne in die von US-Präsident Donald Trump aufgerissene Lücke stoßen und verstärkt als Ordnungsmacht in der Welt auftreten. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker sagte auf der Münchner Sicherheitskonferenz am Samstag: «Wir waren lange Zeit nicht weltpolitikfähig. Die Umstände bringen es mit sich, dass wir uns um Weltpolitikfähigkeit bemühen müssen.»
Außenminister Sigmar Gabriel betonte in München, die USA seien unter Trump nicht mehr verlässlich. Angesichts der brisanten Lage in der Welt müsse Europa mehr Machtbewusstsein entwickeln. Dazu gehöre auch die Bereitschaft, sich militärisch zu engagieren. «Als einziger Vegetarier werden wir es in der Welt der Fleischfresser verdammt schwer haben.» Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz warnte allerdings, die Europäer müssten wieder stärker an einem Strang ziehen, bevor sie eine größere Rolle in der Welt spielen könnten. Dazu gehöre vor allem der Schutz der Außengrenzen.
Gabriel begründete seine Forderung nach einem stärkeren Europa auch mit einer «Verschiebung der Weltordnung mit unabsehbaren Konsequenzen», etwa dem Erstarken Chinas. Die EU dürfe sich nicht durch andere auseinanderdividieren lassen. «Niemand sollte versuchen, die Europäische Union zu spalten: nicht China, nicht Russland, aber auch nicht die Vereinigten Staaten.»
Was die aktuelle Sicherheitslage angeht, zeichnete der geschäftsführende SPD-Minister ein düsteres Bild. Die Welt steht seiner Einschätzung an einem gefährlichen Abgrund. Der Syrien-Konflikt bewege sich nach sechs blutigen Jahren als Bürger- und Stellvertreterkonflikt in eine Richtung, «die akute Kriegsgefahr selbst für unsere engen Partner» bedeute.
Der Sicherheitsberater von US-Präsident Donald Trump, Herbert Raymond McMaster, drohte dem syrischen Präsidenten Baschar al-Assad weitere Vergeltungsschläge für Chemiewaffeneinsätze im Bürgerkrieg an. «Fotos zeigen ganz klar, dass Assad weiter Chemiewaffen einsetzt», sagte McMaster in München. Es sei Zeit für alle Staaten, die Assad-Regierung dafür verantwortlich zu machen.
Der russische Außenminister Sergej Lawrow forderte EU, NATO und die USA zu einem respektvollen Umgang mit seinem Land auf. Es werde «Propaganda» betrieben, der wachsende Einfluss Russlands werde nur negativ gesehen. Dabei wolle Russland ein verlässlicher Partner sein. «Wir sind bereit, in einen offenen, von Respekt getragenen Dialog einzutreten.» Er rief zu mehr Zusammenarbeit auf, insbesondere mit der EU, auch in internationalen Konflikten, etwa im Nahen Osten. «Wir möchten eine berechenbare EU, eine starke EU haben, die ein verantwortungsvoller Akteur im außenpolitischen Rahmen weltweit ist.»
Nicht viel Bewegung in dem Thema
Gabriel drang in München auf verstärkte Anstrengungen zu einer Lösung der Ukraine-Krise. Er plädiert bei erkennbaren Fortschritten – einem von den UN überwachten Waffenstillstand in der Ostukraine – weiter für einen schrittweisen Abbau der Wirtschaftssanktionen. «Ich finde, wir müssen versuchen, Geschwindigkeit aufzunehmen», sagte Gabriel am Samstagmorgen bei einem Frühstück des Ost-Ausschusses, an dem auch Lawrow teilnahm.
Der russische Außenminister beteuerte später: «Wie kein anderes Land möchten auch wir, dass die Krise gelöst wird.» Lawrow klagte allerdings, die Ukraine werde vor die «falsche Wahlmöglichkeit» gestellt, sich entweder Russland oder der EU zuzuwenden.
NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg zeigte sich nach einem Treffen mit Lawrow pessimistisch zu Aussichten auf eine mögliche UN-Friedensmission für die Ukraine. Es gebe nicht viel Bewegung bei diesem Thema, sagte er. «Wir brauchen mehr Fortschritte bei der Umsetzung der Minsker Abkommen», sagte Stoltenberg.
Die EU hat die Sanktionen gegen Russland an die Umsetzung des Minsker Friedensabkommens von 2015 gekoppelt und sie wegen fehlender Fortschritte erst im Dezember verlängert. Umstritten ist, ob die Sanktionen schon vor einer vollständigen Umsetzung des Abkommens schrittweise zurückgefahren werden sollen. In der Ostukraine bekämpfen sich ukrainische Truppen und pro-russische Separatisten.
Die britische Premierministerin Theresa May sprach sich bei ihrem Auftritt für ein umfangreiches Sicherheitsabkommen mit der EU nach dem Brexit aus. «Wir möchten die Kooperation auch nach dem Austritt aus der EU fortsetzen und vorantreiben», sagte May. «Europas Sicherheit ist unsere Sicherheit.»
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