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Kriminelle Aktionen ohne irgendwelche rechtlichen Folgen

Kriminelle Aktionen ohne irgendwelche rechtlichen Folgen
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Frank Bertemes zu mysteriösen Attentaten, Geheimdienstaffären und Ränkespielen – die bis in die Gegenwart strahlen.

«Das Schweigen ist eine furchtbare Waffe.»
(Marcel Proust)

Von Frank Bertemes

Maître Gaston Vogel spricht von Omertà, dem Gesetz des Schweigens. Der prominente Anwalt war bereits Anfang der 60er Jahre politisch – jedoch nicht parteipolitisch – aktiv, engagierte sich aufseiten der Algerier gegen den französischen Staat, setzte sich für Kuba ein und war ein vehementer Gegner des Vietnamkriegs.

Der temperamentvolle Anwalt ist berüchtigt für pointierte und viel beachtete Aussagen, erklärter Gegner von Kirche und Monarchie, als profunder Humanist jedoch ein durchaus tiefgründiger Intellektueller, der als Buchautor und talentierter Fotograf in Kombination beachtliche Bücher über Christentum, Buddhismus, Nietzsche und Marcel Proust veröffentlichte. Der passionierte Kunstsammler und Naturfreund gab auch herrliche Bildbände über von ihm fotografierte Steine und Bäume heraus. Als wirklicher Indienexperte, ein Land, das er oft bereist und das ihn wie kaum ein anderes begeistert hat, schrieb er erst kürzlich ein wahres humanistisches Meisterwerk in Text und Fotos. Gaston Vogel ist jedenfalls ein lebendes Beispiel dafür, dass wahrer atheistischer Humanismus keine Illusion ist …

Im Bommeleeër-Prozess, um den es auch in diesem Beitrag wieder einmal gehen soll, verteidigte Gaston Vogel einen der angeklagten Polizisten, denen die mysteriösen Bombenanschläge zwischen 1984 und 1986 mit zur Last gelegt werden. Im Rahmen dieses Prozesses musste nicht nur der Luxemburger Geheimdienst Federn lassen, Gaston Vogel führte auch die Justiz vor. Nicht umsonst spricht man von einem Jahrhundertprozess und das in einer Affäre, die laut damaliger Aussage eines Untersuchungsrichters wohl niemals richtig aufgeklärt werden wird, weil eben nicht sein darf, was nicht sein soll, Zitat: «Et ass eng Staatsaffaire, déi ni däerf opgeklärt ginn.»

Es wäre in der Tat wenig hilfreich, an dieser Stelle noch einmal alles zusammenzufassen, was über die vielen Jahre berichtet und kommentiert wurde – und nicht umsonst sei die herausragende Berichterstattung des Tageblatt erwähnt, speziell jedoch die akribische Recherchearbeit des leider verstorbenen damaligen Journalisten dieser Zeitung, des späteren vielseitigen Schriftstellers und Experten unserer Landessprache Josy Braun.

Schattenkrieger der NATO

Erinnert sei in diesem Kontext besonders an seinen Roman mit dem aussagekräftigen Titel «Bommenteppech», der im September 2004 veröffentlicht wurde. Pikant ist ebenfalls, dass Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow ebenden ihm durchaus bekannten «Bommeleeër-Prozess» anlässlich seines rezenten Besuches unseres Landes in einem inhaltlich sehr beachtlichen Interview des Tageblatt ausdrücklich erwähnte, weilte der Politiker von «Die Linke» Deutschlands auch zu Beginn des Prozesses in Mariens beschaulichem Ländle – er enthielt sich jedoch, und das wohl in diplomatischer Zurückhaltung, jeglichen Kommentars.

Im Klartext: die Schattenkrieger der NATO, oder auch die Partisanen der NATO «Stay Behind», auch im Kontext BND und CIA genannt – alle in irgendeiner Form im «Bommeleeër-Dossier» auftauchend – , und dann natürlich diejenigen, die als «Exécutants», als Ausführende, in der Praxis zuständig waren. Ebenso natürlich all jene, die, salopp gesagt, vor Gericht «singen» könnten, sprich durchaus sämtliche Details zu einer Staatsaffäre, die niemals aufgeklärt werden darf, liefern könnten. Gemeint sind militärische und politische Akteure diverser Verantwortungsbereiche im Kontext «Bommeleeër», die heutzutage an kollektiver Amnesie leiden, die wohl unheilbar ist. Im Falle einer Wunderheilung, falls also doch einer das Schweigegesetz brechen sollte, weil er aufgrund irgendeiner unerwarteten, taktischen Frage, beispielsweise unseres Anwalts Gaston Vogels, dann wie eine Ratte in der Ecke sitzt, auspacken sollte, würde folgende Frage aufgeworfen: Darf man diesen Mann überhaupt bestrafen? Weil er in Ausübung seiner «Pflicht» dem Staat, besonders aber der NATO gegenüber, seinen Job gemacht hat, also auf Befehl hin in Aktion trat? Der seine ihm aufgetragene Mission, mit seinen Kollegen (wie so mancher in diesen rechtskonservativen Kreisen) persönlich überzeugt oder quasi dienstlich erledigen musste? Dies im Interesse der (vermeintlichen) «Sicherheitslobby» der konservativ- klerikalen Rechtsparteien Europas!

