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„Die Mafia darf sich nicht auf Kosten der Migranten bereichern“

„Die Mafia darf sich nicht auf Kosten der Migranten bereichern“

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Nicht nur Schleppernetzwerke leben vom Geschäft mit Migranten. Viele Menschen profitieren in Afrika von halbwegs legalen Nebenschauplätzen. Seit Niger gegen die Schlepper vorgeht, sind diese Menschen arbeitslos. Außenminister Ibrahim Yacoubou beschreibt im Interview, dass sie wirtschaftlich dringend neu integriert werden müssen – andernfalls drohe die nächste Katastrophe.

Tageblatt: Wie geht Ihr Land mit der Migrationsfrage um?

Ibrahim Yacoubou: Wir haben einen Plan mit Blick auf die „migration irrégulière“ ausgearbeitet. Wir haben in Niger zwei Motoren, die unsere Politik antreiben.

Die wären?

Der erste Motor dreht sich rund um die Fragen der Moral. Viele junge Menschen durchqueren die Wüste – und sterben. Und selbst wenn sie weiterkommen, verlieren viele ihr Leben im Mittelmeer. Wir haben also als Niger die moralische Verantwortung, dass diese jungen Afrikaner nicht unter solchen Bedingungen durch die Wüste reisen und dort ums Leben kommen.

Und der zweite Motor?

Dieser dreht sich rund um Sicherheitsfragen. Man darf eins nicht vergessen: Die Migration an sich ist nicht so sehr das Problem. Rund um die Migration gibt es allerdings ein mafiöses Netzwerk.

Sie reden von den Schleppern?

Ganz genau. Die Schlepper versuchen, so viele Menschen wie möglich maximal auszubeuten. Und das auf ganzer Linie. Für uns ist aber Folgendes am schlimmsten: Wenn sie die Migranten nach Libyen schleusen, kommen sie oft mit Waffen aus Libyen oder aus einem anderen Staat in unser Land zurück.

Wie gehen Sie dagegen vor?

Unser Hauptziel ist es, dass sich diese Mafia nicht auf Kosten der Migranten bereichern kann. Wir wollen junge Afrikaner beschützen. Wir möchten aber auch unser Land vor den Konsequenzen dieser Waffengeschäfte bewahren. Der illegale Waffenhandel hat sich parallel zu den Migrationsbewegungen entwickelt und ist mittlerweile leider auch zum Teil daran gekoppelt.

Schmuggeln die Migranten auch?

Nein, es ist das Geschäft der Waffenschmuggler. Deshalb haben wir diesen Plan entwickelt.

Wie stehen Sie zur Migrationspolitik der Europäischen Union?

Wir sind mit der EU im Dialog. Der ganze Plan ist sehr teuer. Wir haben unsere eigenen Ressourcen, aber sie sind nicht enorm oder unbegrenzt. Zudem werden sie für eine Vielzahl von Krisenregionen in unserem Land verwendet. Deswegen haben wir unterstrichen, dass die EU uns helfen kann.

Weshalb?

Sie dürfen eins nicht unterschätzen: In unserem flächenmäßig großen Land schmuggeln Schlepper viele Menschen bis zu ihrem nächsten Ankunftsziel.

Eine Zeit lang sind die meisten Menschen auch durch Niger geschmuggelt worden.

Genau. Es gibt viele Menschen im Niger, die Migranten geholfen haben. Sie gaben ihnen zu essen, haben ihnen Mitfahrgelegenheiten oder einfach einen Platz zum Schlafen angeboten. Sie waren keine direkten Schlepper, haben aber Aktivitäten verfolgt, die zumindest an die „migration irrégulière“ gekoppelt sind.

Zeigt Ihr Plan mittlerweile Wirkung?

Ja, es gibt aber einen Haken. Ab dem Moment, wo wir diese Schmuggelnetzwerke blockiert haben, sind Hunderte Menschen im Niger arbeitslos geworden. Wir müssen sie wieder in alternative wirtschaftliche Modelle integrieren, die legal sind. Gerade in dieser Hinsicht sind wir auf die Hilfe der EU angewiesen.

Welche Form von Hilfe meinen Sie damit?

Wir brauchen die Hilfe, um neue Jobs bei uns zu schaffen, junge Menschen auszubilden und sie einfach in einer Vielzahl von Bereichen zu unterstützen. Denn wenn wir keine Arbeitsplätze kreieren und neue Alternativen für die jungen Menschen aufzeigen, kommt zu den bereits bestehenden Problemen ein neues wegen der Arbeitslosigkeit hinzu. Ich glaube, dass die Kooperation, die wir mit der EU haben, deshalb sehr wichtig ist.

Zeigt sie denn Wirkung?

Sie sehen die Zahlen. Wir haben bewiesen, dass wir mittlerweile einen großen Anteil unseres Territoriums kontrollieren. Wir haben es größtenteils fertiggebracht, den Schmuggel von Migranten zu unterbinden. Wir sind deshalb dankbar für die Unterstützung der EU. Wir haben uns allerdings immer gewünscht, dass die Unterstützungsinstrumente flexibel bleiben und sehr schnell angewandt werden können.

Was stört Sie genau?

Wenn das Auflösen dieser Schmugglernetzwerke, von denen die jungen Menschen gelebt haben, nicht schnell eine neue positive Auswirkung auf ihr Leben hat, dann ist das ein Problem. Heute gibt es demnach folgendes Problem und auch folgende Kritik: Wir haben nicht genug dafür getan, diese jungen Menschen wieder in normale wirtschaftliche Aktivitäten einzubinden. Es tut sich aber momentan etwas.

Wir werden von der EU gut unterstützt und haben einen guten Plan. Ich glaube aber, dass wir mit Blick auf Migrationsfragen einfach schnellere Finanzierungsmechanismen entwickeln müssen.

Das heißt?

Die Finanzierungsmechanismen müssen anders wie bei den bisherigen Programmen der Europäischen Union sein. Aus unserer Perspektive laufen die Projekte meist viel zu langsam. Daneben bleibt die Verstärkung unserer Sicherheitsmaßnahmen zentral.

In der Vergangenheit stand die Polizei im Niger immer wieder im Fokus. Sie soll gemeinsame Sache mit Schleppern gemacht haben. Wie gehen Sie mit dieser Kritik um?

Wir waren als Land jedes Mal sehr hart, wenn ein Mitarbeiter des Staats in Menschenschmuggel-Aktivitäten involviert war. Wir haben nicht gezittert und schon gar nicht gezögert, um diese Beamten zu bestrafen, damit es keine Nachahmereffekte mehr gibt. Wir wollen illegale Aktivitäten von Staatsbediensteten verhindern. Natürlich gab es in der Vergangenheit Beispiele für diese Form von Korruption.

Wir waren das einzige Land, das solche Probleme hatte. Aber wenn Sie sich jetzt die Statistiken des Innenministeriums ansehen, dann werden Sie bemerken, wie streng gegen diese Form von Korruption vorgegangen wird.