CDU, CSU und SPD haben bei den Koalitionsverhandlungen in einem harten Schluss-Poker versucht, letzte Hürden aus dem Weg zu räumen. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und CSU-Chef Horst Seehofer gingen davon aus, dass sich die Verhandlungen mindestens bis in den Montagabend ziehen würden, womöglich auch bis tief in die Nacht. Eine Mehrheit der Befragten lehnte unterdessen in einer Umfrage einen Einzug von SPD-Chef Martin Schulz in ein neues Kabinett Merkel ab.
Der Unionsteil der großen 91er-Verhandlungsrunde müsse sich nicht vor 18.00 Uhr bereit halten, machten Merkel und Seehofer am Montag nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur aus Teilnehmerkreisen bei einer Vorbesprechung der Unterhändler in Berlin deutlich. Die große Verhandlungsrunde muss am Ende eine abschließende Einigung der Spitzenrunde der 15 Unterhändler auf einen Koalitionsvertrag noch absegnen.
Schwierige Endphase
CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt rechnet mit einer schwierigen Endphase der Verhandlungen. «Der Wille ist da, ich glaube von allen Seiten. Aber die Hürden sind auch noch groß», sagte er. «Da kann das Ganze heute gelingen oder nochmal schwierig werden.» Saar-Regierungschefin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) sagte auf die Frage, ob man am Montag fertig werde: «Wenn es nach mir geht, ja.» Familienministerin Katarina Barley (SPD) sagte im Sender «SWR2», der Wille zur Einigung sei auf beiden Seiten da. Aber «solange wir nicht ganz bis zu Ende sind, ist eben noch kein Haken dran».
Nach den internen Vorbesprechungen beider Seiten und bilateralen Gesprächen zwischen CDU, CSU und SPD sollten gegen Mittag die Beratungen in der 15er-Spitzenrunde um Merkel, Schulz und Seehofer über die Knackpunkte in der Arbeitsmarkt- und Gesundheitspolitik weitergehen. Es wurde erwartet, dass sich die Runde zunächst mit der SPD-Forderung nach einer Abschaffung der grundlosen Jobbefristungen befasst. Das Thema war bereits am Sonntagabend ohne Ergebnis andiskutiert worden.
CDU, CSU und SPD hatten die Zahl der strittigen Punkte zuletzt weiter reduziert. Teilweise in Nachtarbeit und seit dem frühen Morgen seien einige offene Fragen geklärt worden, erfuhr die Deutsche Presse-Agentur aus Verhandlungskreisen. Die Steuerungsgruppe habe redaktionell am Koalitionsvertrag gearbeitet und Dopplungen beseitigt. Nach dem Verhandlungstag am Sonntag sei der Text aktualisiert, die erzielten Einigungen seien eingearbeitet worden.
Einigung über Europa-Plan
Auch über das Europa-Kapitel wurde demnach inzwischen eine endgültige Einigung erzielt. Nun gebe es noch etwa 15 kleinere offene Punkte und drei große Streitthemen, hieß es weiter: die Gesundheitspolitik, die Regeln für befristete Arbeitsverträge und als übergeordnetes Thema die Finanzen.
Jetzt gehe es «ans Eingemachte», hieß es kurz vor dem geplanten Beginn der Beratungen der Chef-Unterhändler beider Seiten. Zu den ungelösten Knackpunkten gehören zwei Themen, die der SPD besonders am Herzen liegen: Änderungen bei sachgrundlos befristeten Arbeitsverträgen und die Abschaffung der Ungleichbehandlung von Kassen- und Privatpatienten.
Die SPD geht einem internen Szenario zufolge davon aus, dass die Chefs von Union und SPD den Koalitionsvertrag an diesem Dienstag um 9.00 Uhr vorläufig abzeichnen und den Parteigremien und Fraktionen vorstellen. Der Ablaufplan sei mit der Union nicht abgestimmt, hieß es in Berlin. Ein SPD-Sprecher sagte: «Aus organisatorischen Gründen gibt es mehrere Varianten des zeitlichen Ablaufs, die bei Abschluss eines Koalitionsvertrags in Frage kommen.» Die interne Planung lag der «Rheinischen Post» vor.
Kommt der Vertrag am Dienstag?
Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur könnte der fertige Koalitionsvertrag von den drei Parteichefs am Dienstagvormittag der Öffentlichkeit vorgestellt werden. Anschließend müssen die SPD-Mitglieder darüber abstimmen. Eine Option könnte sein, die Briefwahlunterlagen am Wochenende 3./4. März auszuzählen und das Ergebnis zu verkünden.
Die Mehrheit der Deutschen lehnt nach einer Umfrage einen Einzug von SPD-Chef Schulz als Minister ins Kabinett der geplanten großen Koalition ab. 54 Prozent seien gegen ein Ministeramt für Schulz, 36 Prozent würden es befürworten, wie das Forsa-Institut mitteilte. Auch SPD-Anhänger seien der Umfrage für das RTL/n-tv-Trendbarometer zufolge mehrheitlich dagegen, dass Schulz in einer großen Koalition ein Ministerium übernimmt, mit 47 gegen 44 Prozent. Innerhalb der SPD gilt Schulz aufgrund seines Schlingerkurses als schwer angeschlagen.
61 Prozent der Befragten befürworteten dagegen, dass Sigmar Gabriel Außenminister bleibt. Dieser Auffassung seien auch 70 Prozent der Unions-Anhänger und 71 Prozent der SPD-Anhänger. Nur 10 Prozent wünschten, dass Martin Schulz Chef des Auswärtigen Amtes wird.
Die SPD sollte sich auf ihre Werte rückbesinnen, sonst verschwindet sie in der Bedeutungslosigkeit.