Diese europaweiten Sabotage-Aktionen diverser Art dienten mittels allgemeiner Verunsicherung den ureigenen Absichten der konservativen Parteien, ihrer politischen Machtsicherung und natürlich den Interessen der Waffenlobby. Diese kriminellen Akte sorgten für die Akzeptanz der drastischen Erhöhung der Militärbudgets und der Aufstockung der Effektive von Armee und Polizei – auch hierzulande! Und gerade hier kann man die Tragik dieser Affäre ansiedeln: Wer soll bestraft werden? Etwa wieder einmal, wie wir Eisenbahner zu sagen pflegen, «de Lampiste»? Auch wenn dieser im Kontext «Bommeleeër» in der Beamtenhierarchie deutlich höher eingestuft sein dürfte … Wie gewisse Namen, die immer wieder genannt wurden und werden, wohl eindeutig beweisen.

Kampf hinter den feindlichen Linien

Schuldig im Sinne der Anklage – nur: Für wen? In wessen Auftrag? Stay behind – Der Kampf hinter den feindlichen Linien gehörte zum Kernbestand militärischer Planung. Und auch in der Zeit des Kalten Krieges und im Rahmen der NATO war eine als «Gladio» firmierende «Stay behind»-Truppe europaweit aktiv – und ebenfalls in Luxemburg, die laut gewisser Aussagen unter Eid anlässlich des visierten Prozesses unter dem Befehl und der Kompetenz unserer Armee stand –, heutzutage ein offenes Geheimnis.

In diesem Zusammenhang deutlich ist ebenfalls der Schweizer Historiker Dr. Daniele Ganser, Spezialist der Zeitgeschichte seit 1945 und der Internationalen Politik mit den Schwerpunkten Friedensforschung, Geostrategie, verdeckte Kriegsführung, Ressourcenkämpfe und Wirtschaftspolitik, Professor an der Universität St. Gallen, der ebenfalls im Rahmen des Bommeleeër-Prozesses zitiert wurde. NATO und Omertà, Stay-Behindisten aktiv in Deutschland, Italien, Belgien und eben auch in unserem Ländle, wie Maître Gaston Vogel sicherlich zurecht betonte. Kriminelle Aktionen ohne irgendwelche rechtlichen Folgen – als ob rein gar nichts gewesen wäre. Ein absoluter Skandal!

Doch die Machtelite des mächtigsten Staates der Welt, der USA natürlich, der absoluten Interessenvertretung der Waffenindustrie im Zusammenspiel mit der allgegenwärtigen, vermeintlichen «Sicherheitspolitik» – die nur durch Waffen garantiert werden kann (trauriger geht’s wahrlich nicht!) – will alle kritischen Stimmen mit dem sofortigen Vorwurf der «Verschwörungstheoretiker» abfertigen und somit jeden mundtot machen, der in irgendeiner Form den empirisch durchaus messbaren Machtmissbrauch der USA anspricht, ein Imperium, das rücksichtslos und mittels der NATO und deren «geheimen Armeen» absolut prioritär die eigenen Interessen vertritt, nach aktuellem Trump-Motto: «America first»! Ein Trauerspiel!

Wie Daniele Ganser jedoch betont, lassen sich heutzutage Tausende von Menschen nicht mehr von gewissen «antiamerikanischen» Stigmata, die sofort unterstellt werden – wie eben neben dem Vorwurf des «Antiamerikanismus» das Stigma des Verschwörungstheoretikers – abschrecken und greifen als kritische Mediennutzer mittels Leserbriefen und Postings in (für einmal sinnvoll genutzten) sozialen Medien selbst in die Debatte ein. Und so auch in die (tragikomische?) Debatte um die «vergessenen» Bommeleeër …

Ach ja: «Dramatiker sind Leute, die sich aufführen, als ob sie aufgeführt würden.»
So der deutsche Schriftsteller, Dramaturg, Journalist und Übersetzer Christian Morgenstern.

… oder die endlich vorgeführt würden, die wirklichen Verfasser des Dramas!

Stay Behind
15. Februar 2018 - 9.31

" Die höchste Form der Gewalt ist die Staatsgewalt."
JFK grüßt aus dem Jenseits.